Hamburg. Uwe Bergmann fing mit einem Musikabend an. Heute organisiert er die Cruise Days, Schiffstaufen, Fanmeilen … Ein Porträt.
Letztlich war es die Ausstrahlung einer Rocksängerin, die Uwe Bergmanns Berufsleben 1984 den entscheidenden Kick gab. Die nicht nur mit einer außerordentlichen Stimme gesegnete Künstlerin Ingeburg Thomsen, auch bei der Band Rudolf Rock & die Schocker eine quicklebendige Größe der norddeutschen Musikszene, hatte es dem 24-jährigen Studenten dermaßen angetan, dass etwas Fantasievolleres hermusste als die üblichen Baggersprüche. „Wollen wir nicht mal ’ne Veranstaltung zusammen machen?“, lockte Uwe dementsprechend. Verheißungsvoll. Was er damit genau meinte? Keine Ahnung. Das Interesse dieser Frau jedenfalls war geweckt. Sie sagte: Ja.
Nun galt es, „Butter bei die Fische“ zu geben. Mit seinem unkonventionellen, optimistischen Naturell holte Bergmann den ihm vom Kneipentisch bekannten Pianisten Gottfried Böttger sowie den Theaterschauspieler Gerald Fiedler ins Boot, in der Kindersendung „Sesamstraße“ die unverkennbare Stimme des Krümelmonsters. Mit diesem Trio im Schlepptau organisierte der elanvolle Jungspund aus Garstedt die erste Veranstaltung seines Lebens. Das Wort „Event“ war damals wenig geläufig. Und dass dieser Abend in der Schalom-Kirche zu Norderstedt der Start zu einer spannenden Karriere mit Open End sein würde, konnte keiner ahnen.
Der Reingewinn wurde direkt wieder ausgegeben
Zumal die Rechnung unter dem Strich anfangs nur bedingt aufging. Auch wenn die persönlich gepinselten Plakate, als Lichtpausen vervielfältigt, nach ein paar Tagen verblichen, war das Ereignis ausverkauft. Der Reingewinn, abzüglich dreimal 300 Mark für das Künstlertrio plus 200 Mark Kirchenmiete, wurde direkt im Anschluss pulverisiert – bei Wirt Bruno im Ristorante L’Abruzzese in der Nachbarschaft. „Die Nacht war’s wert“, meint Uwe Bergmann. Er beschloss, mehr daraus zu machen.
Bei Ingeburg glückte dies nur bedingt, ansonsten in starkem Maße. 35 Jahre später und weniger als zwölf Monate vor seinem 60. Geburtstag zählt Uwe Bergmann zu den führenden Veranstaltern der Hansestadt. Er selbst kokettiert mit dem Erfolg („Am Ende des Tages mache ich dummes Zeug. Viele bunte Sachen“), die Fakten indes sprechen eine andere Sprache. Seine in drei Gesellschaften gegliederte Firmengruppe erwirtschaftet mit 30 Angestellten rund zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr. Je nach Event kommen bis zu 250 Aushilfen und Freiberufler hinzu. Die Marge, behauptet Bergmann, beträgt drei Prozent. Ein Mann großer Töne ist er nicht.
Privathaus und Firmensitz von Bergmann in Eppendorf
Zum Termin in einem Café in Ottensen kommt er mit dem Fahrrad. Das Privathaus und der Firmensitz befinden sich in Eppendorf. Bergmann, das bestätigen Auftraggeber wie Wegbegleiter unisono, zeichnet sich durch Bodenhaftung aus. Trotz seines merkantilen Erwerbssinns habe er sich eine soziale Ader und eine gelassene Sicht auf den Trubel des Alltags bewahrt. Der Mann ist sicher, dass es immer eine Lösung gibt. Er meditiert, denkt politisch, versteht sich als Christ. Zahlt er Kirchensteuer? Selbstverständlich. Von den vier Kindern aus zwei Ehen wohnen drei daheim. Mit den drei Jungs geht Uwe Bergmann regelmäßig zu den Heimspielen des HSV. Das Quartett ist hartgesotten – und leidgeprüft. Der älteste Sohn arbeitet in Vaters Firma. Ehefrau Sabine ist ein Anker im wogenden Joballtag.
In Norderstedt aufgewachsen, liegt Bergmann die hanseatische Note nahe. Mit Mangel an Selbstbewusstsein hat das nichts zu tun. Im Gegenteil. Die Bergmanngruppe organisiert pro Jahr etwa 30 Großereignisse. Viele Millionen Menschen haben seine Events bisher besucht. Beispiele sind die just gemeinsam mit der Agentur Red Roses absolvierten Cruise Days, außerdem die Harley Days, die Duckstein Festivals, Fan-Feste auf dem Heiligengeistfeld, die Travemünder Woche sowie Straßenfeste. Der Geschäftsgrundsatz zumeist: freier Eintritt für das feiernde Volk, eine stimmige „Seele“ der Veranstaltung, eine clevere Vermarktung. Umsätze summieren sich in der Regel durch Sponsoren und Getränkeverkauf. „Unter dem Strich sollen möglichst viele Seiten profitieren“, sagt Bergmann. Er selbst gehört dazu, keine Frage.
Bergmann hat Lese-Rechtschreib-Schwäche
Unvergessen sind lehrreiche Jahre ohne klare Zielsetzung. Uwe, der in einem bürgerlichen Elternhaus mit drei Geschwistern aufwuchs, machte eine Lese-Rechtschreib-Schwäche zu schaffen. Er besuchte bis zum Abitur mit 20 Jahren fünf Schulen. Umso erstaunlicher, dass sein 15 Jahre älterer Erdkundelehrer Jochen Fehrmann heute der beste Freund ist.
Geschenkt gab es nichts, auch nicht im Zivildienst in einem Obdachlosenprojekt oder im Studium danach. Bergmann zeigte im Eppendorfer Nachtleben und an Bord seines Segelbootes erheblich kraftvolleren Einsatz als an der Universität. Seminare und Hörsäle der gewählten Fakultäten Geografie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre besuchte der Studiosus nie. Ein kreativer Nebenjob kam gelegen. Aufgabe: Einrichtung und Gestaltung von Buchläden in Hamburg. Und sonst? „Ich stürzte mich lustvoll ins Leben“, erinnert sich Bergmann. „Wir haben die Puppen tanzen lassen.“
Bergmann will auch für andere Städte Ideenstifter sein
Bis die Rocksängerin Ingeburg Thomsen nichts ahnend die Initialzündung für den Neustart gab. Uwe Bergmann quittierte das Studium und engagierte sich als Veranstalter. Dies geschah wenig geplant, überwiegend spontan. Es ergab sich nach und nach. Durchaus hilfreich, dass der junge Mann mit Inbrunst ein Buch des Konzert- und Tourneeveranstalters Fritz Rau inhaliert hatte. Der Titel war Programm: „Buchhalter der Träume“. Die Botschaft, frei übersetzt: Man kann ein Leben wie im Rock ’n’ Roll führen, jedoch sollte man es wirtschaftlich im Griff haben.
Nach diesem Lebensprinzip verfuhr nunmehr auch Bergmann. Er gab Gas. Unkalkulierbaren Risiken ging er aus dem Weg, investierte maßvoll – am liebsten aus dem Gewinn. Banken sind ihm damals wie heute unsympathisch: „Sie bringen einen in Abhängigkeit und machen sich vom Acker, wenn wirtschaftlich Not herrscht.“ Zwischenbemerkung: Bergmann ist ein Freund offener Worte. Er steht zu dem, was er sagt. Der Satz „Aber bitte nicht schreiben“ kommt ihm an diesem spannenden Vormittag in Ottensen nicht über die Lippen.
Tausendsassa Bergmann macht den Job im Alleingang
Über sein Leben im Sauseschritt ließe sich ein Buch schreiben. Passen wir uns dem Bergmann-Tempo an. Nach dem Erlebnis in der Schalom-Kirche veranstaltet er ebendort einen Vortrag mit dem Weltumsegler Burghard Pieske. Abermals ist das evangelische Gotteshaus ausverkauft. Tausendsassa Bergmann macht den Job im Alleingang. Klebt Werbeplakate, ist Filmvorführer, verkauft Tickets und Bier. Er kommt auf den Geschmack. Zumal am Ende mehr hängen bleibt als zuvor bei Ingeburg Thomsen, Gottfried Böttger und Gerald Fiedler. Gemeinsam mit Pieske geht Bergmann auf Tour durch Deutschland und Österreich. Gut und gerne 30 Stationen. Stimmen die Einnahmen, gönnt sich der Veranstalter vor Ort eine Pension mit Fernseher auf dem Zimmer.
Es geht voran. 1987 steigt Bergmann als Geschäftsführer der Eppendorfer Szenepinte Borchers ein. Drei Jahre später übernimmt er sie als Pächter. Parallel organisiert er eine Vortragsreise mit dem Polarforscher Arved Fuchs. Aus einem winzigen Büro für 180 Mark Monatsmiete am Schmuggelstieg in Norderstedt plant er kleine Straßenfeste und Flohmärkte. Motto: Musik, Bier, Remmidemmi, ein Hauch Kultur. Es gibt eine Maiparty, ein Winzerfest. Ein Gourmetfest am Eppendorfer Baum 1989 mit brummendem Umsatz bezeichnet er im Nachhinein als geschäftlichen Durchbruch.
Zu Bergmanns Kunden gehören Rewe und die Stadt Hamburg
Uwe Bergmann steuert jetzt auf der Überholspur. Weihnachtsmärkte kommen hinzu. Sogar in Dublin präsentiert er ein Musikfest. Zu seinen Kunden gehören Rewe, Carlsberg, die Stadt Hamburg. Am nächsten Wochenende steigt am Hockenheimring ein Fest, zu dem 20.000 Besucher erwartet werden. Auftraggeber ist Porsche. Und am 9. November zelebriert seine Firma vor den Landungsbrücken die Taufe des Kreuzfahrtschiffes „MSC Grandiosa“. Zunehmend will der Gründer sein Unternehmen auch als Ratgeber und Ideenstifter für andere Städte und Kommunen positionieren. Der Erfahrungsschatz ist groß.
Uwe Bergmanns Credo: „Ich bin geboren, um selbstbestimmt zu handeln.“ Er glaubt felsenfest daran, „dass man sich im Leben grundsätzlich zweimal sieht“. Übersetzt heißt das: Man darf austeilen, muss aber auch einstecken können. Und Niederlagen gehören dazu.
Ja, und jetzt Richtung Herbst und Winter wird es geschäftlich ein ganz bisschen ruhiger. Auch für das gemeinsam mit einem Freund betriebene Segelboot „Setareh“ („Stern des Nordens“) ist die Hauptsaison vorbei. Im Winter steht ein Skiurlaub auf dem Programm. Mit dabei ist dann wieder Jochen, der Geografielehrer von früher.
Für Uwe Bergmann ist das Leben die beste Schule.
Nächste Woche: Christoph Rüffer, Sternekoch und Küchenchef im Restaurant Haerlin des Hotels VierJahreszeiten