Hamburg. Er kann rund 70  Prominente nachahmen, auch Helmut Schmidt und Karl Lagerfeld. Jetzt feiert der Parodist gleich doppelt Jubiläum.

Die alten Hasen vom nahen NDR-Funkhaus gehen hier zuweilen noch immer gern essen und trinken, auch Bandleader James „Hansi“ Last führte bei seinen Hamburg-Besuchen im Café und Restaurant Funk-Eck das eine oder andere Gespräch. Für Jörg Knör ist das traditionsreiche Lokal an der Ro­thenbaumchaussee an diesem Nachmittag (noch) Neuland. Die ruhigste Ecke des Cafés hat er dennoch schnell erspäht. Tischwechsel also.

Jörg Knör ist gern in Bewegung – da kommen ihm immer wieder neue Ideen. Egal ob er mit dem Rad um die Außenalster fährt oder per Bahn reist. „Ich fahre unglaublich viel Zug. Da kann ich abschalten, und nach drei bis vier Stunden ist fast immer eine neue Nummer für eine Show fertig“, erzählt er. Und nippt an einem Averna auf Eis.

Seit gut sieben Jahren bereist und bespaßt Knör das Land von der Hansestadt aus. „Ich bin mehr Hamburger als so mancher Taxifahrer“, sagt Knör, der Hamburg und seine Bühnen schon immer mochte. Ob ganz früher das kleine Macadam-Theater in der Altstadt, das längst verschwundene Zelttheater Fliegende Bauten gegenüber dem Heiligengeistfeld, Schmids Tivoli, Schmidtchen, die Komödie Winterhuder Fährhaus, das Bergedorfer Haus im Park oder das Harburger Theater.

„Arsch“ und „Eimer“

Parodieren, Karikieren, Singen und Saxofonspielen, das sind die Professionen und Passionen des gebürtigen Wuppertalers, der jahrzehntelang in Köln gelebt hat, ehe er 2012 nach Hamburg zog. Nach Eimsbüttel.

Als „König der Parodie“ ist Knör hierzulande bekannt geworden. 70 mehr oder weniger bekannte VIPs kann Knör in Tonfall und Wortwahl täuschend echt nachahmen, von Dieter Bohlen über den XXL-Fußball-Manager „Calli“ Calmund und Udo Lindenberg bis zu Otto Waalkes. Eine seiner Paradefiguren war und ist der im Februar gestorbene Modeschöpfer Karl Lagerfeld. Den gebürtigen Hamburger parodierte er vor acht Jahren auch im Format „Karl in the City“ für die NDR-Fernsehendung „DAS“.

Nach einem anstrengenden Drehtag lernte Knör an der Bar eines Hotels an der Alster jene Frau kennen, die der Hauptgrund für seinen Wechsel nach Hamburg ist: Kerstin (heute 54), als Frau Knör inzwischen seine dritte Gattin. Was ihr jetziger Ehemann beruflich genau macht, wusste sie damals noch nicht. „Arsch“ und „Eimer“ hätten sie später in ihre Eheringe eingravieren lassen, erzählt Knör verschmitzt grinsend. Es passte alles zwischen ihnen. „Bei mir steht Arsch“, fügt Knör hinzu. Ob dieses Spezialauftrags mussten auch die ­Mitarbeiter eines bekannten Hamburger Juweliers herzhaft lachen.

Seit 40 Jahren auf der Bühne

Noch lieber aber bringt Jörg Knör die Menschen auf der Bühne zum Lachen. Weil er das seit 40 Jahren macht und am 17. Juli auch seinen 60. Geburtstag feiert, hat er sein aktuelles Programm „Die Jahr-100-Show“ genannt. Gewissermaßen eine gespielte Biografie. Darin zeigt er Höhepunkte aus vier Jahrzehnten seines Künstlerlebens und das Beste aus seinen bisher 19 Soloprogrammen.

Ein Bilder-Ringbuch hat der „Filou“, so der Titel seines Vorgänger-Programms, zum Gespräch ins Café selbstredend mitgebracht. Und der vorige Untertitel „Mit Show durchs Leben“ trifft es auch. Knör ist ein Schlitzohr, dem man kaum böse sein kann. Er tourt immer noch gern, genießt den „Flirt mit dem Publikum“. Teils richtig unbequeme und tief schürfende Kabarettisten erhalten Kleinkunstpreise, der Komiker Knör bekam als jahrelang an der populären wöchentlichen RTL-Schwafelrunde „7 Tage, 7 Köpfe“ Mitwirkender den Bambi. Auch schon gut 20 Jahre her.

Er schreibt seine Nummern selbst

Knör ist einer, der alle seine Nummern und Songs selbst schreibt – anders als viele der heute von Gag-Autoren gepimperten Fernseh-Comedians. Er ist einer, der aus dem Vollen schöpfen kann – und das mit Anekdoten auch weidlich tut. Angefangen bei Rudi Carrell, in dessen Show „Am laufenden Band“ Knör 1975 als 15-Jähriger der bis dato jüngste Kandidat war. Als er hernach unter seinen Mitschülern von der Begegnung mit dem Holländer berichten sollte, entdeckte Knör sein parodistisches Talent. Der Entertainer, der heute selbst Holländisch spricht, deutet es am Tisch im Café an. Mit 17 wurde Knör im WDR jüngster Fernsehansager, erste Bühnenauftritte folgten 1979; zwei Jahre darauf begann im ARD-„Talentschuppen“ seine Showkarriere im damals noch castingfreien Deutschland.

Knörs Vorbild war und ist Loriot, der Deutschen liebster Humorist. Lange blieb geheim, dass Knör dessen Figuren „Wum & Wendelin“ in Wim Thoelkes ZDF-Show „Der Große Preis“ die Stimmen lieh. Ein langer Spaziergang im Schnee am Starnberger See mit Loriot nennt Knör – außer einer Privatshow mit Musical-Star Liza Minnelli („Cabaret“) in Essen und einer Fahrt im kaputten Mercedes mit Sänger und Entertainer Peter Alexander („Die kleine Kneipe“) – denn auch als Höhepunkte seiner Karriere.

Promis sind auch „Opfer“

Sieben Jahre lang rief Knör in „Der Große Preis“ nach „Thööölke“, der bis 1992 durch die Quiz-Sendung führte. „Wim Thoelke wollte, dass ich nach ihm den ,Großen Preis‘ moderiere“, erzählt Knör. „Aber dann haben sie einen noch Älteren genommen, den Kulenkampff.“ Knör, das lässt er durchblicken, hätte sich die Nachfolge durchaus zugetraut. Schließlich hatte er im ZDF zwei Jahre zuvor mit „Die Jörg Knör Show“ zehn Folgen lang seine eigene Sendung moderiert – mit bis zu 7,5 Millionen Zuschauern.

„Ich bin ja mein eigener Theaterchef mit einem höchst prominenten Ensemble“, hat Knör in einem früheren Abendblatt-Gespräch mal gesagt. Das gilt noch heute. Seit März tourt er mit seinem Jubiläumsprogramm, stets mit eigener Deko und mit einem Flatscreen, darauf 400 Bilder, private wie berufliche. Aber sind die parodierten Prominenten nicht auch „Opfer“? „Im gewissen Sinne: Ja. Aber das heißt ja nicht, dass ich sie nicht auch mag.“

Den Begriff Imitator mag er nicht

Beispiele gibt es einige. Inge Meysel etwa, auf deren Parodie der Künstler in der Vergangenheit zu Unrecht reduziert worden ist. Die einstige „Mutter der Nation“ habe er sich vor mehr als 20 Jahren mehr oder minder „aus Trotz“ draufgeschafft, erzählt Knör. Als er mit der heute­ längst vergessenen „Tagesschau“-Sprecherin Susan Stahnke für eine kurze Neuauflage das „ARD Wunschkonzert“ moderierte, war Knör von deren Meysel-Imitationen auf den Fahrten zur Probe derart genervt, dass er bei seinen Shows als Parodist zeigte, wie es richtig geht.

Den Begriff Imitator mag Knör für seine Kunst ohnehin nicht gelten lassen: „Imitationen gibt es am Strand von Mallorca“, sagt Knör. Inzwischen hat Altkanzler Helmut Schmidt als einer von Knörs liebsten Parodien Inge Meysel abgelöst – Knör deutet es am Tisch mit dem Halten der Zigarette an. „Seitdem rauche ich bei 120 Veranstaltungen im Jahr mindestens eine Zigarette – ohne Menthol“, wundert sich der Entertainer. Und das als Nichtraucher!

Ein gutes Dutzend Lieder

Seine Soloshow stützt sich zudem auf ein gutes Dutzend Lieder – auch Udo Lindenberg lässt grüßen. Knör schüttelt auf der Bühne Karikaturen quasi aus dem Ärmel. Auch im Alltag ist kaum jemand vor seiner Zeichenkunst sicher: Hunderte von Blättern, Servietten und Tellern hat er bereits bemalt – alles „Knörikaturen“. Und sein Privatleben findet sich auf der Bühne ebenfalls wieder.

„In meinem Leben habe ich außer schweren Krankheiten schon alle Katas­trophen durch“, resümiert Knör freimütig. „Zwei Insolvenzen, zwei Scheidungen – ich habe mich nie für Geld interessiert, dann passt man auch nicht so darauf auf“, lautet eine Erkenntnis. Mit fast 60 Jahren kann er so etwas sagen. Noch mit Mitte 40 dachte er sich: „Ich hätte das lieber nicht erlebt.“

Stattdessen zeige er jetzt eine große Offenheit, in seiner Show mache er sich fast nackig. „Welcher Künstler tut das sonst noch in Deutschland?“, fragt er. „Ich bewundere Leute, die sich mit ihren Fähigkeiten weiterentwickeln“, sagt Knör. Er selbst versucht auf der Bühne sein Herz zu öffnen. Von George Michaels Ballade „Jesus To A Child“ etwa hat Knör für sich eine eigene Version geschrieben: „Im Herzen noch ein Kind.“

Meister des familiären Patchworks

Richtig privat ist Knör nur bei seiner Geburtstagsfeier, aber das gleich dreimal. An diesem Montag feiert er in der niederländischen Stadt Vlissingen mit seiner Frau in seinen Ehrentag hinein – in einem zum Hotel ausgebauten alten Gefangenenturm. Dann feiert er mit seinen beiden Ex-Ehefrauen und seinen drei Kindern, darunter zwei erwachsene Töchter, in Köln.

„Ich möchte das gelebte Fotoalbum um mich haben“, sagt Knör. Alle drei Frauen und die Kinder verstehen sich gut, freut sich der Künstler. Der König der feinen Parodie ist offenbar auch ein Meister des familiären Patchworks. Eine weitere Feier für Hamburger Freunde und Wegbegleiter soll es dann genau einen Monat später an der Alster geben, in relativ kleinem Kreis.

Dazwischen und danach lebt sich Jörg Knör weiter auf der Bühne aus. Und wie hat er schon vor 17 Jahren mal in einem Gespräch gesagt: „Ich mache so lange, bis es den Leuten gefällt ...“

Nächste Woche: Dieter Hecking, Trainer des Fußball-Zweitligaclubs Hamburger SV