Hamburg. Bauforum soll sieben Hauptverkehrsstraßen weiterentwickeln. Denkmalverein fordert Konzept für Umgang mit historischen Gebäuden.

Die Tage des gelben Gründerzeithäuschens mit dem hübschen Giebel und den weißen Fenstern sind gezählt. Statt seiner wird an der Osdorfer Landstraße 21 bald ein modernes Mehrfamilienhaus stehen. Eine Baugenehmigung sei bereits erteilt, so das Bezirksamt Altona auf Nachfrage.

Sein Schicksal teilt das gelbe Haus mit zahlreichen anderen Altbauten entlang der Hamburger Ein- und Ausfallstraßen: zwei- bis dreistöckige Gründerzeithäuser aus der Zeit, als Stadtteile wie Osdorf, Langenhorn und Wandsbek noch Nachbarstädte und Vororte waren. Weil sie baulich häufig verändert wurden oder als historische Substanz nicht genug Bedeutung haben, sind sie nicht denkmalgeschützt – und fallen daher immer häufiger Neubauvorhaben zum Opfer.

Bei dem Montagabend eröffneten Bauforum sollen Ideen für die Weiterentwicklung von sieben Hamburger Magistralen gesucht werden – auch für die Osdorfer Landstraße, die zusammen mit der Sülldorfer Landstraße die Magistrale Eins bildet. Angesichts der Veranstaltung fordert der Hamburger Denkmalverein besonderen Schutz für die Gründerzeithäuser.

Auch Bürgerverein ist besorgt

„Obwohl Nachverdichtung grundsätzlich ökologisch sinnvoll ist, um weiteren Flächenfraß zu vermeiden, darf sie nicht auf Kosten historischer Qualitäten und Zeugnisse stattfinden“, so die Vorsitzende, Kristina Sassenscheidt. „Sonst droht entlang der Magistralen ein kompletter Verlust an städtebaulicher Identität.“

Dass Osdorfer- und Sülldorfer Landstraße ein „anonymer Wohnungsschlauch“ werden könnten, befürchtet auch der Bürgerverein Sülldorf-Iserbrook. „In einer vom Wandel geprägten Stadt sollte man den Glanz der vergangenen Zeiten bewahren“, sagt Lieselotte Zoder, die Vorsitzende. Auch wenn „Glanz“ angesichts der oft angegrauten und vernachlässigten Gründerzeithäuser etwas zu hoch gegriffen sei, gelte es doch, „unseren Nachkommen zu zeigen, wie charaktervoll und aufwendig wir früher Häuser gebaut haben“.

Hunderte potenziell gefährdete Häuser

Insgesamt 14 historische Häuser hat Kristina Sassenscheidt bei einer Fahrt durch die Sülldorfer- und Osdorfer Landstraße entdeckt. Etliche der Gebäude stehen leer, manche sind – wie das gelbe Haus – von einem Bauzaun umgeben. Dasselbe Bild kenne man auch von den anderen Hamburger Magistralen, so Sassenscheidt. Die Zahl der Häuser, die irgendwann gefährdet sein könnten, so schätzt sie, gehe „vermutlich in die Hunderte“.

„Sie besitzen aber eine große Bedeutung für das Stadtbild an den Straßen und die Identität der Stadtteile dahinter.“ Als baugeschichtliche Zeugnisse entlang der Magistralen müsste die Stadtentwicklungsbehörde sie daher so bald wie möglich systematisch erfassen und ein transparentes Konzept entwickeln, was davon erhalten werden soll und was nicht. „Dass nicht alle Häuser erhalten werden können, ist klar“, so Sassenscheidt, „aber man sollte zumindest das Wichtigste sichern, bevor gar nichts mehr da ist.“

Bauforum soll Altbauten in Konzepte einbinden

Das geplante Bauforum bezeichnet sie als ein „gutes und wichtiges Instrument“. Aber es dürfe seinen Fokus nicht einseitig in die Zukunft richten, sondern müsse unbedingt auch die historischen Qualitäten in den Blick nehmen. „Sie müssen in die Planungen einbezogen werden, weil sie durch das Zuständigkeitsraster der Verwaltung fallen. Denkmalschutz zieht nicht, und städtebauliche Erhaltungsverordnungen gibt es viel zu wenige.“

Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sieht in dem Bauforum eine Chance für die Gründerzeithäuser entlang der Magistralen. „Sie sind für uns wichtige Hinweise darauf, wie Hamburg dort einmal gewesen ist.“ Daher würden sie als gedankliche „Pflöcke“ betrachtet und entsprechend behandelt. „Es ist nicht daran gedacht, sie wegzunehmen, sondern im Gegenteil“, so der oberste Stadtentwickler der Hansestadt: „Wir haben ein großes Interesse daran, die Gründerzeithäuser einzubinden in all die Konzepte und die vielen städtebaulichen Ideen, die auf dem Siebten Internationalen Bauforum in Hamburg erdacht und ersonnen werden.“