Hamburg. Familienurlaub mit dem E-Car - wie funktioniert das? Unsere Reporterin reiste mit Mann und Kindern zwei Wochen lang herum.

Der Vorschlag meines Mannes traf mich unerwartet und mit voller Wucht: „Lass uns bei unserer nächsten Reise mal versuchen, unseren CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.“ Ich schaute auf meine Füße, was gar keinen Sinn machte, aber der Schock saß tief. Genauso hätte er vorschlagen können, meinen Kleiderschrank aufzulösen und fortan nackt zur Arbeit zu erscheinen. Unmöglich. „Also keine Kreuzfahrt?“, fragte ich mit einem letzten Funken Hoffnung, doch ich ahnte, mein Mann hatte Größeres vor.

Sternzeichen Widder, wenn die einen Plan haben, dann ziehen sie den auch gegen Widerstände durch. Eine Charaktereigenschaft, die mir einmal zugutekam, nämlich als sich mein Gatte in den Kopf gesetzt hatte, mich unbedingt heiraten zu wollen. Danach feierte ich diese Zielgerichtetheit nicht mehr so häufig, zum Beispiel jetzt in diesem Moment nicht. „Natürlich keine Kreuzfahrt, auch keine Flugreise, wir werden versuchen, ökologisch korrekt zu reisen, wenn das nicht schon ein Widerspruch an sich ist“, erklärte Robert Habeck, ach nein, das war immer noch der Vater unserer Kinder, der mir gegenüberstand, ich erkannte ihn nur nicht wieder.

„Wie soll das gehen? Wir haben zwei Kinder“, sagte ich leise. Zugegeben, argumentativ war ich auch schon mal besser drauf. Doch ich legte nach: „Wenn wir nicht fliegen, dann werden wir irgendwo im Regen sitzen, weil wir nicht weit kommen. Und wenn wir im Regen sitzen, dann wird das sehr teuer, weil wir uns ständig irgendwelche Indoor-Aktivitäten erkaufen müssen. Und wenn es sehr teuer wird, dann werden wir uns streiten. Und wenn wir uns streiten, dann werden es keine schönen Ferien.“ Mein Mann lachte: „Das mit den Kindern ist mir nicht entgangen. Außerdem verspreche ich Sonne, niemand wird sich streiten, und vielleicht wird die Reise sogar billiger als unsere bisherigen.“ Wie bereits befürchtet: Da hatte jemand bereits einen genauen Plan.

Dschungel an Tarifen und Stromanbietern

Der sah folgendermaßen aus: Wir leihen uns ein Elektroauto und fahren damit zwei Wochen durch Österreich und Südtirol, wo wir in Hotels unterkommen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Jeder nimmt nur das an Klamotten mit, was er selbst tragen kann (im Falle unserer dreijährigen Tochter wurde die Regel erweitert in: „Was ihre Eltern für sie tragen können“). Wir konsumieren nichts aus Plastik, nehmen stattdessen Trinkflaschen mit und Brotdosen. „Die sind auch aus Plastik!“, rief ich triumphierend, doch mein Mann sagte: „Ja, aber wir besitzen sie ja schon. Funktionierendes wegzuwerfen stellt das Gegenteil von Nachhaltigkeit dar.“ Alles klar, ich hatte keine Chance. Herausforderung angenommen.

Serpentinen kein Problem: das E-Car vor dem Hotel Fanes in den Dolomiten.
Serpentinen kein Problem: das E-Car vor dem Hotel Fanes in den Dolomiten. © Yvonne Weiß

Um meine Flexibilität unter Beweis zu stellen, informierte ich mich auf Insta­gram unter den Hashtags #sustainabletravel, #sustainabletourism und vorsichtshalber auch #hedonisticsustainability, kaufte Sonnencreme ohne Mikroplastik und keinen neuen Bikini für die Reise. Das erste Opfer war gebracht. Wirkliche Sorgen bereitete mir allerdings unsere Art der Fortbewegung. An jeder Autobahnraststätte und in jedem Bergdorf gibt es eine Tankstelle, doch wo finden wir unterwegs Strom? Und wenn wir eine Ladestation gefunden haben, wie überbrücken wir dann die Stunden, in denen wir darauf warten müssen, dass die Batterie endlich wieder voll ist?

Ein E-Auto lässt sich Zeit

Ein normales Auto vollzutanken dauert genauso lange, wie mit den Kindern einmal schnell auf die Toilette zu gehen. Die perfekte Pausenkombination sozusagen. Doch ein E-Auto tickt anders. Es lässt sich Zeit. Über zwölf Stunden kann es in Anspruch nehmen, eine leere Batterie mit normalem Wechselstrom (AC) wieder zu füllen. Entschleunigung. Klingt stets gut, bei einer 1000-Kilometer-Anreise und mit Kindern an Bord aber wenig praktikabel. Da besteht der Urlaub schlimmstenfalls nur aus Warten.

Kein Problem, findet mein Mann, wir müssen entlang unserer Strecke nur sogenannte DC-Ladesäulen finden. Dabei handelt es sich um Schnellladesäulen, bei denen sich die Batterie unseres Autos innerhalb einer halben bis Dreiviertelstunde wieder auflädt. Geht man eben mit den Kindern auf Toilette und isst noch ein Eis. Theoretisch könnte das gut klappen, doch Schnellladesäulen sind in Deutschland bislang selten (und wir wollen ja sogar ins Ausland).

Wenn wir durch Online-Recherche (ohne Smartphone funktioniert ein E-Car-Urlaub niemals, dies schon mal als Erkenntnis vorweg!) eine finden, dann folgt das nächste, wahrscheinlich das größte Problem der E-Mobilität: Es gibt einen Dschungel an Tarifen und Stromanbietern, durch die ein normaler Nutzer niemals blicken kann. Wer seine heimische Ladestation verlässt, der muss Überraschungen und Intransparenz mögen und im Umgang mit Apps durchaus versiert sein. Aber das weiß ich erst jetzt, nach unserer zweiwöchigen Reise unter Strom.

Abhängig von Technik außerhalb des Wagens

Aber von Anfang an. In Hamburg wohnen wir in der Nähe des Cafés Delikate in Eppendorf, direkt davor befinden sich zwei Ladestationen. Ein leichter Einstieg in unsere Ökoferien – sollte man meinen. Wir haben uns einen Kia e-Niro geliehen, dessen 64-kWh-Akku nun am Abend vor unserer Abfahrt aufgeladen werden muss. Mein Mann sagt: „Ich steck mal eben das Auto an“ und kehrt gefühlt tagelang nicht zurück. Aha. Dabei wollte ich mit meinen Bedenken gar nicht recht haben. Das Auto selbst sah vertrauenswürdig aus, so, also würde es Menschen von A nach B transportieren können.

Doch darauf kommt es bei Elektroautos eben nicht an. Sie sind abhängig von Technik außerhalb des Wagens, und da warten die Herausforderungen. Mit einer „Sag jetzt bitte nix“-Miene kehrt mein Mann von seiner Auflade-Premiere zurück. Er musste mehrfach eine abstürzende App ertragen, Stecker an- und abziehen und schließlich eine Telefonhotline wählen. Doch der Servicemitarbeiter konnte das Problem mit der Abrechnung nicht ausfindig machen und gab schließlich genervt auf: „Keine Ahnung, warum es nicht funktioniert, wissen Sie was, ich gebe einen aus und schalte den Strom gratis frei.“ Immerhin: Man braucht Geduld, aber diese Reise könnte tatsächlich günstig werden.

Man kauft die Katze im Sack

Auf der Fahrt von Hamburg nach Kitzbühel, unserem ersten Aufenthaltsort, brauchen wir vier Ladestopps. Jeder verläuft komplett anders, weil es so viele verschiedene Stromanbieter gibt und jede Ladesäule dadurch irgendwie anders funktioniert bzw. vor allem die Abrechnungssysteme sich stark unterscheiden. An manchen wird per Ladekarte Strom getankt, bei einigen könnte man eine SMS schicken, hätte man den „Premium-Service“ seines Telefonanbieters aktiviert (wir hatten beide noch nie von diesem Service gehört), an anderen mithilfe einer App.

Kinderleicht: Der siebenjährige Jesse schließt das Ladekabel an.
Kinderleicht: Der siebenjährige Jesse schließt das Ladekabel an. © Yvonne Weiß

Was heißt EINE App – je nach Region gibt es andere Stromanbieter und andere Apps. In München müssen wir beispielsweise eine andere App benutzen als in Hamburg, das bedeutet jedes Mal neu beim jeweiligen Stromanbieter anmelden, jedes Mal das jeweilige System verstehen. Wir finden zwar irgendwann eine App, die uns deutschlandweit die Ladesäulen anzeigt, doch in Italien funktioniert sie nicht. Die Abrechnungssysteme der Betreiber unterscheiden sich, die wenigsten bieten eine Abrechnung per Kilowattstunde an (was ich in meiner Naivität für normal gehalten hätte), eigentlich kaufen wir jedes Mal die Katze im Sack.

„Ich sehe hier doch nie, was der Strom kostet, oder bin ich blind?“, frage ich meinen Mann, der auch nur mit der Schulter zuckt und zugibt: „Stimmt, da sind Tankstellen wesentlich transparenter.“ Welcher Fahrer hat schon Lust, auf der jeweiligen Homepage des Anbieters die aktuellen Preise und Zahlungsmodalitäten zu recherchieren? So werden die geladene Leistung und die Rechnungssumme erst nach Einsicht im Nutzerkonto (manchmal auch zeitverzögert) ersichtlich.

Wir sind im E-Mobile-Sprachgebrach

Noch eine Bemerkung zu den Apps: Wer die E-Mobilität in Deutschland voranbringen will, der müsste dringend mehr Informationen für die Fahrer bereitstellen. Ist die Ladesäule, die man ansteuert, frei? Und falls nicht, wie lange lädt der dort angeschlossene Wagen noch? Außerdem wäre eine Warnung an den Nutzer wichtig, falls ein Ladevorgang wegen irgendeines Fehlers abgebrochen wurde.

Einmal saßen wir zwei Stunden auf einem Spielplatz in der Nähe der Station herum, weil wir dachten, der Akku würde laden, so war es aber leider nicht. Die App schickt in solchen Fällen keinen Hinweis, und man will gerade bei langen Ladezeiten nicht ständig neben dem Auto stehen. Toll wäre auch die Info auf dem Handy, wie viel Prozent des Akkus inzwischen geladen sind oder wie viele Kilometer man bei aktuellem Stand fahren könnte. So rätselten wir häufig herum: „Meinst du, es reicht schon, um bis nach St. Kassian zu kommen?“ Tja, no risk no fun.

Immerhin sind wir nach ein paar Tagen schon voll im E-Mobile-Sprachgebrach. „Wo ist der Typ-2-Stecker?“ „Unter den Badeklamotten im Kofferraum.“ Oder: „Guck mal, die Rekuperation! Wir haben schon fünf Kilometer Reichweite dazugewonnen.“ „Glückwunsch.“

Super: Immer ein freier Parkplatz

Unser Elektroauto kann die Bewegungsenergie des Wagens nämlich nutzen durch Rekuperation (von lat. recuperare = wiedererlangen). Als wir in den Dolomiten Serpentinen hinabfahren, verbrauchen wir keinen Strom, nein, wir sind bergab unser eigenes kleines Kraftwerk. Die rückgewonnene Energie wird in unsere Traktionsbatterie zurückgespeist. So haben wir plötzlich am Fuße des Berges zwölf Kilometer mehr Reichweite als noch ganz oben. Gerade in den Bergen stellt sich der größte Vorteil unseres e-Niro heraus: seine Stille. Wir gleiten durch die Landschaft und hören tatsächlich nur Natur. Kein Autogeräusch, nichts. Ein Game-Changer-Erlebnis. So wünschte es man sich immer.

Allerdings birgt das auch eine Gefahr. Bei kurvigen Straßen begegnen wir häufig komplett erschrockenen Mountainbikern, die abrupt ausweichen, weil sie uns nicht gehört haben. Und den Kindern müssen wir mehrfach sagen: „Achtung, das Auto ist schon an!“ Großer Pluspunkt (gerade mit Mitfahrern, die ausgesprochen häufig „Wann sind wir daha?“ fragen) für E-Car-Reisende: Sie müssen keinen Parkplatz mehr suchen. Viele Sehenswürdigkeiten und Orte haben Stellplätze für E-Cars eingerichtet auf denen (bislang!) noch wenig los ist. In Kitzbühel parken wir direkt im Ort, andere Autofahrer müssen ein Ticket kaufen, wir parken nicht nur kostenfrei, sondern bekommen von der Stadt sogar den Strom geschenkt. Vielen Dank, Kitzbühel! Ähnlich bei den Swarovski Kristallwelten in Wattens.

Der ganze Parkplatz belegt, nur die E-Plätze sind noch frei. Auch hier zahlen wir nichts für den Strom. Genauso in den Hotels. Dort sind wir entweder über Nacht an den normalen Haushaltsstrom angeschlossen, oder es gibt sogar einen effektiveren Type-2-Anschluss. Die Tesla-Destination-Charger, die es in vielen Hotels gibt, können wir meist nicht nutzen. Trotz passenden Steckers sind sie nur für die Autos der Marke freigeschaltet. Tesla schenkt den Hoteliers die Stationen, wir sehen sie auf unserer Reise wirklich überall. Nur wenn es mehr als zwei der Stationen gibt, ist die dritte auch für andere E-Cars freigeschaltet. Das dient nicht nur dem eigenen Marketing, sondern auch uns. Es braucht Pioniere, die eine Entwicklung vorantreiben und bekannt machen.

Reinhold Messner lobt uns

Lustigerweise scheinen auch wir nun Pioniere zu sein, zumindest Early Adapter, jedenfalls erwecken wir Aufmerksamkeit. Sobald unser siebenjähriger Sohn auf Parkplätzen den Stecker auspackt, um das Auto aufzuladen, fragt mindestens ein Unbekannter: „Ach, so einfach geht das?“ Kinderleicht, ja, wenn es wie gesagt einen Erwachsenen im Hintergrund gibt, der die Technik und die Abrechnungsmodalitäten regelt. Einmal werden wir im Vinschgau bei einer Pause schon beim Öffnen der Türen von einem Mann aus Marbach überfallen, auf dessen Visitenkarte (ungefragt in die Hand gedrückt) steht: „Hauskraftwerkbesitzer“. Er sagt: „Ein e-Niro, aha, 455 Kilometer maximale Reichweite, richtig? Wie zufrieden sind Sie? Ich bin Ihnen schon seit Meran gefolgt, weil ich ebenfalls überlege, einen zu kaufen.“ Meran haben wir vor mehr als einer guten Stunde passiert, wie weit wäre uns der E-Nerd gefolgt, bis nach Hamburg?

Im Messner Mountain Museum bei Bozen treffen wir zufällig auf die Bergsteigerlegende persönlich. Er trägt eine Flasche Wein mit sich herum, was ihn augenblicklich sympathisch erscheinen lässt. Später wird er sie mit zwei Freundinnen im Restaurant seines Museums auf den Tisch stellen, doch vorher erklärt er uns anhand einer Installation aus Müll, warum wir mit unserem E-Car eigentlich auf dem richtigen Weg sind. „Am Himalaja habe ich mit einer Gruppe von Sherpas mal eingesammelt, was die Expeditionsteilnehmer so zurücklassen. Das hier ist ein Millionstel von dem, was da noch herumliegt. Kein respektvoller Umgang mit der Natur“, sagt Reinhold Messner, und wir schauen betreten auf einen riesigen Haufen voller Sauerstoffflaschen, Zelten und Helmen. Da will man nahezu unberührte Gipfel besteigen, einmalige Eindrücke sammeln und bedankt sich mit Dreck.

Nach zwei Wochen halten wir auf dem Rückweg ausnahmsweise mal wieder an einer Tankstelle, weil unsere Kleine „Pipi!!! Schnell!!!“ schreit. Als wir an den Zapfsäulen vorbeigehen, sage ich zu meinem Mann: „Irgendwie stinkt es hier ja“. Er: „Oh! Früher hast du Benzin doch so gerne eingeatmet!“ Tja, früher vor zwei Wochen.