Hamburg. Umwidmung von Rahlstedter Grün- in Bauland wollen die Naturschützer nicht hinnehmen. Artenschutz und Stadtklima seien wichtiger.
Der BUND hat Klage eingereicht. Damit wollen die Naturschützer beim Hamburger Oberverwaltungsgericht verhindern, dass ein neues Gewerbegebiet im Hamburger Nordosten eingerichtet wird. Der 28 Hektar große Rahlstedter „Victoriapark“ des Großinvestors Klaus-Peter Jebens verwandele wertvolles Grün in Bauland und gefährde die Existenz zahlreicher geschützter Arten am Stadtrand. Die Naturschützer wollen bei Gericht einen schnellen Baustopp erreichen und parallel dazu den Bebauungsplan für rechtswidrig erklären lassen.
„Mit einem Federstrich wird erneut in Hamburg der Landschaftsschutz ausgehebelt und eine massive Naturzerstörung zugelassen“, sagte Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. „Wir halten den Bebauungsplan Rahlstedt 131 für rechtswidrig und gerade die artenschutzrechtliche Prüfung für unzureichend. Außerdem stellen wir den Bedarf deutlich in Frage. Hier soll offenbar für einen einzigen Investor trotz Alternativen der Weg frei gemacht werden.“
Lange Liste geschützter Arten
Jebens Flächen an der Grenze zu Schleswig-Holstein beherbergen laut Braasch mehr als 30 geschützte Tier- und Pflanzenarten, darunter die Breitflügelfledermaus, den Moorfrosch, die Spitzblütige Binse und den Fitis (Laubsänger). Das Plangebiet zeichne sich durch wertvolle Knicks und eine Reihe von ebenfalls nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützter Biotope (z. B. Sumpf, Sumpfwald, Sumpftümpel) aus. Die Stadt habe bei der Artenaufnahme und der Kartierung Fehler gemacht.
Auch bestehe gar kein Bedarf für neue Gewerbeflächen. Allein der Bezirk Wandsbek verfüge über etwa 20 Hektar ausgewiesener und freier Gewerbeflächen.
Die Stadt will Freiflächen für Ansiedlungen
Die Stadt will erklärtermaßen ein Überangebot an Gewerbeflächen schaffen. Das soll nicht nur Firmenansiedlungen erleichtern, sondern auch bereits in Hamburg ansässigen Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten bieten, die in kurzen Zeithorizonten zu realisieren sind. Seit längerem gelingt es den Umlandgemeinden im Speckgürtel bis hin nach Neumünster, mehr Gewerbe neu anzusiedeln als Hamburg.
Der BUND monierte, dass es nicht mehr zeitgemäß sei, großflächige Gewerbebetriebe „anzulocken“. Es sei weit sinnvoller und auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt zuträglicher, gezielt hochwertiges und flächensparendes Gewerbe anzusiedeln. Auch müsse in Gewerbegebieten mehrgeschossig gebaut werden, um Platz zu sparen. Wer Flächen versiegle, müsse anderswo entsiegeln.
Massiver Protest auch von einer Bürgerinitiative
Der Streit um das Rahlstedter Gewerbegebiet tobt schon seit Jahren und hat sich erst in jüngster Zeit zu einem Konflikt der Stadt mit dem BUND entwickelt. Eine Bürgerinitative läuft seit Jahren Sturm gegen das von Jebens und der Stadt als „Premiumgewerbegebiet“ bezeichnete Bauvorhaben. Erstmals wurde auch länderübergreifend geplant: der Victoriapark grenzt an den von der Gemeinde Stapelfeld gebilligten Minervapark des gleichen Investors auf Schleswig-Holsteiner Grünland.
Die Nachbarn von Jebens beklagen den Verlust ihrer Naherholungsgebiete und den anwachsenden Verkehr. Vergebens. Die Stadt kassierte ihr Bürgerbegehren. Der Bezirk Wandsbek erklärte sich für „unzuständig“, weil der Senat ihn kurz zuvor angewiesen hatte, zügig zu Ende zu planen.
Hat das Bezirksamt getrickst?
Anschließend genehmigte das Bezirksamt Erschließungsmaßnahmen und Straßenbauarbeiten im Plangebiet auf der Basis einer sogenannten „vorgezogenen Vorweggenehmigungsreife“ des noch im Verfahren befindlichen Bebauungsplanes. Solche Baugenehmigungen können nicht vor Gericht überprüft werden. Die Bagger rollten. Statt wie vorgesehen im Frühjahr 2019 unterschrieb der Wandsbeker Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) den Bebauungsplan auch erst Ende Dezember 2019. Damit erst wurde der Plan offiziell erlassen, und jetzt erst konnte er auch vor Gericht angegriffen werden. Das geschieht jetzt zwei Monate später mit der Klageinreichung des BUND.
Der BUND hatte dennoch im Juli 2019 kurzzeitig einen Baustopp erreicht. Vor dem Verwaltungsgericht musste er aber hinnehmen, dass die Richter den Fortgang der Bauarbeiten auf den bereits zerstörten Flächen erlaubten.