Hamburg. Wer Übergewicht vermeidet, sich ausgewogen ernährt und regelmäßig bewegt, reduziert sein Risiko für Typ 2 der Stoffwechselerkrankung.

Sie hatten alarmierende Zahlen mitgebracht, aber auch Appelle, dass sich viel Leid mit einfachen Maßnahmen wohl vermeiden ließe. Gleich drei Forscher informierten in der jüngsten Veranstaltung an der Gesundheitsakademie des Uniklinikums Eppendorf (UKE) über die Stoffwechselerkrankung Diabetes, die in verschiedenen Formen auftritt. Der Typ-2-Diabetes galt früher als Alterskrankheit, doch inzwischen trifft es auch junge Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder, insbesondere wenn sie übergewichtig oder fettleibig sind, wie Prof. Franz Rinninger erklärte, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Stoffwechselerkrankung beschäftigt.

„Wir sitzen zu viel und bewegen uns zu wenig“, sagte der Oberarzt. Vor allem Passivität in Kombination mit einer fett- und zuckerreichen Ernährung führe dazu, dass immer mehr Deutsche überflüssige Pfunde mit sich herumtragen – womit sie ein höheres Risiko für Diabetes haben, wie Rinninger sagte. Experten wie er gehen davon aus, dass parallel zum vermehrten Übergewicht die Zahl der Diabetiker weiter steigen wird.

2016 wurden 150.000 Menschen in Hamburg wegen Diabetes behandelt

Menschen hierzulande von Diabetes betroffen, dessen Formen gemeinsam haben, dass der Blutzuckerspiegel chronisch erhöht ist. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen sind an Typ-2-Diabetes erkrankt. In Hamburg waren deshalb 2016 rund 150.000 Menschen – etwa acht Prozent der Hamburger – in ärztlicher Behandlung, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Hamburger Gesundheitsbehörde hervorgeht.

Eine entscheidende Rolle für die Steuerung des Blutzuckerspiegels spielt die Bauchspeicheldrüse. Sie schüttet Insulin aus, sobald der Konzentration von Zucker im Blut ansteigt, weil wir Nahrung aufgenommen haben. Insulin schließt normalerweise die Zellen auf, so dass der Zucker in das Innere der Zellen gelangt. So landet er vor allem in den Muskeln und im Fettgewebe. Bei Übergewicht und Fettleibigkeit werden Muskeln und Fettgewebe allerdings unempfindlich gegen Insulin, die Wirkung des Hormons auf die Zellen lässt nach – dadurch steigt der Blutzucker, wie Rinninger erläuterte.

Möglichst viel Aktivität in den Alltag integrieren

Zwar spiele es eine Rolle, ob die Eltern oder Geschwister an Diabetes erkrankt sind. Erheblich wichtiger als unsere Gene sei aber unser Verhalten: Der schützende Einfluss des Lebensstils sei bei kaum einer anderen Erkrankung so groß, betonten neben Rinninger auch Oberärztin Dr. Jocelyn de Heer und UKE-Chef Prof. Burkhard Göke. Wer sich gesund ernähre, sein Gewicht in Grenzen halte und genügend bewege, halte drei Trümpfe zur Prävention von Typ-2-Diabetes in der Hand.

Rinninger verwies etwa auf die finnische Diabetes-Präventionsstudie, an der 522 Menschen teilnahmen, die durch ihr Übergewicht und eine gestörte Glukosetoleranz ein erhöhtes Diabetes-Risiko hatten. Sie wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Durch eine Diät und ein Bewegungstraining in der einen Gruppe entwickelte sich bei diesen Probanden innerhalb von drei Jahren deutlich seltener Diabetes als bei der Kontrollgruppe.

Empfehlenswert sei eine Ernährung mit viel Gemüse, mit Fisch anstelle von rotem Fleisch und Wurstwaren, Früchten als Dessert, ungesalzenen Nüssen, Olivenöl sowie Getreide- und Milchprodukten, sagte Jocelyn de Heer. Auf Bewegung als vorbeugende Maßnahme zu setzen, bedeute: „Sie müssen keinen Marathon laufen. Es bringt schon einiges, möglichst viel Aktivität in den Alltags zu integrieren.“

Diabetes ist immer noch eine unterschätzte Erkrankung

Bei einem schon bestehenden Typ-2-Diabetes könne eine mediterrane Ernährung den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen. Oft seien dann weniger Medikamente, gelegentlich sogar gar keine Arzneien nötig. Auch wenn der Diabetes bereits seit einigen Jahren bestehe, gebe es durch eine deutliche Einschränkung der Kalorienzufuhr, Gewichtsabnahme und mehr Bewegung zumindest für einen Teil der Patienten eine Chance, den Diabetes sogar loszuwerden, erklärten die UKE-Forscher.

Diabetes sei immer noch Erkrankung, die in der Bevölkerung „unterschätzt und nicht ernstgenommen“ werde, sagte UKE-Chef Burkhard Göke. Werde Diabetes nicht richtig behandelt, könne die Erkrankung „schreckliche Folgen“ haben. Eine zu hohe Zuckerkonzentration im Blut führe zu gefährlichen Ablagerungen und Veränderungen der Gefäßwände, wobei alle Blutbahnen betroffen sein können. Wie der Göke sagte, drohen schwere Schäden etwa an Nieren, Nerven, Augen und am Herzen. Werde die Erkrankung früh erkannt, ließen sich Spätfolgen mindestens abmildern. Franz Rinninger sagte, er kenne etliche etliche Patienten, die dank einer frühzeitigen Diagnose und guten Behandlung jahrzehntelang gar keine Schäden an Organen erlitten.

Patienten mit Typ-1-Diabetes sind meistens schlanke Menschen

Während Patienten mit Typ-2-Diabetes oft übergewichtig sind, handelt es sich bei Patienten mit Typ-1-Diabetes oft um schlanke Menschen. Ihr Blutzuckerspiegel ist erhöht, weil die Bauchspeicheldrüse kein oder zu wenig Insulin produziert. Das liegt daran, dass das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden Stellen zerstört – warum, ist unklar. Typische Symptome für beide Formen sind ein deutlich stärkeres und vermehrt auftretendes Durstgefühl, vermehrter Harndrang auch nachts und Müdigkeit.

Wenn die Basistherapie mit der Umstellung des Lebensstils alleine nicht mehr ausreicht, werden Patienten mit Medikamenten behandelt. Ein Wirkstoff der ersten Wahl sei Metformin, der bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werde, sagte Jocelyn de Heer. Als Nebenwirkungen können Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen auftreten. Reicht diese Therapie nicht aus, stünden Medikamente zur Verfügung, die auf dem Hormon GLP-1 basieren. Möglich sei auch eine Kombinationstherapie.

Patienten mit Typ-1-Diabetes brauchen regelmäßig Insulin. Bei Typ-2-Diabetes kommt eine Insulintherapie erst in Frage, wenn selbst die Kombinationstherapie mit Medikamenten nicht mehr ausreicht, wie Jocelyn de Heer sagte.

Gesundheitsakademie Der nächste Vortrag findet heute ab 18.30 Uhr statt. Das Thema: „Bis(s) ins hohe Alter – wie die Zähne gesund erhalten?“ Ticket pro Veranstaltung: 10 Euro (zzgl. Gebühren). Partner ist das Abendblatt. Karten gibt es an der Abendkasse, außerdem in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32 (Mo–Fr 9 bis 19 Uhr, Sa 10–16 Uhr) und bei der Abendblatt-Ticket-Hotline: 040/30 30 98 98. Veranstaltungsort: UKE, Gebäude N55, Martinistraße 52