Hamburg. SPD-Politiker Sven Tode fordert Planstellen und einen Ausfallfonds für Wissenschaftler mit Drittmittelverträgen.
Sie beschaffen sich das meiste Geld für ihre Forschungsprojekte selbst, werben solche Drittmittel über viele Jahre hinweg wiederholt ein, sind aber befristet angestellt und müssen früher oder später um ihre Jobs bangen – als das Abendblatt im vergangenen Jahr über derart betroffene Forscher im sogenannten Mittelbau der Universität Hamburg berichtete, äußerten etliche Leser ihr Unverständnis. Tenor: Die Uni, ja der ganze Wissenschaftsstandort Hamburg, soll doch durch Exzellenz glänzen – wie passt das zusammen mit unsicheren Perspektiven für etablierte Forscher?
Es geht um die Drittmittelbefristung gemäß des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (§ 2 Abs. 2), das bundesweit Wissenschaftler betrifft. Das Gesetz erlaubt mehrere Befristungen, wenn Jobs überwiegend aus Drittmitteln finanziert werden. Allerdings stellte das Bundesarbeitsgericht 2016 fest, dass solche Anstellungen als „Kettenbefristungen“ beurteilt werden können. In diesen Fällen könnten die Betroffenen eine unbefristete Anstellung einklagen.
Zukunftsperspektive für erfolgreiche Forscher
Doch so weit kommt es nicht, wenn die Hochschulen solche Verträge nicht verlängern – so geschehen auch in etlichen Fällen an der Uni Hamburg. Die Hochschule erklärte bereits 2018, sie verfolge „grundsätzlich das Ziel, Arbeitsverträge rechtssicher auszugestalten“.
Der Hamburger SPD-Abgeordnete Sven Tode will eine sichere Zukunftsperspektive für erfolgreiche Forscher mit Drittmittelverträgen erreichen, wie er sagt. Die Situation sollte nicht als Risiko für die Hochschule interpretiert werden. „Ein viel höheres Risiko ist es, dass die Uni bei einer Nichtverlängerung der Verträge in Kauf nimmt, wertvolle und nur schwer ersetzbare Expertisen zu verlieren“, sagt der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion.
Tode schlägt vor, Planstellen für jene Forscher zu schaffen, die langjährig Drittmittel auch zur Finanzierung ihrer eigenen Stelle eingeworben haben, um ihnen eine entfristete Beschäftigung anzubieten. „Mein Ziel wäre, dass man durch eine Dissertation, Juniorprofessur oder Professur in den Unibetrieb kommt, aber auch durch Forschung, wobei der letztere Teil einen kleineren Stellenpool betreffen sollte.“ Tode plädiert auch dafür, einen Ausfallfonds einzurichten, um unerwartet wegfallende Drittmittel kompensieren zu können. Trotz solcher Maßnahmen müssten die betroffenen Stellen weiter überwiegend aus Drittmitteln finanziert werden, um das finanzielle Risiko für die Uni möglichst gering zu halten, sagt Tode.
Finanzierung aus Mitteln des Hochschulpakts?
Um dieses Anliegen voranzubringen, ist Tode auch auf die Unterstützung des Koalitionspartners angewiesen. Was halten die Grünen von den Vorschlägen? Die Antwort fällt eher knapp und vage aus: „Wir haben das Thema auf dem Zettel und arbeiten seit Langem daran, die Situation im universitären Mittelbau zu verbessern“, erklärt René Gögge, wissenschaftspolitischer Sprecher der Grünen.
Konkrete Maßnahmen nennt Gögge nicht. Er verweist lediglich auf die von der Wissenschaftsbehörde eingesetzte Arbeitsgemeinschaft „Code of Conduct“, die Arbeitsbedingungen von prekär beschäftigten Forschern verbessern soll. Und: Im Rahmen der Wissenschaftspakte sei vereinbart worden, die Hochschulfinanzierung zu verstetigen, sagt Gögge. „Dies wäre ein möglicher Finanzierungsbaustein.“
Sven Tode kann sich ebenfalls eine Finanzierung aus Paktmitteln vorstellen. Denkbar sei auch eine Finanzierung aus einem Teil der Exzellenzgelder für die Uni oder aus einer Abgabe, die Drittmittelgeber bereitstellen müssten oder aus zusätzlichen staatlichen Mitteln, „schließlich bringen diese Forscherinnen und Forscher sehr viel Geld, Innovation und Renommee in die Stadt“, sagt Tode.
Abhängigkeit von Drittmitteln verringern
Apropos zusätzliche staatliche Mittel: „Dass von Bund und Ländern beschlossen wurde, unter anderem den Hochschulpakt zu entfristen, wird zwar zu einer besseren Grundfinanzierung beitragen, es reicht aber nicht aus“, sagte der Generalsekretär des Wissenschaftsrats, Thomas May, in einem Abendblatt-Interview Anfang Mai. Die Länder – „auch Hamburg“ – müssten prüfen, wie sie die Grundfinanzierung verbessern, die Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln verringern und mehr in dauerhafte Jobs investieren könnten.
Über die Grundfinanzierung der Hamburger Hochschulen ab 2020 verhandelt die Stadt derzeit mit den Hochschulen. Ob das Ergebnis betroffenen Forschern helfen wird, ist offen. Es könne „angenommen werden“, dass zehn bis 15 Prozent ihrer 1075 in Drittmittelprojekten beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter gemäß § 2 Abs. 2 beschäftigt seien, teilt die Uni Hamburg auf Anfrage mit. Das wären bis zu 160 Mitarbeiter – diese Zahl hatte die Uni bereits Mitte 2018 genannt. Seit Beginn 2018 seien etwas mehr als 100 Weiterbeschäftigungsanträge des wissenschaftlichen Personals „vertieft hinsichtlich einer möglichen Kettenbefristung geprüft“ worden. In 17 Fällen sei eine Weiterbeschäftigung abgelehnt worden.
Die Uni erklärt, sie verfolge „weiterhin das Ziel, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu vermeiden“ und „frühzeitig Berufsentwicklungspfade aufzuzeigen“. Im Einzelfall würden im Rahmen einer durch Drittmittel finanzierten Arbeit auch unbefristete Jobs angeboten.