Hamburg. Aufbau von Hammerbrooklyn beginnt. Eröffnung im kommenden Mai. Ideenmeisterschaft für zweiten Bauabschnitt gestartet.

Noch vor wenigen Jahren endete Hamburg genau hier: Am Stadtdeich hinter den Deichtorhallen. Der Großmarkt verschanzte sich hinter Zäunen, der Elberadweg führte nicht etwa am Fluss sondern an der Amsinckstraße entlang und vor dem Fruchthof lag eine Müllverladestadion. Schon bald soll genau hier ein Leuchtturm für den digitalen Wandel weit über die Grenzen der Stadt strahlen. Wie ein Unort zum In-Viertel werden kann, lässt sich auf der Hammerbrooklyn-Baustelle zumindest erahnen: Der Blick fällt auf den Oberhafen mit seiner -kantine, auf das „Spiegel“-Verlagshaus an der Ericusspitze, die doppelstöckige Eisenbahnbrücke und auf die zahlreichen Kräne der HafenCity. Entlang der Elbe flanieren die Menschen über den neuen Uferweg. Ab Mai 2020 sollen sie ein weiteres Ziel haben: Dann wird der digitale Campus Hammerbrooklyn im ehemaligen amerikanischen Expo-Pavillon am Stadtdeich eröffnen.

Ein Zentrum für digitale Transformation und urbanen Wandel

Seit Montag werden die ersten Stahlteile nach Hamburg geliefert, die 2015 bei der Weltausstellung in Mailand den US-Pavillon gebildet haben. Ein mittelständischer Stahlbauer hat den Koloss mit den ungewöhnlichen Maßen 105 mal 16 Meter abgebaut, neu lackiert und schafft ihn nun nach Hamburg. Nach und nach wird der spektakuläre Bau in Hamburg neu erstehen. Wo es bei der Expo 2015 noch um Food 2.0, Ernährung und US-Landwirtschaft ging, soll hier bald ein Labor der Zukunft erstehen.

„Zwischen der Innenstadt und der HafenCity schafft der Digital Campus ein Zentrum für die digitale Transformation und den urbanen Wandel“, verspricht Mathias Müller-Using, Geschäftsführer von Hammerbrooklyn, der mit HWWI-Chef Henning Vöpel und den Digitalisierungsexperten Björn Bloching das Projekt initiiert hat. „Nun geht es richtig los.“ Am Montag seien die ersten Stahlträger eingetroffen. „Wir hätten ihn günstiger einfach nachempfinden können. Aber es ging uns auch darum, über das Recycling - oder besser Upcycling ein Zeichen für Nachhaltigkeit zu setzen.“

Eine Stiftung wird den Campus betreiben

Auf viereinhalb Stockwerken in dem lichten und modernen Gebäude sollen ab Mai Unternehmen, Bürger, Wissenschaft und Verwaltung einen Ort finden, an dem experimentiert und gelernt wird, an dem das Hamburg von morgen erdacht, gestaltet und umgesetzt wird. Es gibt eine „Town Hall“ zum Vernetzen und für Veranstaltungen, ein Auditorium sowie kreative und agile Arbeitsräume, aber auch Schaufenster im Erdgeschoss.

Eine Stiftung aus Wirtschaft, Senat, Wissenschaft und Innovatoren wird den Campus betreiben. Diese Stiftung war die Lösung, um einen lange schwelenden Streit zwischen den Initiatoren von Hammerbrooklyn beizulegen. Dadurch hatte sich Hamburgs Vorzeigeprojekt zwischenzeitlich verzögert. Nun aber ist der Blick nach vorne gerichtet.

Fünf Architekten aus internationalen Büros in Hamburg

Der Pavillon mit seiner 7600 Quadratmetern ist nur der Anfang, danach soll ein „Solutions Building“ in Holzstapelbauweise mit gut 9000 Quadratmetern folgen. Und das ist erst der Anfang: Für den zweiten Bauabschnitt, in dem noch einmal ungefähr 50.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche folgen sollen, haben die Hammerbrooklyn-Macher nun eine Ideenmeisterschaft ins Leben gerufen.

In der vergangenen Woche waren Architekten aus fünf internationalen Büros in Hamburg, um ein Gefühl für den Standort am Großmarkt zu bekommen – darunter so renommierte Kreative wie von Snøhetta, den Schöpfern der neuen Oper in Oslo. Im Oktober werden die Architekten erneut zusammenkommen, um dann im November ihre Ideen zu präsentieren. „Die Philosophie von Hammerbrooklyn bringen wir in die Ideenmeisterschaft ein“, sagt Müller-Using. „Der Prozess, diesen Ort zu gestalten, ist wie der Ort selbst: offen, interdisziplinär und kollaborativ“.

Der nächste E-Scooter in einer Minute erreichbar

Schon jetzt ist das ambitionierte Projekt des Digital Campus in der temporären grünen Box angelaufen: Im offenen Empfangsraum mit Café-Bar bespricht sich eine Gruppe, auf einer Leinwand lassen sich sämtliche Angebote des modernen Nahverkehrs einsehen: Der nächste E-Scooter ist von hier aus in einer Minute erreichbar, das nächste Leihauto in zwei Minuten – und wer will, kann die U1 nach Farmsen in acht Minuten besteigen.

In Echtzeit aktualisiert der Münchner Anbieter Veomo die schöne neue Welt der Mobilität. „Mobilität, Smart City, Logistik und E-Health sollen Schwerpunktthemen in Hammerbrooklyn werden – auch eine Haltestelle für E-Busse im Haus wird mitgedacht“, sagt Johannes Lichtenthaler, Geschäftsführer bei Hammerbrooklyn und Partner der Art-Invest Real Estate in Hamburg.

Investments von mehr als 150 Millionen Euro

Hinter dem Millionen-Investment am Stadtdeich steht die renommierte Art Invest, die in Hamburg große Projekte wie den Alten Wall, das Klöpperhaus am Rödingsmarkt oder das Haller-Haus am Jungfernstieg entwickelt hat. „Wir lieben die besonderen und langfristigen Projekte, die normalen Projektentwicklern zu aufwendig sind“, so Lichtenthaler. „Die Idee, einen solchen Leuchtturm umzusetzen, ist anspruchsvoll.“ Die Gründung für den Pavillon, der zusätzlich eine vollwertige Fassade bekommt, sei kompliziert gewesen – insgesamt 123 Bohrpfähle aus Stahlbeton wurden 13 bis 20 Meter in den Sandboden eingebaut, die Kosten sind auf 35 Millionen Euro gestiegen.

„Wenn Hammerbrooklyn gelingt, wird Hamburg in der Welt bald anders wahrgenommen.“ Das Konzept mit einem privatwirtschaftlichen Investor und einem gemeinnützigen Betreiber hält er für wegweisend. „Man braucht eine Menge Mut für ein solches Vorhaben“, sagt Lichtenthaler und verweist auf die enormen Investments, die bis 2027 auf mehr als 150 Millionen Euro anwachsen dürften. „Man braucht aber auch eine Menge Kreativität, die die Initiatoren von Hammerbrooklyn mitbringen.“

Für die Art Invest sei Hammerbrooklyn eine der wichtigsten innerstädtischen Quartiersentwicklungen. Für Hamburg ist der Bau vielleicht noch wichtiger: Ein solcher Leuchtturm werde der Stadt im Wettstreit der Metropolen nützen. „Die Innovationskraft Hamburg wird für jeden sichtbar“, verspricht er. Verkehrsgünstig liegt der Pavillon: Die Fernzüge fahren direkt am Stadtdeich vorbei oder stoppen hier, bevor sie in den Bahnhof fahren. Am Stadtdeich bekommt die Zukunft einen Standort.