Hamburg. Telefonanlagen fallen aus, Behördenprogramme streiken, Kosten für neue Software explodieren – die Liste der Fehler ist lang.
Im Mai war sie gekommen – die größte anzunehmende Dataport-Katastrophe. 141 Finanzämter in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern wurden auf einen Schlag lahmgelegt, 28.500 Finanzbeamte waren betroffen. Im Dataport-Rechenzentrum in Rostock war bei einem Routine-Test ein Fehler aufgetreten. Die Kühlung schaltete ab. Im ganzen Norden konnten keine Steuerfachverfahren mehr bearbeitet werden. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern war die Störung nach einem Tag behoben, in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt dauerte es drei Tage.
Solche Dataport-Dramen hat es in den vergangenen Monaten immer wieder gegeben. Im September war es besonders schlimm. Ein Dataport-Fehler führte zum Zusammenbruch des E-Mail-Verkehrs in Bezirksämtern, Landesbetrieben und dem Senat, ein weiterer zum Ausfall von 18.000 Telefonapparaten in Behörden sowie bei Polizei und Feuerwehr. Wenige Tage später waren rund 300 allgemeinbildende Hamburger Schulen betroffen. Am 24. September mussten Hamburger Kundenzentren Termine absagen, weil es eine technische Panne im Dataport-Rechenzentrum in Hamburg-Alsterdorf gegeben hatte.
Software steuert Schulen und verwaltet Flüchtlingsheime
Grund genug, um einen Blick auf das staatseigene IT-Unternehmen zu werfen. Dataport ist innerhalb kurzer Zeit zu einem Riesen mit rund 3000 Mitarbeitern herangewachsen. Das Unternehmen wurde 2004 gegründet – als Zusammenschluss schleswig-holsteinischer und Hamburger Behörden. Später beteiligten sich weitere Bundesländer. Hamburg ist nach wie vor Hauptanteilseigner (29,4 Prozent), gefolgt von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (je 14,71 Prozent) sowie von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern (je 5,88 Prozent). Jährlich überweist der Senat dem Unternehmen zum Beispiel allein 5,5 Millionen Euro für Ersatzinvestitionen im Bereich der Hardware.
Im Auftrag der Länder, aber auch vieler ihrer Kommunen stellt die Firma mit Sitz in Altenholz bei Kiel Computersoftware und Rechnerleistungen bereit. Dataport-Programme verwalten Flüchtlingsheime, steuern Schulen, organisieren den Polizeialltag, sichern den Mailverkehr der Verwaltungen und vieles andere – wenn sie denn funktionieren.
Wirtschaftlich erfolgreich ist die Datenkrake Dataport dabei allerdings nur in eingeschränktem Maße. 2015 machte das Unternehmen einen Verlust von 9,3 Millionen Euro. 2016 waren es 5,9 Millionen Euro. 2017 gab es mit 235.000 Euro einen bescheidenen Gewinn. Erst 2018 drehte das Unternehmen ins Plus. Laut Geschäftsbericht waren es 4,1 Millionen Euro – allerdings nicht genug, um die Verluste aus den Vorjahren auszugleichen. Zwar ist das Unternehmen nicht gewinnorientiert. Aber es ist dennoch gehalten, kostendeckend zu arbeiten.
Die bilanziellen Schulden betragen 198,4 Millionen Euro
Die schlechten Zahlen hängen zusammen mit einer Rieseninvestition. 2010 wurde mit dem Bau zweier identischer, sich gegenseitig absichernder Rechenzentren begonnen. Ende 2016 waren sie fertig. Eines der „sichersten Rechenzentren in Europa“ sei so entstanden, behauptet man bei Dataport. Die beiden Zentren stehen in Hamburg-Alsterdorf und in Norderstedt. 5000 virtuelle Server tun dort ihre Arbeit. Mehr als 200 Kilometer Glasfaserkabel wurden verlegt. Rund 31,5 Millionen Euro hat dieses „Twin Data Center“ gekostet.
Eine Investition, die Dataport belastet. Die Rechnungshöfe in Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich immer wieder sorgenvoll über die Geschäftsberichte gebeugt. Im Jahresbericht 2018 der Hamburger Rechnungsprüfer heißt es über das Unternehmen: „Die bilanziellen Schulden betragen 198,4 Millionen Euro.
Der Verschuldungsgrad ist damit im Jahr 2016 auf einen Spitzenwert von 875 Prozent gestiegen.“ Weiter heißt es in dem Bericht: „Der Rechnungshof hat der Finanzbehörde empfohlen, die Verschuldung Dataports weiter zu beobachten.“ Als die Firma 2017 zumindest einen kleinen Gewinn verbuchen konnte, reagierte man in Hamburg erleichtert. Im Beteiligungsbericht des Senats heißt es: „Den Trend der Vorjahre, Verzehr des Eigenkapitals, steigendes Fremdkapital und wachsende Bilanzverluste aufgrund des Baus eines neuen Rechenzentrums, konnte Dataport erfolgreich stoppen.“
Auch Diensthandy von Peter Tschentscher fiel aus
Gute Nachrichten also für das Unternehmen. Und auch bei den Störungen sieht man sich auf der sicheren Seite. Britta Heinrich, Sprecherin des Unternehmens, sagt: „Bei einem Rechenzentrum dieser Größenordnung kommt es täglich zu sogenannten Incidents, also Störungen oder Auffälligkeiten, die bearbeitet oder korrigiert werden müssen.“ De facto seien die meisten dieser Störungen für Kunden aber nicht wahrnehmbar: „Schwerwiegende Ausfälle hat es seit 2017 nur sechs gegeben.“
Obwohl sich drei dieser Ausfälle binnen weniger Wochen ereigneten, kündigte Hamburg lediglich an, ein kooperatives Gespräch mit Dataport zu suchen. „Die Häufung ist ärgerlich, aber ein Zufall“, sagte die Senatssprecherin Julia Offen. Die Systeme von Dataport arbeiteten insgesamt „zuverlässig und stabil“.
Die Zurückhaltung der Politik dürfte auch mit der Kostenfrage zusammenhängen. Vor fünf Jahren gab es Überlegungen, einen doppelten technischen Boden für Zehntausende Telefonapparate einzurichten. Dies hätte damals jedoch allein acht Millionen Euro an Investitionen und 400.000 Euro Betriebskosten mit sich gebracht. Nachdem eben jene Telefone jüngst ausfielen – auch das Diensthandy des Bürgermeisters Peter Tschentscher –, bemerkte die Dataport-Sprecherin knapp: „Die Stadt hat sich für diese Aufstellung entschieden.“
Dataport hat Vorsprung gegenüber der Konkurrenz
Ob und wann das staatseigene IT-Unternehmen die aufgelaufenen Verluste abbauen und die Schulden verringern kann, ist derzeit unklar. Dataport profitierte bislang davon, bei staatlichen Aufträgen einen Vorsprung gegenüber den Konkurrenten zu haben. Mit anderen Worten: Die sechs Bundesländer, die an Dataport beteiligt sind, vergeben ihre lukrativen Aufträge gern an ihr Unternehmen. „Dataport spielte in der Vergangenheit eine Doppelrolle, saß bei der Vergabe an beiden Seiten des Tisches: als Dienstleister des Auftraggebers, aber eben auch als Auftragnehmer“, sagt Jan Quast, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. In Hamburg sei dies mit dem Aufbau des Amtes für IT und Digitalisierung vorbei, Auftragsvergaben würden nun dort abgewickelt. „Wir haben jetzt das Know-how in der Stadt, Dataport ist nur noch Auftragnehmer“, so Quast.
Ähnlich kritisch hatte der schleswig-holsteinische Rechnungshof schon 2015 auf Dataport geschaut. „Die Gestaltung von IT-Verträgen darf nicht allein Dataport überlassen werden“, mahnte die Behörde. „Auch aufseiten der Landesverwaltung ist dafür spezielles Know-how erforderlich.“
Know-how hätte sicher auch dem Projekt KoPers gutgetan. Das Programm sollte die Löhne, Gehälter und Renten der Beschäftigten der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg überweisen, aber auch viele Aufgaben im Bereich Personalverwaltung übernehmen. 2009 begannen die Vorarbeiten. Mit dabei: Dataport als Dienstleister der Länder. Die Firma P&I sollte das Programm entwickeln, nur rund acht Millionen Euro sollte das kosten. Anfang 2014 – so die Planung – sollte KoPers funktionieren. Die beiden Länder rechneten mit Kosten von jeweils rund 26,5 Millionen Euro – für die Software, die Schulungen, die Begleitung bei der Einführung und Ähnliches. Aber da mit dem neuen Programm Personal eingespart werden sollte, ging man davon aus, dass KoPers wirtschaftlich sei – am Ende also ein Gewinn stehen würde.
KoPers kostet bis 2034 rund 470 Millionen Euro
Dann ging alles schief. Am Ende war immer mehr Geld erforderlich, um das Programm zum Laufen zu bringen. Eine knapp zwei Jahre alte Vorlage aus dem Kieler Finanzministerium hält erschreckende Zahlen bereit. Demnach ist KoPers so kompliziert, dass erst 2025 alle Programmteile eingeführt sein werden. Und die Kosten steigen: Allein für Schleswig-Holstein ist bis 2034 mit etwas weniger als 470 Millionen Euro zu rechnen. Dem stehen Einsparungen von etwas mehr als 400 Millionen Euro gegenüber. Der Verlust liegt demnach bei 66,4 Millionen Euro, von einem Gewinn ist keine Rede mehr. Aktuellere Zahlen zur Wirtschaftlichkeit des Programms hat das Finanzministerium seitdem nicht mehr veröffentlicht.
In der Vorlage heißt es, KoPers könne nicht „in dem Sinne wirtschaftlich sein, dass die getätigten Investitionen durch die zu erwartenden Einsparungseffekte kompensiert oder gar übertroffen werden.“ Dies wäre nur bei Einhaltung der ursprünglich veranschlagten fünfjährigen Projektlaufzeit möglich gewesen – „eine Planungsprämisse, die zu keinem Zeitpunkt realistisch gewesen ist“.
Dataport hat diese falsche Prämisse nicht geschadet. Keiner der Verantwortlichen ist je zur Rechenschaft gezogen worden. Immer noch laufen nicht alle Programmteile. Doch Schleswig-Holstein hält trotz der enormen Kostensteigerungen an dem Projekt fest – und bezahlt weiter Geld an Dataport. Gut, wenn man treue Kunden hat.