Das Spektakel – es ist laut, es ist gefährlich, es macht Tieren Angst. Es ist umweltschädlich und hinterlässt tonnenweise Müll. Damit ist eigentlich schon alles gesagt: Die Silvesterböllerei ist ein mehr als zweifelhaftes Vergnügen – und total gestrig.

Wer nachmittags am letzten Tag des Jahres durch Hamburg spaziert, erlebt eine saubere, winterlich-beschauliche Stadt. Es ist die Ruhe vor dem Sturm: Zwölf Stunden später sehen die Straßen aus wie nach einem Angriff. Hunderte Menschen kommen mit Brandverletzungen in die Notaufnahmen. Die Luft ist gefüllt mit Feinstaub.

Insa Gall leitet die Hamburg-Redaktion des Abendblatts.
Insa Gall leitet die Hamburg-Redaktion des Abendblatts. © HA | Marcelo Hernandez

Das ganze Jahr machen wir uns über Klimaschutz und Umweltbelastung Gedanken, aber jetzt ist es uns egal, dass die Feinstaubkonzentration je nach Wetterlage über Stunden so hoch ist wie sonst nie. Raketen und Böller lösen Brände aus; die Feuerwehr muss zu mehr als 1000 Einsätzen ausrücken. Gleich an Neujahr sammelt die Stadtreinigung an den Feier-Hotspots 15 Tonnen Müll ein – ein Bruchteil dessen, was in den folgenden Tagen noch folgt.

In der Masse am Jungfernstieg und am Hafenrand ist es in der Silvesternacht fast schon, als sei Bürgerkrieg. Die bunten Funkenornamente am Himmel sind im Rauch der vielen explodierenden Böller am Boden kaum zu sehen; in die Menge abgefeuerte Silvesterknaller werden zu gefährlichen Geschossen. Im vergangenen Jahr feuerten junge Männer sogar absichtlich mit Knallkörpern und Schreckschusspistolen.

Ich persönlich könnte zum Jahreswechsel ganz ohne Pyrotechnik auskommen, und ich glaube: Mittlerweile sind die meisten Menschen genervt. Deshalb ist es höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Wir, indem wir uns fragen, ob die Knallerei wirklich unerlässlich ist für unser Glück, und es in diesem Jahr ruhiger angehen lassen. Und die Stadt, indem sie sich ein Beispiel an Berlin nimmt und wenigstens auf den Feiermeilen die Böllerei verbietet. Das wäre zumindest ein Anfang. Die Frage ist, ob die Bürgerschaftsparteien dazu im Wahlkampf den Mut finden.

Sie finden, ich sei eine Spaßbremse? Ganz ehrlich: Wenn eine Stadt (die sich an allen anderen 364 Tagen über Nachhaltigkeit und Sicherheit ereifert) einmal im Jahr kollektiv wie auf Kommando und ohne Rücksicht auf Verluste die Sau rauslässt, als gäbe es kein Morgen, ist das nicht meine Vorstellung von Spaß.