Hamburg. Der Test eines Verbraucherportals zeigt: In Hamburg sind Leihräder und der HVV deutlich billiger als die neuen Tretroller.

E-Tretroller gehören zu den teuersten ausleihbaren Fortbewegungsmitteln in Hamburg. Sie sind teilweise sogar teurer als Leihautos. Zu diesem Ergebnis kommt ein Preisvergleich des Internetportals mydealz. Fabian Spielberger, Geschäftsführer von ­­my­dealz, sagt: „E-Scooter sind neu und sicherlich cooler als Elektro-Roller oder Fahrräder. Ob sie sich dauerhaft durchsetzen, darf aber bezweifelt werden.“

Um sich zu etablieren, müssten sie allerdings einen konkreten Nutzen für den Alltag haben und bezahlbar sein. „Vor allem mit ihrer Preispolitik entwickeln sich Player wie Lime gerade in die falsche Richtung.“ Auch Umweltschützer halten wenig von den neuen Gefährten. Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch sieht in ihnen „eine Modeerscheinung ohne wirklichen Nutzen“.

Das Internetportal hat neben Hamburg auch die Mobilitätsmärkte in Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt und Köln untersucht. Ausgewählt wurden mehrere „Teststrecken“. In Hamburg ging es vom Überseeboulevard in der HafenCity zum Hotel Atlantic, vom Fischmarkt zum Jungfernstieg, von der Roten Flora zur Elbphilharmonie, von Planten un Blomen zum Millerntorplatz und von den Landungsbrücken zum Hauptbahnhof. Fünf Touren also, jede Tour wurde zu drei verschiedenen Tageszeiten getestet: Das ergibt 15 Preisvergleiche.

Scooter sind deutlich teurer als Leihräder

Das Ergebnis ist relativ eindeutig. Scooter sind deutlich teurer als Leihräder, manchmal sogar teurer als Leihautos. In allen 15 Testfällen wird man bei Benutzung der E-Tretroller der Firma Lime am meisten Geld los. Denn Lime ist mit einem Preis von 25 Cent pro Minute der teuerste der vier in Hamburg aktiven Roller-Verleiher. Voi verlangt 15 Cent, Tier nimmt 19 Cent, Circ 20 Cent. Allen gemeinsam ist die Grundgebühr, die bei jeder Ausleihe erneut anfällt und von allen vier Firmen in gleicher Höhe erhoben wird: 1 Euro.

Und dieser Euro führt unter anderem dazu, dass andere Mobilitätsangebote günstiger sind. Der Radverleiher StadtRad verlangt einmalig fünf Euro Jahresgebühr, die aber auf die Fahrtkosten angerechnet werden. Der Minutenpreis von 10 Cent setzt erst ab der 31. Nutzungsminute ein. In den ersten 30 Minuten kann man also, wenn man einmalig 5 Euro bezahlt hat, kostenlos fahren.

StadtRad taucht in dem Vergleich des Internetportals nicht auf. Mittlerweile gibt es so viele Anbieter, dass es sehr aufwendig wäre, wirklich alle mitein­ander zu vergleichen. Doch auch der Radverleiher Call A Bike ist deutlich günstiger als die Tretroller: Jahresgebühr 3 Euro plus 1 Euro für eine halbe Stunde Fahrt.

Auch günstigster Verleiher ist teurer als HVV

Selbst SixtShare, der Autoverleihdienst, liegt momentan preislich vor den E-Scootern. Eine Grundgebühr gibt es nicht, selbst eine Anmeldegebühr wird derzeit nicht fällig. Der Minutenpreis variiert je nach Tageszeit und Fahrzeug zwischen 19 und 36 Cent.

Ebenfalls nicht berücksichtigt hat mydealz den öffentlichen Personennahverkehr. Die Macher der Tests wollten individuelle Transportmittel miteinander vergleichen. Aber natürlich lässt sich die Preisanalyse auf den HVV ausdehnen. Er mag nicht so cool sein wie ein E-Scooter, aber günstiger ist er allemal. Ein Beispiel: Bei Lime zahlt man für die Strecke vom Überseeboulevard zum Hotel Atlantic 3,25 Euro. Beim günstigsten E-Scooter-Anbieter Voi wären es 2,35 Euro. Beim HVV reicht eine Kurzstreckenkarte zu 1,70 Euro. SixtShare nimmt bei günstigstem Tarif 1,14 Euro, beim teuersten 2,16 Euro. Call A Bike kommt mit 1 Euro aus, StadtRad ist kostenlos.

Ein bisschen Spaß

Je länger die Teststrecke, desto deutlicher der Sieg des Leihfahrrads. Vom Fischmarkt bis zum Jungfernstieg zahlt man bei Lime 5,75 Euro – inklusive mördermäßiges Durchschütteln auf dem gefürchteten Kopfsteinpflaster des Fischmarkts. StadtRad: 0 Cent. HVV: 2,30 Euro.

Wobei diese längeren Strecken eher nicht mit E-Tretrollern zurückgelegt werden. Laut einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Civity werden bei einer E-Scooter-Fahrt im Schnitt zwischen 1,82 und 1,93 Kilometer zurückgelegt. Mehr ist es nicht. Und vielleicht spielt der Preis dabei auch gar nicht so eine große Rolle. Vielleicht geht es nur darum, ein bisschen Spaß zu haben und schneller am Ziel zu sein – schneller als etwa zu Fuß.

E-Scooter Test in Hamburg

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    Manfred Braasch vom BUND sagt deshalb auch: „Die E-Scooter sind kein wirklicher Beitrag für die notwendige Mobilitätswende. Hamburg hat ein funktionierendes Fahrradleihsystem, und die viel zitierte letzte Meile könnte jeder Scooter-Nutzer auch zu Fuß gehen.“ Nach Informationen des BUND fahren nicht alle Scooter mit Ökostrom. Der Materialverschleiß sei offenbar hoch. Viele Roller würden nur drei bis vier Monate halten. Negativ für die Ökobilanz sei auch das Einsammeln und erneute Aufstellen der Roller mithilfe von benzinbetriebenen Autos, um die Batterien zwischendurch aufzuladen.

    Düstere Aussichten für Verleihdienste

    Und Fabian Spielberger von mydealz prophezeit: „Nutzt sich der Neuigkeitseffekt der Roller ab, werden es die Verleihdienste schwer haben, ihren Kunden zu vermitteln, wieso die Miete eines Tretrollers so viel kosten soll wie die eines Autos.“

    Noch ist es nicht so weit. Bei einer Kontrolle am Montag stellte die Polizei 15 Verkehrsverstöße von Scooter-Fahrern fest – und 184 Verstöße von Radfahrern. Weitaus häufigster Fehler: Die Radler waren verbotenerweise auf dem Gehweg oder in der Fußgängerzone unterwegs.