Hamburg. Das Internationale Bauforum hat immer wieder Impulse für die Stadtentwicklung gegeben. Wie Hamburgs Verkehrs-Zukunft aussehen soll.
In Windeseile ist aufgebaut, wofür zwölf Frauen und Männer vier Tage lang gearbeitet haben. Das sieben Meter lange Modell aus Styrodur wird in einzelnen Platten kurzerhand auf Kisten gelegt. Und fertig ist die neue Magistrale 4 vom Steindamm am Hauptbahnhof Richtung Norden über Wandsbek bis zur Meiendorfer Straße – eine von insgesamt 15 stark frequentierten Magistralen der Hansestadt.
Das Architektenteam - unter ihnen André Poitiers, Michael Haschke und Andreas Quednau – hat seine Vision der Stadtentwicklung entlang der B 75 in Kunststoff gepresst. Mit ganz viel Grün an der Wandse. Gleich müssen die Experten ihre Ideen in den Deichtorhallen einem breiten Publikum und Fachkollegen vorstellen. Es ist das Internationale Bauforum, das diesmal unter dem Motto „Magistralen“ steht.
Bauforum gab immer wieder Impulse für die Stadtentwicklung
Mehr als 150 Experten, 55 Architekten-Büros aus Deutschland und dem Ausland sowie 14 einzelne Teams präsentierten auf Einladung der Stadt am Sonnabend ihre Ergebnisse aus den viertägigen Workshops rund um die Hauptverkehrsadern. Die Erwartungen sind hoch, denn das Internationale Bauforum hat seit seiner Premiere im Jahr 1984 mit Visionen über eine Hafencity (1989) und dem „Sprung über die Elbe“ (2003) immer wieder richtungsweisende Impulse gegeben. Bürgermeister Peter Tschentscher gab mit Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt für das diesjährige Treffen diese Richtung vor: „Wir wollen die Magistralen zu attraktiven Stadträumen weiterentwickeln.“
Heutzutage sind die Magistralen vor allem eines: Laute Trassen auf einer Gesamtlänge von 550 Kilometern, in deren unmittelbaren Nähe rund 140.000 Menschen leben. Dass sieben der 15 Magistralen deutlich lebenswerter als bisher sein können, demonstriert gerade das Team 4 a der Magistrale vom Hauptbahnhof Richtung Meiendorf. An der 16 Kilometer langen Straße, die täglich von bis zu 47.000 Kraftfahrzeugen frequentiert wird, leben rund 21.000 Anwohner.
Die Magistrale soll von der Verkehrsader zum Lebensraum werden
„Bislang“, sagt Architekt Andreas Quednau, „stehen nur zehn Prozent der Fläche Fußgängern zur Verfügung. Wir wollen, dass es künftig 60 Prozent sind und 40 Prozent für Fahrzeuge.“ Die Magistrale müsse endlich zum Lebensraum werden. „Wir wollen etwas für Generation Y tun, die so gern auf die Work-Life-Balance achtet“, sagt Architekt André Poitiers. Das Konzept dieses Architektenteams sieht vor, den Weg an der Wandse entlang stärker für den Radverkehr zu nutzen. „Sie könnten dort auch mit dem Pferd in die Stadt reiten“, fügt Poitiers schmunzelnd hinzu.
Immer mehr interessierte Gäste strömen derweil in die Deichtorhallen, um zu erfahren, welche Gestalt Hamburgs Magistralen künftig haben könnten. Einige Besucher haben auf der Grünfläche vor dem Gebäude in bunten Sesseln Platz genommen, ihr Blick geht auf gläserne Hochhäuser und eine große LED-Wand. Dort treten nacheinander zwei Teams auf. Es sind die Experten der Magistrale 1, die auf einer Strecke von 14 Kilometern von der Stresemannstraße bis nach Wedel reicht.
Viele Ideen für den großen Wurf bei der Stadtentwicklung
Kurz zuvor hatte Oberbaudirektor Franz-Josef Höing davon gesprochen, dass ein „Denken in Klein-Klein nicht mehr ausreicht“. Der große Wurf müsse her, darin ist sich das Magistralenteam 1 a einig. Zu ihm gehören die Büros Adept, Robertneun, LH Architekten und Kontor Freiraumplanung. „Unser Ziel ist eine lebenswerte Magistrale“, sagen sie und verkünden den Plan, die eigene Gestalt der „fünf Dörfer“ Groß-Flottbek, Osdorf, Sülldorf, Iserbrook und Rissen neu zu entdecken.
Danach kommt Professor Ullrich Schwarz von der HafenCity-Universität zu Wort, sein Statement ist auch draußen auf der LED-Leinwand im Sommersonnenlicht zu hören. „Die vierspurige Straße Richtung Wedel ist überdimensioniert.“ Wichtig sei es, die unterschiedlichen Identitäten vor Ort zu stärken und die vorhandenen Grünzüge miteinander zu verbinden.
Viel Interesse an der Präsentation der neuen Magistralen
Die internationalen Expertenteams ziehen bei ihren Präsentationen alle Register der Vortragskunst. Während die einen wie bei einem Protestzug mit Schildern über die Bühne laufen, beginnen die anderen zu singen. Alle sind sich darin einig, dass die Magistralen wirklich zum Lebensraum werden müssen. Denn es könne nicht so bleiben, dass zum Beispiel die B 4 von der Kieler Straße zur Pinneberger Straße ausschließlich ein Ort für den Transit sei.
Die Bezirkspolitiker lauschen derweil mit großer Aufmerksamkeit den Präsentationen. Johannes Gerdelmann, Baudezernent in Altona, ist begeistert von den vielen Vorschlägen und verspricht „mehrere Sichtungen“ dieser Arbeiten. Es seien wertvolle Ideen für die nächsten 20 Jahre enthalten.
Nun muss die Stadtentwicklung etwas aus dem Magistralen-Entwurf machen
Nun aber, darin sind sich die Architekten einig, liegt der Ball bei der Hamburger Stadtentwicklung. „Im Angebot ist ein großartiges Portfolio“, sagt eine Expertin. Am Ende der Veranstaltung zerlegt das Team der Magistrale 4 sein meterlanges Kunststoff-Modell wieder in einzelne Teile. Sie kommen in eine große Holzkiste.
Wo diese nach dem Internationalen Bauforum ihren letzten Platz finden wird, darüber herrschte am Sonnabend allerdings noch Unkenntnis.