Hamburg. Unternehmen wie „Fördern & Wohnen“ stellen inzwischen selbst ein. Die CDU kritisiert eine „Malerkolonne im Staatsbetrieb“.
Des einen Freud ist des anderen Leid: Während sich die Handwerksfirmen wegen des Baubooms in und um Hamburg vor Aufträgen kaum retten können und entsprechend gut verdienen, ist es für viele Bürger und Unternehmen teilweise schwierig bis unmöglich, überhaupt einen Klempner, Maler oder Fliesenleger zu bekommen.
Die Stadt und ihre öffentlichen Unternehmen bilden da keine Ausnahme. Der große Heimbetreiber „Fördern & Wohnen“ (f&w) zieht daraus nun Konsequenzen und will ein eigenes Handwerkerteam mit knapp 40 Mitarbeitern aufbauen – weitere städtische Unternehmen könnten dem Beispiel folgen, was bei CDU und FDP auf Kritik stößt.
CDU geht von Fixkosten von zwei Millionen Euro pro Jahr aus
Wie der Senat auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Thilo Kleibauer erklärt, will f&w 14 Mitarbeiter für den Bereich Elektro einstellen (eine Teamleitung, zehn Beschäftigte und drei Auszubildende), dazu 13 Maler (eine Teamleitung, zehn Beschäftigte, zwei Auszubildende), sieben Bautechniker (eine Teamleitung, zwei Sanitär-Fachkräfte, drei Tischler, ein Fliesenleger) und vier Kaufleute. Sie würden das bestehende Team aus 29 Mitarbeitern inklusive Leitung und Kaufleuten ergänzen. Die Kosten für das neue Team gibt der Senat mit gut einer Million in 2019 und 1,1 Millionen in 2020 an.
Thilo Kleibauer, Sprecher der CDU-Fraktion für Haushalt und öffentliche Unternehmen, hält das für viel zu niedrig. Da Mitarbeiter bei f&w bekanntlich nach dem Bedingungen des öffentlichen Dienstes entlohnt würden, gehe er eher von Fixkosten von rund zwei Millionen Euro im Jahr aus.
Doch sein Hauptkritikpunkt ist ein anderer: „Hier weitet ein öffentliches Unternehmen der Stadt sein Aufgabengebiet massiv aus.“ Es sei „sehr fragwürdig“, dass f&w in einem solchen Umfang dem Hamburger Handwerk Mitarbeiter und Aufträge wegnehme, sagt Kleibauer: „Das ist ordnungspolitisch verkehrt. Ohne Frage gibt es derzeit zu wenig Kapazitäten im Handwerk. Dies rechtfertigt aber nicht den Aufbau einer so großen Abteilung mit einer eigenen Malerkolonne im Staatsbetrieb.“
Eigener Handwerksbetrieb wirtschaftlich sinnvoll?
Zudem sei zweifelhaft, ob der langfristige Aufbau eines eigenen Handwerksbetriebs bei f&w wirtschaftlich sinnvoll ist: „Für die Aktivitäten staatlicher Unternehmen braucht es ein wichtiges öffentliches Interesse“, so Kleibauer. „Diesen Grundsatz sollte sich der rot-grüne Senat mal wieder bewusst machen.“
Der Senat hält dem entgegen, dass f&w bereits Bedarfsanalysen für einzelne Gewerke aufgestellt und eine Kosten-Nutzen-Analyse erarbeitet habe. Das habe zu dem Ergebnis geführt, „dass der Aufbau eines Handwerkerteams wirtschaftlich ist“. Zudem argumentiert er mit den fehlenden Angeboten vom Markt: So seien aufgrund fehlender oder unwirtschaftlicher Angebote im Jahr 2018 dreizehn Ausschreibungen gestoppt worden und im Jahr 2019 bereits elf – dabei seien von Malern und Maurern über Klempner und Elektriker bis hin zu Erd- und Metallbauarbeiten alle Gewerke betroffen gewesen. Zudem hätten sich „in etlichen Fällen“ sogenannte Rahmenvertragspartner geweigert, Kleinaufträge auszuführen.
Zur Einordnung: 2018 hatte f&w den Senatsangaben zufolge 178 größere Aufträge extern vergeben sowie 6735 kleinere Aufträge über Rahmenverträge mit Handwerkern abarbeiten lassen. 2019 waren es bislang 158 Vergaben und 4552 kleinere Aufträge für Rahmenvertragspartner – das Volumen ist also beträchtlich.
Auch Stadtreinigung will mehr Handwerksleistungen selbst durchführen
Auch andere öffentliche Unternehmen gehen derzeit dazu über, Handwerker einzustellen. So wolle die Stadtreinigung „vor dem Hintergrund der schlechten Verfügbarkeit externer Firmen“ mehr Handwerksleistungen selbst durchführen und bilde zum Beispiel Elektrotechniker und Anlagenmechaniker inzwischen selbst aus, so der Senat. Auch die Hamburg Port Authority (HPA) sei mit der Handwerkskammer im Bereich Schiffbauhandwerk „im Austausch, um Fragen zu einer Kooperation und möglichen Synergien zu diskutieren“. Drittens plane die Hochbahn, im Rahmen der Erweiterung des U-Bahn- und des Bus-Systems „für die Instandhaltung bestehende Handwerkerteams personell zu verstärken“.
Schon vor einem Jahr hatten die Finanzminister Monika Heinold (Schleswig-Holstein/Grüne) und Andreas Dressel (Hamburg/SPD) im Gespräch mit dem Abendblatt aus Sicht ihrer Länder die überhitzte Situation in der Bauwirtschaft angeprangert. „Wenn die Preisentwicklung so dramatisch weitergeht, haben wir große Probleme, dass die hart erkämpften Mittel auch auf der Straße oder dem Schulhof oder im Wohnungsbau ankommen“, hatte Dressel gesagt. Und Heinold meinte, die Bauwirtschaft nutze die gute wirtschaftliche Lage aus: „Wenn Sie heute einen Handwerksbetrieb brauchen, kostet der 30, 50 oder manchmal auch 70 Prozent mehr als früher üblich. Wir können das nicht verbieten, aber ich wünsche mir, dass das angesparte Geld der Steuerzahler nicht nur für überhöhte Preise draufgeht.“
Auch die FDP übt Kritik
Dass die öffentliche Hand sich diesem Preisdruck und Fachkräftemangel dadurch entzieht, dass sie vermehrt selbst Handwerker einstellt, sieht außer der CDU auch die FDP kritisch. „Bei der klassischen ‚make-or-buy-Entscheidung‘ kommt der rot-grüne Senat immer zum Ergebnis, dass mehr Personal bei der Stadt die richtige Antwort sei“, sagte Fraktionschef Michael Kruse. „Anstatt den Mangel zu verwalten und privaten Unternehmen in immer mehr Bereichen die letzten verfügbaren Fachkräfte abzujagen, sollte der Senat eine Fachkräftestrategie für Hamburg auflegen. Neben der gezielten Qualifikation von Jugendlichen ohne Abschluss muss auch ein aktives Anwerbekonzept für den Standort Teil dieser Strategie sein.“