Hamburg. Wie soll die Grindelallee im weiteren Verlauf bis nach Langenhorn gestaltet werden? Ein Landschafts- und ein Stadtplaner berichten.

Wie geht es eigentlich zu, wenn 150 Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Stadtplanung in 14 interdisziplinären Teams die Köpfe zusammenstecken, um Ideen für die Weiterentwicklung von sieben Hamburger Einfallstraßen zu sammeln? Ist die Atmosphäre ruhig und konzen­triert? Oder sprudeln alle über vor Einfällen, die sie lebhaft miteinander diskutieren? Kommt es wegen gegenteiliger Ansichten vielleicht gar zum Streit? Das Abendblatt hat sich in den Deichtorhallen umgesehen, in denen gerade das Internationale Bauforum stattfindet. Hier sollen die Weichen gestellt werden für die künftige Stadtentwicklung entlang von sieben Magistralen, in deren Umfeld rund 140.000 Hamburger leben.

Veranstalter hoffen auf Ideen für Entwicklung der Magistralen

Für die große Stadtentwicklungs­tagung hat sich die nördliche Deichtorhalle von einem Museum in einen Co-Working-Space verwandelt: Im vorderen Teil eine Bühne, auf der öffentliche Talkrunden oder am Sonnabend auch die Abschlusspräsentation stattfinden. In der riesigen Halle dahinter sind durch Baugerüste Arbeitsbereiche für die verschiedenen Teams abgeteilt; außerdem gibt es ein Digitallabor, in dem sich die Teilnehmer am Computer Pläne oder 3-D-Modelle ansehen und ausdrucken können, und zwei sogenannte Experten-Checks: Tische, an denen die Planer ihre Ideen von Fachleuten checken lassen können, etwa wenn es um Fragen wie Denkmal- oder Emissionsschutz geht.

Oberbaudirektor Franz-Josef Höing hat die Teams sorgfältig zusammengestellt, sodass in jedem die gleichen Kompetenzen vertreten sind (jeweils ein internationaler, ein nationaler und zwei lokale Planer, dazu Verkehrsexperten, Fachleute aus der Hamburger Verwaltung, Querdenker aus anderen Bereichen und Studenten). Dennoch wird jedes Team durch Besonderheiten seiner einzelnen Teilnehmer geprägt. Die Veranstalter hoffen, dadurch überraschende Ergebnisse und zündende Ideen für die Entwicklung der Magistralen zu bekommen. Damit Behörden und Bezirksämter auch in einigen Jahren noch Zugriff darauf haben, werden alle Präsentationen dokumentiert und archiviert.

Die Teams haben die Straßen per Bus oder zu Fuß erkundet

Um sich mit „ihrer“ Magistrale vertraut machen zu können, haben alle Teilnehmer 14 Tage vor Beginn des Bauforums Unterlagen sowie Hinweise darauf erhalten, auf welchen Bereichen ihr Planungsschwerpunkt liegen soll. Zusätzlich haben die Teams die Straßen am Montag per Bus oder zu Fuß erkundet.

Landschaftsplaner Bertel Bruun und Architekt Mehdi Moshfeghi waren mit ihren Teams (3A und 3B) an der Grindelallee, die im weiteren Verlauf (Hoheluftchaussee, Breitenfelder Straße, Alsterkrugchaussee und Langenhorner Chaussee) als Magistrale 3 aus der Innenstadt nach Norderstedt führt. Beide stammen aus Hamburg, ihnen war die Verkehrsachse mit ihren Schwachstellen also schon vorher mehr oder weniger bekannt.

„Die Magistrale verändert sich stark auf ihrem Weg hinaus aus der Stadt“, sagt Moshfeghi, dem die Strecke und ihr Umfeld von Fahrten zum Flughafen oder Norderstedter Kunden vertraut ist. „Erst ist sie urban, im Bereich des Flughafens eine Art undefinierter Zwischenraum, und danach führt sie durch kleinstrukturierte Siedlungsräume.“ Er sei der Meinung, eine Magistrale müsse wandlungsfähig sein und auf die Gebiete, durch sie führe, reagieren. Die Frage sei, ob man die Magistrale verkehrlich anpassen müsste.

Mobilität ist eines der wichtigsten Themen der Magistrale 3

Wichtig finde er auch, das Augenmerk auf den „Turning-Point“ am Ring 2, an der Kreuzung Deelböge/Borsteler Chaussee zu richten. „Hier gibt es eine hohe Verkehrsdichte mit unglaublichen Emissionen. Das macht diesen Bereich unattraktiv für Bebauung.“ Das gelte es zu ändern. Für äußerst hilfreich beim Brainstorming hält der Architekt, dass in den Teams auch internationale Experten säßen. „Mängel stellen sich für jemanden von außen anders dar. Das bringt frischen Wind in die Sache.“

Auch für Landschaftsarchitekt Bertel Bruun ist die Mobilität eines der wichtigsten Themen der Magistrale 3. „Es ist spannend, darüber nachzudenken, was passiert, wenn Autoverkehr reduziert und in einigen Jahren auf zwei Fahrspuren verzichtet werden kann.“ Zwar müsse man einerseits den Blick auf die unmittelbare Entwicklung der Stadt richten, könne sich aber – bei einer Veranstaltung wie dem Bauforum – mit langfristigen Optionen auseinandersetzen.

Potenziale im Bereich der Kreuzung Deelböge

Bruun sieht im Bereich der Kreuzung Deelböge ebenfalls Potenziale für die Weiterentwicklung der Magistrale. „Hier fahren nicht nur die Norderstedter in die Stadt, sondern auch Touristen, die mit dem Flugzeug kommen – der Standort in unmittelbarer Nähe zu einem Naturschutzgebiet ist also eine Art Visitenkarte und hätte das Potenzial für eine städtebauliche Eingangstor-Situation“ Allerdings müsse dafür eine hier oberirdisch verlaufende Stromtrasse in den Boden verlegt werden, da sie keine mehrstöckige Bebauung zulasse.

Natürlich gibt es an diesem Mittwochvormittag in Team 3A und 3B noch viele weitere Meinungen. Wenn sie zusammengetragen und sortiert worden sind, werden die Mitglieder mit den konkreten Planungen beginnen. Viel Zeit für die Ausarbeitung bleibt ihnen nicht. Aber es geht ja erst mal auch nur um Ideen.

Öffentliches Bauforum in den Deichtorhallen

Die Wellenfeldsyn­theseanlage, eine Art betretbares audiovisuelles Amphitheater, reproduziert eindrucksvoll die Schlagadern der Metropole. Mi bis Fr 14–19 Uhr, Sa 10–16 Uhr.

In Talkrunden am Donnerstag sprechen teilnehmende Planer über die internationale Bedeutung von Magis­tralen (15 Uhr) und über ihre Arbeit in den Teams (16 Uhr). Danach spricht Oberbaudirektor Höing mit Kollegen darüber, was Hamburg von anderen Städten lernen kann.

Beim Universitäten-Talk am Freitag berichten Lehrende und Studierende, die sich mit Hamburgs Magistralen beschäftigt haben (15– 18 Uhr). Um 21.30 Uhr tritt Palais Schaumburg open-air auf. Info: www. hamburg.de/bauforum