Hamburg. 19 jungen Beschuldigten werden schwere Straftaten vorgeworfen – nur weil sie gemeinsam mit Randalierern marschierten.
Es könnte einer der brisantesten Prozesse um Straftaten während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg werden: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen junge 19 Beschuldigte erhoben, die an einem Marsch von G20-Gegnern teilgenommen haben. Am Rondenbarg war es zu einem gewalttätigen Zusammenstoß mit Polizisten gekommen. Den Beschuldigten wird eine Reihe von Straftaten vorgeworfen: : Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung sowie Sachbeschädigung. Zuerst hatte die "Welt" über die Anklage berichtet.
Die Angeklagten sollen die Polizisten jedoch etwa nicht selbst attackiert oder Gegenstände zerstört haben, sondern in dem G20-Marsch mitgelaufen sein. Dies ist nach der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft jedoch genau so zu werten, als hätten sie selbst tätliche Handlungen begangen. Die Gruppe von 150 bis 200 überwiegend vermummten Menschen hatte sich am Morgen des 7. Juli 2017 auf den Weg von einem G-20-Protestcamp auf den Weg in Richtung Innenstadt gemacht, dabei kam es laut Polizei und Staatsanwaltschaft schnell auch zu Sachbeschädigungen aus der Gruppe heraus, bevor bei dem Zusammenstoß 14 Steine und Pyrotechnik auf die Beamten einer Beweis- und Festnahmeeinheit geflogen sein sollen. Im Anschluss stellten die Beamten auch Brandbeschleuniger, Präzisionszwillen, Hämmer und andere Waffen bei der Durchsuchung der G-20-Gegner fest.
Jüngste Beschuldigte waren erst 15 Jahre alt
Bei den Angeklagten handelt es sich laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft um elf Frauen und acht Männer, die zum Zeitpunkt des G-20-Gipfels zwischen 15 und 20 Jahre alt waren. Die Staatsanwaltschaft hat außerdem einen Antrag beim Amtsgericht gestellt, um das Verfahren gegen die 19 Beschuldigten auch mit dem erneuten Prozess gegen den jungen italienischen G-20-Gegner Fabio V. zu verknüpfen. Dieser stand wegen seiner bloßen Teilnahme an dem Marsch bereits vor Gericht, der Prozess platzte jedoch vor der Fällung eines Urteils. Die linke Szene hatte zu den Prozesstagen jeweils massive Proteste gegen die Anklage organisiert. Fabio V. soll laut Unterstützern nach dem geplatzten Prozess zunächst in seine Heimat zurückgekehrt sein.
Keiner der 19 Beschuldigten wohnt in Hamburg, der Großteil ist im Raum Stuttgart und in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Der nun beantragte Prozess soll vor einem Jugendschöffengericht verhandelt werden, sofern die Anklage zugelassen wird. Örtlich wäre das Amtsgericht Altona zuständig, wegen der großen Zahl an Angeklagten könnte der Prozess jedoch in die Räume des Landgerichts am Sievekingplatz verlegt werden, wie die "Welt" berichtet.
Welchen Charakter hatte die Versammlung?
Die wichtigste rechtliche Frage im Zusammenhang mit dem G-20-Marsch lautet, welchen Charakter die Versammlung besaß. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, dass durch die Straftaten aus der Gruppe heraus von Anfang an nie eine politische Demonstration vorgelegen habe - in diesem Fall wären die friedlichen Teilnehmer nicht strafrechtlich für die Verfehlungen von Einzelnen aus dem Aufzug zu belangen. Wer aber mit den Straftätern über längere Zeit marschiere und die Vergehen habe mitbekommen müssen, befördere die Taten und ist laut Staatsanwaltschaft zu bestrafen, als hätte er selbst Steine geworfen.
Weitere 80 Verfahren anhängig
Dieser Rechtsauffassung hatte in dem konkreten Fall des Rondenbarg-Komplexes aber unter anderem der renommierte Strafverteidiger Gerhard Strate widersprochen. "Auch eine nicht angemeldete Spontandemo genießt den Schutz der Versammlungsfreiheit", sagte Strate gegenüber "Spiegel Online". Das sei ein Grundrecht.
Neben den nun Angeklagten werde gegen etwa 80 weitere erwachsene Beschuldigte aus dem Komplex Rondenbarg noch ermittelt, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Möglicherweise wird es weitere Prozesse mit einer größeren Zahl von Angeklagten geben. Dies liegt daran begründet, dass in der Regel dieselben Zeugen zu vernehmen sind.