Hamburg. Grabungstagebuch Teil 7: Erstmals wurde der unbeschädigte Wall freigelegt. Mehr zum Fund und warum er ein Glücksfall ist.

Das ist der Gipfel. Auf 5,01 Meter über Normalnull. Da ist sich Kay-Peter Suchowa ziemlich sicher. Mit einem sehr zufriedenen Lächeln zeigt er auf die rund 1000 Jahre alten Hölzer, die er und seine Kollegen freigelegt haben. „Das ist der höchste Punkt des Burgwalls, den wir jemals gefunden haben“, erläutert der Archäologe.

Die mittelalterliche Festung ist als Neue Burg bekannt, im Jahr 1021 wurde mit dem Bau begonnen. Neu hieß sie deshalb, weil es ja eine viel ältere schon gab: die Hammaburg, die aus dem 8.  Jahrhundert stammt. Reste des Walls der Neuen Burg hat man schon oft gefunden, zuletzt 2014 und 2016 bei den Ausgrabungen am Hahntrapp und am Großen Burstah. „Da waren wir aber auf einer Höhe von 2,50 beziehungsweise etwas über vier Metern“, sagt Suchowa. Was aber nicht bedeutet, dass der Wall auf der anderen Seite flacher gewesen wäre. Vielmehr wurde im Laufe der Jahrhunderte durch Bauarbeiten schon vieles abgetragen.

Und das ist der Grund, warum der aktuelle Fund so besonders ist. Denn Suchowa ist „zu 95 Prozent sicher“, dass er hier den Wall in kompletter Höhe ausgraben kann. Und er hofft auf neue Erkenntnisse über die Bauzeit der Burg.

Archäologe schätzt das Alter der Neuen Burg

Wälle waren damals sogenannte Holz-Erde-Konstruktionen. Das Holz diente zur Stabilisierung der Konstruktion, war gewissermaßen das Gerüst, das mit Erde und Kleie aufgefüllt wurde. Von den Holzbauten im Inneren der im 12. Jahrhundert aufgegebenen Burg gibt es zwar keine Reste mehr. Aber das Holz aus dem Wall lässt sich sehr genau datieren – mithilfe der Dendrochronologie.

Dafür braucht man einen Stamm mit idealerweise mindestens 50 Jahresringen. „Die Breite der Ringe zeigt ja an, wie sehr der Baum in diesem Jahr gewachsen ist – ob also das Wetter günstig oder schlecht war“, erklärt Suchowa. Seit dem 19. Jahrhundert haben Generationen von Forschern Dateien angelegt, in denen die Wachstumsphasen von verschiedenen Baumarten in den verschiedensten Regionen verzeichnet sind – teilweise Jahrtausende zurück. Das ist wie bei einem Puzzle: Die Jahresringe eines Baumes passen exakt nur an eine einzige Stelle. Und dann weiß man genau, wann er gefällt wurde.

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Glücksfall: Wall an dieser Stelle unzerstört

„Bei früheren Grabungen haben wir Bäume aus den Jahren 1021 bis 1033 gefunden“, sagt Suchowa. Die Bauzeit der Burg betrug also mindestens zwölf Jahre. Es kann aber gut sein, dass die jetzt entdeckten Hölzer noch etwas jünger sind. In ein paar Monaten wird man es wissen.

Dass der Wall an dieser Stelle unzerstört blieb, ist ein Glücksfall. Nach der Erstbebauung mit Wohnhäusern (wahrscheinlich im frühen 13. Jahrhundert) wurde zuletzt im 18. Jahrhundert neu gebaut – mit einem Halbkeller, der den Wall nicht tangierte. Die Häuser wurden beim Großen Brand 1842 zerstört, danach wurde die kleine Straße am Rande der Nikolaikirche gebaut, die hier heute noch verläuft. Und die heißt ja nicht zufällig „Neue Burg“.