Hamburg. Am Spielbudenplatz soll ein Quartier mit vielfältigen Nutzungen auf engstem Raum entstehen. Die wichtigsten Antworten.
Mit 200 Wohnungen ist das geplante Paloma-Viertel am Spielbudenplatz wahrlich kein Großprojekt – doch trotzdem setzt sich die Stadt extrem dafür ein. Nachdem jetzt, anders als geplant, keine Baugemeinschaft für einen Teil des Grundstücks gefunden wurde, will sie jetzt sogar das entsprechende Baufeld kaufen. Warum dieses Engagement? Das liegt zum Teil an dem Standort mitten auf St. Pauli. Und sicher auch daran, dass hier 60 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum entstehen soll.
Laut Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, geht es aber noch um viel mehr. „Das Paloma-Viertel ist ein Leuchtturmprojekt. In seiner Gesamtheit mit Nachbarschaftscluster, Baugemeinschaft, Stadtteillabor, Kulturräumen, Hotel und Wohnungen greift es den gesellschaftlichen Diskurs auf – und gilt damit in ganz Deutschland als vorbildlich.“ Tatsächlich sei das Paloma-Viertel das herausforderndste Neubauprojekt in der gesamten Republik. Nicht zuletzt wegen der Kosten, die durch die vielfältigen Nutzungen auf engstem Raum entstünden.
Wie soll das Paloma-Viertel aussehen?
Die Bayerische Hausbau, Eigentümer und Investor, plant rund 200 Wohnungen. Davon sollen 40 Prozent öffentlich gefördert sein und weitere 40 Prozent frei finanzierte Mietwohnungen sein. 20 Prozent der Fläche sollen von Baugemeinschaften genutzt werden. Außerdem sind rund 14.400 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für Gewerbe vorgesehen. Dazu gehören Flächen für Gastronomie und Clubs, Einzelhandel und einen Supermarkt sowie eine Drogeriekette. Auch ein Hotel mit rund 150 Zimmern und einem zum Kiez passenden Konzept ist geplant. Ein Betreiber steht noch nicht fest.
Was ist das Nachbarschaftscluster?
Damit sind die Projekte rund um die sogenannte Nord-Süd-Passage gemeint, die zwischen dem Baufeld 5 und dem von der Bayrischen Hausbau entwickelten Wohn- und Hotelkomplex entstehen wird. Sie sollen als Begegnungsstätten in den Stadtteil hineinwirken und können von allen genutzt werden. Entstehen sollen mehrere einzigartige Projekte: Eine Stadtteilkantine unter der Regie des früheren Peacetanbul- und jetzige Kampnagel-Gastronoms Ergün Yagbasan; das FabLab St. Pauli, eine offene Werkstatt mit Hightech-Geräten, die unter der Aufsicht von Gründer Niels Boeing von kleinen Betrieben, aber auch von experimentierfreudigen Schülern genutzt werden können; das Musikcluster mit Probe- und Produktionsräumen, eine Beratungs- und Unterstützungsstelle für Prostituierte sowie ein feministisches Sexshop-Kollektiv. Nebenan auf Baufeld 2 entstehen Räume für den Live-Club Molotow und für das Rock’n’Roll-Hotel Kogge; auf den Dächern der angrenzenden Bebauung entstehen eine Kletterwand, ein kleiner öffentlicher Park, eine Skateboardanlage und ein Spielfeld für Ballsportler.
Was soll auf dem Baufeld 5 noch entstehen?
Während die oben genannten Nutzungen in den Erdgeschossen und auf einigen Dächern stattfinden, soll der Rest von Baugemeinschaften bewohnt und so Spekulationszwecken entzogen werden. Diese wurden bislang aber nicht gefunden. Problematisch scheint die Höhe der Gesamtkosten zu sein, die im Städtebaulichen Vertrag zwischen Stadt und Investor vereinbart wurden. Dazu gehören der Grundstückspreis, die Höhe der Kosten für den Rohbau der Untergeschosse und die voraussichtlichen Baukosten. Laut Stadtentwicklungsbehörde könnten die Gesamtkosten jedoch insbesondere für kleingenossenschaftliche Baugemeinschaften zu hoch sein.
Warum will die Stadt das Grundstück jetzt kaufen?
Sollte keine Baugemeinschaft gefunden werden, sieht der Städtebauliche Vertrag vor, dass der Investor ebenfalls das Baufeld 5 übernimmt und vermarktet. Um den „Geist des Vertrages“ aufrechtzuerhalten, lote die Stadt derzeit die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und Risiken eines Erwerbs aus, heißt es aus der Finanzbehörde.
Warum dauert das Projekt so lange?
Allein um die Rahmendaten für den städtebaulichen Vertrag abzustimmen, waren nach Abendblatt-Informationen rund 50 Treffen notwendig, an denen Politik, Bezirk, Bayerische Hausbau und die PlanBude teilgenommen haben. Im Oktober 2018 wurde der Vertrag dann schließlich unterzeichnet. „Der Spielbudenplatz ist ein ganz besonderer Standort in einem Stadtteil, in dem sehr engagierte Bürger leben und Initiativen, die sich alle intensiv mit einbringen wollen“, erklärt Bernhard Taubenberger, Sprecher der Bayerischen Hausbau. Die Kunst sei es, diese Interessen mit denen des Unternehmens auf einen Nenner zu bringen. Das sei weitgehend gelungen. „Wenn wir das Paloma-Viertel realisieren können, dann hätte das auch für andere Großprojekte in Metropolen Modellcharakter.“
Was ist die PlanBude?
Das Büro wurde 2014 gegründet, um ein intensives Beteiligungsverfahren zu konzipieren und durchzuführen. Ihre Arbeit hat die PlanBude aus einer unabhängigen Stadtteilkonferenz auf St. Pauli heraus begonnen, auf der Bürger den Wunsch äußerten, die Planungen des Neubauprojekts am Spielbudenplatz selbst zu organisieren. Der Bezirk Hamburg-Mitte beauftragte dann 2014 das Team aus Künstlern und Architekten, eine Art Wunschproduktion zu schaffen. „Es gingen mehr als 2.300 Bürgerbeiträge ein, aus denen wir den St.-Pauli-Code entwickelt haben“, sagt Sprecherin Margit Czenki. „Dieser wurde die Grundlage für die aktuellen Architekturentwürfe, den städtebaulichen Vertrag und den Bebauungsplan.“
Was kostet die PlanBude?
Für die Beauftragung der PlanBude hat die Stadt rund 135.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Miete für den Container ist darin enthalten.
Wie ist der weitere Zeitplan?
Der Bebauungsplan lag bis Montag öffentlich aus, jetzt werden die eingegangenen Anregungen der Bürger bearbeitet. Geplant ist dann, sofern alle Bürgeranträge bearbeitet sind, im Juni die Vorweggenehmigungsreife durch den Hauptausschuss feststellen zu lassen. Die Bayerische Hausbau wird nach Abendblatt-Informationen noch in diesem Sommer einen Bauantrag stellen. Der Baustart ist für 2020 geplant, die Fertigstellung für Ende 2022, wobei sich die Projektentwickler auch schon auf 2023 einstellen.
Warum heißt es Paloma-Viertel?
Die Bürger auf St. Pauli waren aufgerufen, einen Namen für das ehemalige Esso-Häuser-Areal zu finden. Es wurden rund 250 Vorschläge eingereicht. Eine Jury entschied sich für Paloma-Viertel.