Altstadt. Grabungstagebuch, Teil 3: Warum Archäologen sehr penibel sein müssen und auch mit viel Erfahrung keine Routine aufkommt.
Wurst oder nicht Wurst?, das ist hier die Frage. Klingt zugegebenermaßen erst einmal albern, hat aber bei einer archäologischen Grabung einen durchaus seriösen Hintergrund. „Das ist ein kleiner Test für die Bodenbeschaffenheit“, sagt Martin Eckert und schmunzelt. Wenn sich aus einer Bodenprobe mit den Händen eine Wurst formen lässt, dann ist es nämlich eine Ton- oder Lehmschicht, die freigelegt wurde. Und die muss vermessen, eingezeichnet und genau beschrieben werden.
Eckert ist Archäologe, arbeitet hier an der Nikolaikirche in Hamburg aber als Grabungstechniker im Team von Kay-Peter Suchowa. Damit ist er zum einen für die Arbeitsorganisation zuständig – er koordiniert die Ausgrabungsarbeiten so, dass möglichst an keiner Stelle Leerlauf entsteht. „Ich bin außerdem für die Dokumentation verantwortlich.“ Und das ist beileibe keine bürokratische Pflichtaufgabe, die man mal nebenbei erledigt – sie ist so ziemlich das Wichtigste überhaupt. „Unser Anspruch ist es, dass spätere Forschergenerationen auch in 200 Jahren noch genau nachvollziehen können, was wir hier gemacht und gefunden haben“, sagt Eckert.
Ausgrabungen bei St. Nikolai – alles wird millimetergenau vermessen
Also gibt es unzählige Fotos, alles wird millimetergenau vermessen, am Computer kartografiert und möglichst exakt beschrieben. Eckert demonstriert das an einer kleinen Fläche, auf der der Erdboden mal heller, mal dunkler ist, wie auf einem Flickenteppich. Und auf jeder Fläche liegt eine kleine Karte mit einer Nummer. „Jede Nummer steht für eine Schicht. Und in der Dokumentation steht dann beispielsweise zu Nummer 83, dass es sich um eine leicht rauchige Lehmschicht mit hohem Holzkohleanteil handelt.“
Zu jeder Nummer gibt es auch einen Sammelkorb. Wenn an dieser Stelle später gegraben wird, dann kommen alle Funde in den entsprechenden Korb.
Eckert: "Wir sind Forscher, keine Schatzsucher"
Beim Stichwort Funde ist man dann an dem Punkt, an dem Laien und Profis höchst unterschiedliche Vorstellungen haben. „Wir sind Forscher, keine Schatzsucher“, sagt Eckert. Das Ziel der Grabung ist es ja nicht, Schmuck oder Münzen zu finden – sondern Erkenntnisse über das Leben in früheren Jahrhunderten zu gewinnen. „Natürlich freuen wir uns auch, wenn wir etwas Schönes ausgraben, aber das ist eher Beifang“, erklärt Eckert. Für ihn kann manchmal ein Holzstück oder eine Keramikscherbe viel aufregender sein, wenn sich daraus Schlüsse, etwa über das Alter eines Baus, ziehen lassen.
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Eckert ist ein sehr erfahrener Forscher. In Hamburg war er schon bei der Hammaburg-Ausgrabung dabei, auch bei der Neuen Burg ein paar Hundert Meter weiter hat er mit Suchowa zusammengearbeitet. Routine kommt dennoch nicht auf. „Jede Grabung ist anders, jeder Tag ist anders und immer wieder spannend“, sagt er – und man sieht sofort, dass er es auch genau so meint.