Hamburg. Seit sechs Jahren wird geplant. Baugemeinschaften sind desinteressiert, die Stadt hofft dennoch auf baldigen Baustart.

Vor sechs Jahren, exakt in der Nacht zum 15. Dezember, wurden die Esso-Häuser am Spielbudenplatz wegen Einsturzgefahr geräumt. Schließlich wurden die maroden Gebäude abgerissen. Die ehemaligen Mieter haben ein Rückkehrrecht, aber auf der inzwischen grünen Brachfläche mitten auf dem Kiez, also mit Eins-a-Lage, ist bislang nichts passiert. Ein hoher Bauzaun schirmt das Gelände ab.

Von einer Bautätigkeit ist die Bayerische Hausbau aus München, die das Grundstück bereits 2009 gekauft hatte, noch weit entfernt. Vor mehr als einem Jahr wurde der städtebauliche Vertrag mit dem Investor für das Paloma-Viertel – so soll das neue Quartier heißen – abgeschlossen. Das wurde als Meilenstein gefeiert. Zuvor gab es einen wohl einmaligen Beteiligungsprozess, bei dem rund 2300 Bürger mitmachten und der von der Planbude organisiert wurde.

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Zum Paloma-Viertel gab es 83 Stellungnahmen von Bürgern

Doch jetzt herrscht wieder Stillstand. Nach Abendblatt-Informationen gibt es dafür diverse Gründe. Nachdem im März und April der Bebauungsplan-Entwurf St. Pauli 45 „Paloma-Viertel“ öffentlich ausgelegt wurde, gab es laut Bezirksamt Mitte 83 Stellungnahmen von Bürgern. Darunter ist die eines Nachbarn, der selber einen Gewerbebetrieb dort hat. Der habe in seiner Stellungnahme beim Thema Lärmschutz kritisch nachgefasst, sagte Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte.

Auf dieser  großen Grünfläche­ mitten auf dem Kiez standen einst die Esso-Häuser. Hier soll ein neues Quartier entstehen.
Auf dieser großen Grünfläche­ mitten auf dem Kiez standen einst die Esso-Häuser. Hier soll ein neues Quartier entstehen. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

„Wir arbeiten aktuell im engen Austausch mit Vorhabenträgerin und dem Nachbarn an einer einvernehmlichen Lösung“, so Droßmann weiter. Auch das sorgt für eine weitere Verzögerung des Bauvorhabens. Dabei geht es offensichtlich darum, dass der Nachbar durch Anlieferverkehr eine Lärmbelastung befürchtet. Bevor es keine Einigung gibt, wird der Bezirk auch nicht den Bebauungsplan aufstellen. Der ist wiederum Grundlage für einen Bauantrag, den die Bayerische Hausbau danach stellen müsste. Die Baugenehmigung müsste der Bezirk erteilen.

Verhandlungen über Ankauf von Baufeld 5 dauern an

Die Bayerische Hausbau plant rund 200 Wohnungen. Davon sollen 40 Prozent öffentlich geförderte und weitere 40 Prozent frei finanzierte Mietwohnungen sein. 20 Prozent der Wohnfläche – die auf dem Baufeld 5 liegen – sollen von Baugemeinschaften genutzt werden. Aber es wurde bislang keine gefunden. „Die Frist für die Baugemeinschaften wurde bis zum 15. Januar verlängert“, sagte Barbara Ketelhut, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW). Das war die achte Verlängerung. Seit Oktober 2018 wird die Baugemeinschaftsfläche auf hamburg.de angeboten.

Ob sich noch ein Interessent findet, ist unklar. Bereits im April hatte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) angekündigt, die Stadt Hamburg beabsichtige, Baufeld 5 zu kaufen, um so den möglichst raschen Baubeginn zu ermöglichen. Das ist jetzt acht Monate her. Hinter den Kulissen verhandeln der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) und die Bayerische Hausbau weiter über einen Ankauf. Dabei geht es einzig und allein um die Höhe des Kaufpreises.

Die Münchner haben gute Karten, denn sie könnten auch eine andere Option ziehen. Sie könnten – so ist es im städtebaulichen Vertrag geregelt – auf dem Baufeld 5 dann 30 Prozent frei finanzierte und 70 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen realisieren, da bislang keine Baugemeinschaft gefunden wurde. Doch dem Vernehmen nach setzt der Investor auf die Stadt als Käufer. Auf Abendblatt-Anfrage sagte Dressel: „Unser Ziel ist es, Anfang kommenden Jahres eine Einigung mit der Bayerischen Hausbau zu erzielen.“

Die Politik drängt auf eine Umsetzung des Bauprojekts

Die Politik will Ergebnisse sehen. Tobias Piekatz, SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte, sagte: „Das Paloma-Viertel ist eines der wichtigsten Bauprojekte im Bezirk Mitte, und es ist den Bürgern nur noch schwer zu vermitteln, warum hier seit Jahren eine Fläche im Herzen von St. Pauli brachliegt.“ Hier müsse endlich etwas passieren. Es sei wichtig, dass dort die 60 Prozent öffentlich geförderten Wohnungen eingehalten werden, es dürfe keine Kompromisse geben.

Auf dem Baufeld 5 soll auch ein Nachbarschaftszentrum mit rund 786 Quadratmetern entstehen. Dafür wollte die Planbude – die sich zuvor im Auftrag der Stadt um die Bürgerbeteiligung gekümmert hatte – einen sozialen Investor finden, der das Cluster mit Sexshop, Stadtteilkantine mit Werkstätten und anderen Nutzungen betreibt. Auch ein solcher Investor wurde nach Abendblatt-Informationen noch nicht gefunden. Allerdings würde hier wohl auch die Stadt einspringen, sollte sie das Baufeld 5 erwerben.

Bezirksamtschef Droßmann gibt sich zuversichtlich

Der Musikclub Molotow, der vor dem Abriss in den Esso-Häusern beheimatet war und aktuell am Nobistor seinen Standort hat, soll auch ins Paloma-Viertel ziehen. Die Betreiber sollen künftig rund 800 Quadratmeter erhalten, auf der alten Fläche waren es rund 240 Quadratmeter. Die Miete ist im städtebaulichen Vertrag geregelt und liegt bei 2300 Euro zuzüglich einer Umsatzmiete auf den Verkauf von Speisen und Getränken in Höhe von maximal 25 Prozent. Die Bayerische Hausbau ist dem Molotow hier dem Vernehmen nach auf zehn Prozent entgegengekommen. Aber ein Mietvertrag wurde immer noch nicht abgeschlossen – offensichtlich wollen die Betreiber ein noch größeres Entgegenkommen des Investors erreichen.

Außerdem sind rund 14.400 Qua­dratmeter Bruttogeschossfläche für Gewerbe vorgesehen. Dazu gehören Flächen für Gastronomie und Clubs, Einzelhandel und einen Supermarkt sowie eine Drogeriekette. Auch ein Hotel mit rund 150 Zimmern und einem kiezaffinen Konzept ist geplant – aber einen Betreiber gibt es nicht. Es gab zahlreiche Interessenten, darunter die 25hours Hotels. Aber die Ketten brauchen einen verlässlichen Zeitplan. Den gibt es nicht. Doch Bezirksamtschef Droßmann ist zuversichtlich: „Wenn wir die letzten Hürden genommen haben, wäre ein Baustart Ende 2020 möglich.“