Hamburg. Erstmals ist die Binnenalster tabu für Böller und Raketen. Innensenator Andy Grote (SPD) will keine “enthemmten Situationen“ mehr.
Raketen, die flach über die Straße in Menschengruppen abgefeuert werden, oder Böller, die unvermittelt zwischen Feiernden detonieren: Das soll es in der Silvesternacht am Jungfernstieg nicht mehr geben. Zum ersten Mal gilt zum Jahreswechsel rund um die Binnenalster ein Feuerwerksverbot. Diese Verfügung hat jetzt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erlassen.
Innensenator Andy Grote (SPD) begründet die Maßnahme mit den „wilden enthemmten Situationen“, die es in den vergangenen Silvesternächten rund um den Jungfernstieg gegeben habe. Diese seien für die Einsatzkräfte „kaum noch handhabbar gewesen“, so Grote. Um die Verbotsverfügung durchzusetzen, ist geplant, die Zugangsbereiche Richtung Binnenalster mit Gittern abzuriegeln. An den Zugängen soll es Kontrollen geben.
Feiernde am Jungfernstieg durch Feuerwerk verletzt
„Eine vergleichbare Situation wie am Jungfernstieg sehen wir an keinem anderen Ort der Stadt, auch nicht an den Landungsbrücken“, sagte Senator Grote. In den vergangenen Silvesternächten hätten sich immer mehr Menschen am Jungfernstieg gedrängt, zugleich habe es einen „zunehmenden unsachgemäßen Gebrauch von Feuerwerk“ gegeben.
Tatsächlich hatten sich dort Gruppen von bis zu 500 Personen regelrechte „Böllerschlachten“ geliefert. Auch Polizisten wurden gezielt mit Feuerwerk attackiert. Laut Polizeipräsident Meyer wurden fünf Beamte und zahlreiche Feiernde durch Feuerwerk verletzt, darunter auch ein sieben Jahre altes Mädchen. Grote sagte, die Sicherheitsbehörden seien gefordert gewesen, dagegen vorzugehen. Allerdings sei es eine „Herausforderung“, das Verbot auch durchzusetzen.
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Geplant ist unter anderem eine Öffentlichkeitskampagne. So sollen in großem Stil Flugblätter in mehreren Sprachen gedruckt werden, die in der Silvesternacht rund um die Alster und vorher schon an einigen Orten, darunter Flüchtlingsunterkünften, verteilt werden.
Polizisten können Böller und Raketen einkassieren
Als „Handwerkszeug“, das den eingesetzten Polizisten in der Silvesternacht an die Hand gegeben werde, bezeichnet ein Beamter die Verbotsverfügung. Das Böllerverbot ermöglicht es den Polizisten, Knallkörper und Raketen, die mit in die Verbotszone gebracht werden sollen, einzuziehen. Ein spezielles Bußgeld sieht es aber auch beim Zünden von Feuerwerk in der Verbotszone nicht vor.
Trotzdem kann es teuer werden. Denn auch in der Verbotszone greifen die normalen Vorschriften. Die sehen – werden Menschen durch die Knallerei gefährdet oder außerhalb der erlaubten Zeit Feuerwerkskörper gezündet – drastische Geldstrafen von bis zu mehreren Tausend Euro vor.
„Es sind Erfahrungen, die zu dieser Allgemeinverfügung geführt haben“, sagt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Wir können nicht abwarten, bis Menschen am Jungfernstieg damit anfangen, Knallkörper zu zünden, damit man sie mit Maßnahmen belegen kann, sondern man muss dies vorher vornehmen.“ Grundlage ist dafür die Gefahrenabwehr, die im Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, kurz SOG, geregelt ist. Vor allem vor dem Apple Store und direkt am Anleger hatten sich im vergangenen Jahr größere Menschengruppen gebildet, „um Feuerwerk zu machen“, wie Meyer sagt.
"Polenböller" und Schreckschusswaffen beschlagnahmt
Das Problem sei, dass dort durch die große Zahl der Menschen – in der letzten Silvesternacht wurde sie von der Polizei auf 10.000 geschätzt – kein ausreichender Sicherheitsabstand zu gezündetem Feuerwerk bestehe. „Natürlich spielt auch Alkohol eine Rolle“, sagt Meyer. „Raketen werden in einer Art und Weise abgeschossen, die nicht sicher ist.“
Zudem wurde immer wieder festgestellt, dass auch illegale Böller, sogenannte „Polenböller“, die deutlich mehr Sprengstoff als erlaubt enthalten, gezündet wurden. Allein am Jungfernstieg wurden zum vorigen Jahreswechsel 41 illegale und besonders gefährliche Feuerwerkskörper, aber auch 15 Schreckschusswaffen sichergestellt. „Man muss dazu sagen, dass dies die Fälle sind, die aktenkundig geworden sind“, so Meyer.
Wie sich die Polizei zu Silvester aufstellt, um das Verbot durchzusetzen, ist noch in Planung. Traditionell sind zum Jahreswechsel deutlich mehr Beamte im Einsatz als an normalen Tagen. Die Polizei hofft in diesem Jahr aber, dass sich durch die Berichterstattung zum Feuerwerksverbot erst gar nicht so viel „Problemklientel“ am Jungfernstieg wie im vergangenen Jahr einfindet.
SPD und CDU unterstützen das Böllerverbot
Die SPD unterstützt das Verbot. „Nach den Erfahrungen des letzten Jahres sehe ich es als geeignete Maßnahme, um in diesem Jahr die Lage rund um die Binnenalster in der Silvesternacht zu beruhigen“, sagt Sören Schumacher, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Dennis Gladiator, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, unterstützt das Verbot ebenfalls. „Ich persönlich finde es aber traurig, dass man wegen einiger Idioten zu einer solchen mittlerweile notwendigen Maßnahme greifen muss.“
Bei den Grünen findet das Böllerverbot ebenfalls Beifall. Allerdings sieht man es dort als generelle Absage an privates Feuerwerk. „Es ist richtig und wichtig, dass es an einem zentralen Ort in Hamburg keine private, massenhafte Böllerei gibt, damit alle Menschen dort sicher und in Ruhe das neue Jahr begrüßen können. Dies für den Jungfernstieg auszuprobieren ist ein guter erster Schritt. Ich wünsche mir bei einem erfolgreichen Versuch in diesem Jahr, das weitere folgen werden“. meint der Bürgerschaftsabgeordnete Anjes Tjarks.
Hoher Anteil an jungen Männern am Jungfernstieg zu Silvester
Die Polizeigewerkschaften sehen das Verbot teilweise mit gemischten Gefühlen. „Natürlich ist es nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre die richtige und logische Maßnahme“, sagt Thomas Jungfer, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Es zeigt aber auch, vor welchen Herausforderungen, die ja alle personell bewältigt werden müssen, die Polizei steht.“
„Das ist jetzt mal ein konkreter Vorschlag, und er setzt an der richtigen Stelle an“, sagt Lars Osburg, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Ich möchte nicht mehr, dass Silvester an der Binnenalster in der Form abläuft, wie wir das in der Vergangenheit hatten.“ Schmallippig ist Innensenator Andy Grote (SPD), wenn es um die Verursacher geht, die die Gründe für das Verbot geliefert haben. „Das ist nicht Aufgabe der Polizei. Wir gehen mit einer Gefahrensituation um“, so der Innensenator.
Im Polizeibericht nach der vorigen Silvesternacht war die „Problemklientel“ dagegen klarer benannt worden. Wörtlich hieß es: „Nach Einschätzung der eingesetzten Polizeikräfte vor Ort befand sich unter den Feiernden ein hoher Anteil an jungen Männern, häufig auch mit Migrationshintergrund, die sich in größeren Gruppen an den genannten Örtlichkeiten aufhielten. Aus einigen dieser Gruppen heraus kam es immer wieder zu unsachgemäßer und damit gefährlicher Nutzung von Pyrotechnik.“