Hamburg. Bei einer Talksendung mit Reinhold Beckmann sprach Jan Fedder über Krankheiten, Sucht und den Tod. Unser Autor Peter Wenig war dabei.

Und dann war er da an diesem Sommertag und füllte den Raum. Sein Fahrer schob ihn im Rollstuhl in das zum TV-Studio umgebaute Design-Möbelgeschäft in einem Hinterhof in Ottensen. Hosenträger, schwarze Hose, schwarzes Hemd, das Haar gewellt, die Stimme so knarzig, wie man sie kennt aus „Großstadtrevier“ oder „Neues aus Büttenwarder“.

Reinhold Beckmann hatte Jan Fedder in seine Talksendung „Beckmann trifft“ eingeladen, eineinhalb Jahre ist das nun her. Als Abendblatt-Reporter war ich bei der Aufzeichnung dabei. Und war gespannt. Denn in den Wochen zuvor hatte sich das Boulevard mit Spekulationen über die Krankheit des Schauspielers überboten. „Grausame Wahrheit über seinen Gesundheitszustand“ raunte im April ein Promi-News-Dienst. Fedder liege auf einer abgeschirmten Station einer Klinik, wo nur Patienten seien, die rund um die Uhr medizinische Hilfe benötigten.

Jan Fedder wirkte an der Schwelle zum Tod munter

Nun, für einen Pflegefall an der Schwelle zum Tod wirkte Fedder an diesem Nachmittag ziemlich munter. Als ihn Produktionshelfer aus dem Rollstuhl helfen wollten, wehrte Fedder ab: „Lass mal, schaff ich schon.“ Dann staunte der Schauspieler über all die Fotos aus seinem Leben an den Studiowänden. „Wahnsinn, wo habt ihr die Sachen nur her“, sagte Fedder. Und fragte dann höflich, ob man ihm ein paar Fotos schicken könne.

Viele Prominente, die sich gern volksnah geben, sind im wahren Leben ganz anders. Unnahbar, mitunter arrogant. Doch Jan Fedder, der sich immer als Volksschauspieler begriffen hat, klönte so ausgiebig mit den Technikern und Kameramännern, dass der Produktionschef irgendwann mit Blick auf die Uhr bat, ob man jetzt doch mal starten könnte.

Jan Fedder erzählt von der „schlimmsten Zeit meines Lebens“

Als das Rotlicht anging, lenkte Beckmann sofort das Gespräch auf den Gesundheitszustand seines Gastes: „Jan, wie geht es dir?“ Dabei hassen die meisten Künstler Themen wie Krankheit und Sucht, sie sind Gift für erhoffte Engagements. Doch dieser Jan Fedder erzählt schonungslos von der „schlimmsten Zeit meines Lebens“. Von den 30 Bestrahlungen in der Mundhöhle wegen eines Karzinoms. Von der Angst, seine Stimme zu verlieren, seinem wichtigsten Werkzeug. Zum Glück sei der Arzt auch Fan gewesen: „Der wollte mir eigentlich eine neue Mundhöhle bauen. Aber er hat gesagt, Jan, wir müssen deine Stimme retten.“

Dann die Stürze: „Ich habe mir alles gebrochen, was man sich brechen kann. Hüfte, Beine, Kniescheiben.“ Dazu schwere bakterielle Entzündungen: „Ich habe oben angeklopft, aber die wollten mich noch nicht.“

Einblicke ins tiefste Innere Jan Fedders

Fedder lässt an diesem Nachmittag in Ottensen in sein tiefstes Innerstes schauen: „Es gab Momente, da hatte ich den Glauben verloren.“ Und dann spricht er über den Tod: „Leiden will ich nicht mehr. Ich möchte, dass es schnell geht. Und wenn es sein muss, vom Hochhaus runter.“ „Gab es Suizid-Gedanken?“, will Beckmann wissen. Fedder zögert kurz. Und sagt: „Es gab so Tage, wo man das zumindest in Erwägung gezogen hat.“

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Es war der Moment, wo die Sendung ins Sentiment hätte kippen können. Aber dafür hat Fedder ein viel zu feines Gespür. Und er hasst ohnehin Selbstmitleid. „Ich bin doch selbst schuld“, gibt er zu. „Du hast geraucht wie ein Schlot und geschluckt wie ein Specht“, sagt Beckmann. Fedder korrigiert: „Nein, ich habe gesoffen wie eine Sau.“ Irgendwann mit Anfang 40 habe er beschlossen: „Ich saufe mich zu Tode, bis ich 50 bin. Ich bin dem Teufel 14-mal von der Schippe gesprungen.“ Genau dieses Zitat steht nun in vielen Nachrufen. Allerdings hat Fedder bei Beckmann eben auch berichtet, dass er längst keinen Tropfen mehr anrühre: „Einmal habe ich es noch versucht, das ging im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose.“

Und dann „Das Boot“ mit Jan Fedder als Bootsmaat Pilgrim

Im Schlagzeilen-Dickicht nach der Beckmann-Sendung, die der NDR unbegreiflicherweise um 23 Uhr versendete, verschwand leider ebenfalls, dass Fedder an diesem Nachmittag Shakespeare rezitierte und über seine Liebe zu Siegfried Lenz sprach, über Verfilmungen von Romanen wie „Das Feuerschiff“ oder „Der Mann im Strom“. Produktionen, in denen Fedder zeigen durfte, dass er zu den ganz großen deutschen Schauspielern gehörte. „Es war für mich so, als ob der Siggi die Bücher extra für mich geschrieben hat“, sagte Fedder. Geduzt habe er sich mit dem 2014 verstorbenen Autoren gleich beim ersten Treffen.

Und dann „Das Boot“ mit Jan Fedder als Bootsmaat Pilgrim. 5,8 Millionen Zuschauer allein in Deutschland, nominiert für sechs Oscars. Den Originaldrehplan, geschrieben mit Tinte auf einer dicken Pergament-Rolle, brachte Fedder ins Studio mit. Fedder hatte ihn sich nach dem letzten Drehtag im Produktionsraum geschnappt: „Da waren wir alle besoffen und bekifft.“

Während der Dreharbeiten war dies offenbar eher die Regel: „Regisseur Wolfgang Petersen sagte immer, lass die Jungs ruhig saufen, umso kaputter sehen sie am nächsten Morgen aus. Wir mussten als U-Boot-Fahrer ja kaputt aussehen.“ Am Ende habe der Regisseur gefragt, wer denn jetzt bereit für den Film-Tod sei? „Fast alle wollten sterben“, sagt Fedder. Aber er wollte überleben: „Ich dachte mir, wenn das ein Welterfolg wird, gibt es bestimmt einen zweiten Teil.“ Den gab es nie.

Für die Trauerfeier hatte Jan Fedder schon einen Drehplan

Und der eigene, der echte Tod? Für die Trauerfeier hatte Fedder schon einen Drehplan. „Die muss im Michel stattfinden“, sagte er. Dort, wo er getauft, konfirmiert und getraut wurde. Auch die Musik habe er schon ausgesucht. Was Überraschendes. Genau wie bei seiner Hochzeit, als Fedder unbedingt den Deep-Purple-Welthit „Child in time“ hören wollte. Leider habe sich der Michel-Organist geweigert: „So einen Scheiß spiele ich nicht.“ Also verpflichtete er einen russischen Musiker: „Der hat sich dann so sehr in einen Rausch gespielt, dass der Pastor flehentlich hochgeguckt hat: Hören Sie doch auf.“

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Zu diesem Zeitpunkt saß bereits HP Baxxter mit im Studio. Beckmann hatte den Sänger von Scooter („Hyper, hyper“) als Überraschungsgast für Fedder verpflichtet, die beiden sind seit vielen Jahren befreundet. HP Baxxter erzählte von seinen Hochzeitsanträgen, beim ersten Mal auf einem ostfriesischen Deich, beim zweiten Mal auf der Tower Bridge in London. Es war die Steilvorlage für die berührendsten Momente der Sendung. Fedder sprach über Marion, die Liebe seines Lebens. Vor allem ihretwegen, sagte er, habe er nie aufgegeben.

Die beiden lernten sich bei einer Gala im Interconti kennen. Er sei nicht gut drauf gewesen („ich trank zu der Zeit gerade nichts“) – und Marion habe ihn nicht erkannt: „Ich sagte ihr, ich bin Großstadtfriseur. Und was machen Sie? Bin in der Werbung, sagt sie. Ach, so’ne Werbeschlampe, die hab ich richtig gefressen.“

„Interessant“, brummte der Altkanzler – und rauchte mit Fedder

So ein Satz endet in einem Fedder-Leben entweder mit einer verdienten Ohrfeige – oder vor dem Traualtar im Michel. Fedder reservierte 100 Tage nach dem Kennenlernen wieder den Saal im Interconti, diesmal nur für Marion und ihn: „Ich habe alles genauso herrichten lassen wie bei der Gala und 100 Baccara-Rosen mitgebracht.“ Und natürlich Ringe. Später saßen die beiden dann frisch verlobt auf dem Balkon einer Suite und riefen mitten in der Nacht bei Fedders Mutter an: „Ich bin gerade mit Marion im Interconti.“ Der Konter der Mutter: „Ist was mit eurer Wohnung?“

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Beim Abschied aus dem Studio tippte Fedder noch auf einen Aschenbecher mit Zigarettenstummeln. „Passt mir ja gut darauf auf.“ Denn die Kippen waren seine Erinnerung an sein erstes Treffen mit Altkanzler Helmut Schmidt bei einer Geburtstagsfeier für Siegfried Lenz. Fedder hatte für die kleine Gesellschaft Ringelnatz-Verse zitiert. Schmidt verzog keine Miene, wollte später wissen, was der Herr Fedder so beruflich mache. Und ob man davon leben könne. Das Eis taute erst auf, als Fedder erzählte, wie seine Familie die Sturmflut überlebte. „Interessant“, brummte der Altkanzler. Und rauchte mit Fedder.

Vier Jahre nach Helmut Schmidt ist nun auch Jan Fedder gestorben. Zwei Hamburger, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier der große Staatsmann, dort der großartige Volksschauspieler. Und eben doch zwei echte Hanseaten.