Hamburg. Anbieter der neuen Roller schult Kunden am Cruise Terminal Steinwerder erstmals in Sachen Sicherheit. Weitere Trainingstermine folgen.

Rauf stellen, mit einem Bein Schwung holen, den Gasschalter rechts an der Lenkstange hinunterdrücken und schneller werden, das war’s – und der weiß-grüne Roller fährt. Eigentlich kinderleicht.

Sabine Carstens aus Winterhude steht zum ersten Mal auf einem E-Scooter und hat es nach ein paar Runden raus. Hier auf dem Parkplatz B am Cruise Terminal Steinwerder ist die 50-Jährige eine von rund 30 Fahrschülern, die an einem Sicherheitstraining auf den Elek­trorollern teilnehmen. Denn: Elektroroller fahren ist zwar leicht, die 20 Kilometer pro Stunde schnellen Fahrzeuge im Stadtverkehr zu beherrschen dagegen scheint angesichts der hohen Unfallzahlen weitaus schwieriger zu sein. Der E-Scooter-Anbieter Lime reagiert und hat am Sonntag erstmalig in Hamburg das kostenlose Fahr- und Sicherheitstraining angeboten. Weitere Termine folgen.

Mutter und Tochter auf einem Roller, Vater und Sohn auf einem anderen. So düst die Familie am Sonntagnachmittag auf ihren zwei Elektrorollern über den Bürgersteig am Großen Burstah in der Innenstadt entlang. Ein Fahr- und Sicherheitstraining hat diese Familie nicht absolviert. Denn dann wüssten sie, dass Elektroscooter nur auf Straßen und Radwegen erlaubt sind und immer nur eine Person auf einem Roller fahren darf.

Rollerfahrer sind die Hölle pur für Autofahrer

Solche Szenen sind Sabine Carstens nicht fremd. Sie ist Radfahrerin und beobachtet täglich, wie unvorsichtig und verkehrswidrig sich viele Elektroroller-Fahrer verhalten. „Die geben mir als Radfahrer kein gutes Gefühl. Sie fahren kreuz und quer. Das ist gefährlich.“ Sie will es besser machen und ist deshalb zum Fahrtraining gekommen, bevor sie sich überhaupt mit einem Elektroroller auf die Straße wagt. Kurvenfahrten, Bremstraining und freies Training stehen auf dem Programm.

Moritz Oldenbürger übt auf einem E-Scooter das Kurvenfahren.
Moritz Oldenbürger übt auf einem E-Scooter das Kurvenfahren. © Andreas Laible/HA

Oliver Selck, Fahrlehrer bei der Academy Fahrschule, ist heute Lime Instructor und bringt als solcher seinen Schülern alles rund um den Scooter und das richtige Verhalten im Straßenverkehr bei. Denn auch wenn das Fahren kinderleicht ist, brauche es eben doch Training. Dabei sind die Regeln gar nicht schwer, und jeder Autofahrer hat sie schon in der Fahrschule gelernt. Oliver Selck zählt auf: „Am wichtigsten sind Vorsicht im Straßenverkehr und ständige Rücksicht. Das A und O ist es, sich als Elektrorollerfahrer zurückzunehmen und die Geschwindigkeit der Verkehrssituation anzupassen.“ Also nicht loszurasen und etwa durch Fußgängerzonen zu brettern. Ohnehin sind Bürgersteige für E-Scooter tabu.

In seinem Alltag als Fahrlehrer macht Oliver Selck keine guten Erfahrungen mit den Elektrorollern. „Für Autofahrer sind die E-Scooter die Hölle pur“, sagt er. Die Fahrer seien unberechenbar, wechselten abrupt vom Radweg auf die Straße, auf den Bürgersteig, gerade so, wie es für sie am praktischsten sei. Typisches Radfahrerverhalten nennt er das.

Eine verletzte Teilnehmerin muss versorgt werden

Genau deshalb will Lime­ diese Trainings regelmäßig anbieten. „Die Sicherheit ist wichtig für uns und ist ja auch zum Wohl der Kunden“, sagt Deutschland-Chef Jashar Seyfi. „Wir müssen sicherstellen, dass das verkehrssicher und geregelt abläuft.“ Auch soll die Zahl der Mitarbeiter, die sich um falsch abgestellte Scooter kümmern, erhöht werden. Derzeit hat die Firma nach seinen Angaben mehr als 1000 Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen. „Unsere Crew soll die Nutzer auch auf Fehlverhalten hinweisen“, sagt Seyfi. Schlagzeilen über schwer verletzte E-Scooter-Fahrer sind ja auch nicht geschäftsfördernd. Und so ist das Ziel des eineinhalbstündigen Trainings, aus den 30 Schülern sichere Fahrer zu machen. Dass sie alle Helm tragen, ist selbstverständlich. Denn die verschiedenen E-Scooter-Anbieter empfehlen diesen, auch wenn sie nicht rechtlich verpflichtend sind. Lime hat an diesem Tag für die Teilnehmer zusammenklappbare Exemplare mitgebracht, die sie nach dem Training behalten dürfen.

Die Verletzungsgefahr an diesem Sonntag lauert jedoch woanders. Als Carina Siemen mit dem Bein Schwung holt, prallt sie mit dem Fußknöchel gegen eine Schraube hinten am Roller. Es blutet, und ihr Fußgelenk muss verbunden werden. „Mit Badelatschen sollte man keinen E-Scooter fahren.“ Aber auch ihre Ballerinas haben nicht ausreichend Schutz geboten. Halb so schlimm, winkt sie ab und steigt wieder auf, um weitere Runden zu drehen. Es macht einfach zu viel Spaß. Dabei ist die 33-Jährige aus Wandsbek schon fast ein E-Scooter-Profi. Im Urlaub in Tel Aviv ist sie mit ihrem Freund E-Scooter gefahren. „Dort sind die schneller als bei uns“, sagt sie. Die Ingenieurin bei Lufthansa Technik würde mit einem solchen Roller gern von der S-Bahn zur Arbeit pendeln. Für die letzten Meter seien die Roller praktisch. Noch allerdings gebe es dort keine zu leihen.

Lime ist mit 25 Cent pro Minute am teuersten

Derzeit sind mehr als 2600 E-Scooter in Hamburg unterwegs. Seit dem Start sind die Leihgebühren angestiegen. Der Verleiher Lime ist mit 25 Cent pro Minute derzeit der teuerste.

Ein Grund für Anfängerin Sabine Carstens, ihrem Fahrrad treu zu bleiben. Ihr macht E-Scooter-Fahren Spaß, aber die Leihgebühr ist ihr zu hoch. Sie lacht und sagt: „Wenn wir es mal richtig krachen lassen wollen, leihen wir uns als Familie eben mal einen E-Scooter aus.“

Das nächste Training bietet Lime am Sonntag, 11. August, um 13 Uhr an. Der Ort wird noch bekannt gegeben. Buchbar über die App. Infos: www.community.li.me