Hamburg . Jörg Müller-Lietzkow möchte auch stärker mit der Wirtschaft kooperieren – und den Teamgeist an der kleinen Hochschule stärken.
Er will für ein neues Wir-Gefühl an der HafenCity Universität (HCU) sorgen: Jörg Müller-Lietzkow ist seit Dienstag neuer Präsident der kleinen Hochschule für Baukunst und Metropolenentwicklung, die schon mit etlichen Preisen für Studierende von sich Reden machte, aber auch mit heftigen Streitigkeiten. Aufgekratzt, fast euphorisch sprach der 49-Jährige nach seiner Vereidigung im Rathaus mit dem Abendblatt über seine Pläne. Der promovierte Betriebswirt studierte einst ergänzend an der Deutschen Trainerakademie in Köln. Das habe ihn sehr geprägt, sagt der Vater einer Tochter, der von der Uni Paderborn nach Hamburg gewechselt ist.
Bei den Streitigkeiten an der HCU hatten etliche Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeiter und Studierende dem Präsidium vorgeworfen, es agiere autoritär und intransparent. Wie verstehen Sie Ihre Rolle als neuer Präsident?
Jörg Müller-Lietzkow Ich möchte gemeinsam mit allen Statusgruppen der Hochschule das nächste Kapitel der HCU schreiben. Das ist keine hohle Phrase. Es ist geliehene Macht auf Zeit, die einem Hochschulpräsidenten gewährt wird. Das ist ein sehr wertvolles Gut, mit dem man angemessen umgehen sollte. Ich möchte keine eigene Agenda durchsetzen, sondern Lehrende und Lernende dabei unterstützen, sich zu entfalten, zu verbessern und kreativ zu sein. Von meinen Ausbildern an der Trainerakademie in Köln habe ich das Credo übernommen: Wenn Erfolg da ist, haben die Athleten das geleistet und bekommen dafür alle Anerkennung. Als Trainer darfst du dich nach hinten stellen und leise mitfreuen. Aber wenn es schlecht läuft, bist du der erste Schutzschild und trägst die Verantwortung dafür, Probleme aus der Welt zu schaffen, selbst wenn du nichts dafür kannst. So will ich es an der HCU halten.
Sie gelten als Digitalexperte, sind Mitglied der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Bundestages. Was bringt ihre Expertise der HCU als Hochschule etwa für angehende Architekten, Bauingenieure und Stadtentwickler?
Ich beschäftige mich seit 2014 mit dem Thema Smart City, also dem Ansatz, Städte mithilfe neuer Technologien lebenswerter zu machen. Neue Bauvorhaben, Gesundheits- und Freizeitangebote, der Verkehr in einer Stadt – all das lässt sich mit der Digitalisierung verbinden, und es betrifft Forschung und Lehre an der HCU. Neben meinen Aufgaben als Hochschulleiter wäre es für mich eine wunderbare Querschnittsaufgabe, mein Wissen mit einzubringen, sofern dies an der Hochschule gewünscht ist.
Nach Ansicht des Wissenschaftsrats kam es in der Lehre der HCU zu „teilweise existenzbedrohenden Einbußen“, die finanzielle Situation sei „nicht tragbar“, hieß es 2016. Steht die HCU finanziell bald besser da?
Bisher erhält die HCU zusätzlich zu ihrer Grundfinanzierung von der Stadt eine „Strukturhilfe“ von drei Millionen Euro pro Jahr. Die Wissenschaftsbehörde würde diesen Zuschuss verstetigen, wenn wir uns auf ein Zukunftskonzept verständigen. Einen solchen Plan möchte ich nun gerne mit allen Statusgruppen der Hochschule erarbeiten. Inwieweit wir außerdem in der Forschung mehr Drittmittel einwerben könnten, muss ich mir genauer anschauen. Ich habe zuletzt etwa Gespräche mit einem Konsortium aus Industrievertretern und Verbänden geführt, das Interesse an unserer Expertise hat. Allerdings muss grundsätzlich klar sein: Wir sind eine Universität, kein Beratungsbüro. Wir haben unsere eigenen Ansprüche und Spielregeln. Unter dieser Voraussetzung könnten wir stärker mit der Wirtschaft kooperieren. Um als kleine Uni mehr zu erreichen, werden wir auch gemeinsam stärker forschungsstrategisch denken und größere Verbünde anstreben müssen.
Müsste die HCU nicht stärker mit anderen Hamburger Hochschulen kooperieren?
Ich bin dafür und hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen das mitmachen. Es ist besser, Offenheit zu zeigen, als sich einzuigeln. Mein Appell an die Forscher der HCU ist: Lasst uns gemeinsam auch mit Dritten etwas Größeres ansteuern.
In einem weiteren Gutachten im Jahr 2017 hieß es, mit Blick auf die Größe der HCU sei das Studienangebot „zu sehr ausdifferenziert“. Werden Sie Studiengänge streichen?
Die HafenCity Uni bietet fünf Bachelor- und sechs Masterstudiengänge an. Die Angebote teilweise neu zu organisieren – das ist denkbar. Studiengänge einzustellen, wäre aber falsch. Damit würden wir uns Strahlkraft und Attraktivität nehmen. Mir gefiele es besser, wenn wir etwa weitere Schnittstellen zu anderen Hochschulen schaffen würden und eben auch in der Lehre mit akademischen Partnern in Hamburg kooperieren. Bei meiner Bewerbung um den Präsidentenposten habe ich klar gesagt, dass ich mir für die HCU eine wachstumsorientierte Perspektive wünsche. Mittelfristig kann ich mir sogar eine Ausweitung unseres Angebots vorstellen.
An welcher Stelle?
Die HCU sollte das Querschnittsthema Digitalisierung stärker annehmen. Daraus könnte sich etwa eine Ausweitung der Fachbereiche Geoinformatik und Geodäsie ergeben oder ein neues Studienangebot. Das sage ich aber sehr vorsichtig, weil mir noch Informationen fehlen. Warum dieser Bereich? Nehmen wir noch einmal das Thema Smart City: Es fehlt in den Städten an Fachleuten, die eine Expertise etwa in Architektur, Bauingenieurwesen oder Stadtplanung haben und gleichzeitig mit Digitalisierungsthemen, wie künstlicher Intelligenz, nicht nur vertraut sind, sondern diese auch weiterentwickeln können. In der Ausbildung stärker auf diese doppelte Qualifizierung zu setzen, könnte für die HCU ein hochattraktives Feld sein.
Bei der Gründung der HCU 2006 hieß es, die Hochschule solle auch im internationalen Kontext exzellent sein. Kann die HCU das als so kleine Hochschule mit weniger als 50 Professuren überhaupt?
Gegenfrage: Wie viele kleine Unis weltweit kooperieren mit dem renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge – so, wie wir es tun? Ich finde das beeindruckend. HCU-Forscher haben auch Fördergeld im Rahmen der Horizon 2020-Initiative der EU-Kommission eingeworben. Der Auftrag zur Internationalisierung in der Forschung wird an der HCU ernstgenommen. Ob wir das ausbauen können, werde ich prüfen. Inwieweit es auch stärker gelingen müsste, Studierende aus dem Ausland anzuziehen, muss ich mir auch näher anschauen. Mein persönliches Ziel ist es, meine Partneruniversität in den USA, das Rochester Institute of Technology (RIT), auch für eine Zusammenarbeit mit der HCU zu gewinnen. Das RIT ist daran interessiert – das ist doch ein guter Anfang.