Hamburg . Während die HSV-Fans über “Hamburg, meine Perle“ debattieren, bereitet sich Lotto King Karl auf sein 50. Konzert im Stadtpark vor.

Lotto King Karl ist der moderne Hamburger Volkssänger: Seit seiner ersten Single „Ich hab’ den Jackpot“ 1995 trat der – in Winterhude lebende – Barmbeker Jung viele hundert Mal in der Hansestadt auf. Sein Wohnzimmer ist allerdings die Stadtparkbühne, dort gibt der 52-Jährige Stadionsprecher des HSV am Sonnabend sein 50. Konzert, ein einsamer Rekord vor Dieter Thomas Kuhn, der im September auf 33. Shows kommen wird – und vor Toto mit vier Auftritten. In der Hochphase zwischen 2005 und 2011 gab Lotto mit seiner Band Barmbek Dream Boys jährlich vier bis fünf Stadtparkkonzerte, aber nicht mal ein König ist davor gefeit, auf den Prüfstand zu kommen.

Wir trafen ihn zum Rück- und Ausblick auf 50 sehr, sehr lange Abende auf Hamburgs schönster Bühne, kurz bevor die Debatte unter HSV-Fans und -Funktionären um die Zukunft von „Hamburg, meine Perle“ als Teil der Stadionshow eskalierte (abendblatt.de berichtete). Aber sicher ist: Beim Jubiläumskonzert wollen alle das Lied hören. Das wichtigste Konzert ist für Lotto King Karl das nächste, und das ist im Stadtpark und nicht im Volkspark.

Hamburger Abendblatt: Lotto, am 15. Juni spielst Du mit den Barmbek Dream Boys Dein 50. Konzert auf der Stadtparkbühne. Kann man sich da überhaupt noch an einzelne Auftritte erinnern?

Lotto King Karl: An den ersten ganz sicher. Danach verschwimmt das alles zu Einzelbildern. Wir reden hier ja von über 150 Stunden Spielzeit nur im Stadtpark, dazu kommen ja noch viele weitere Konzerte in den vergangenen 18 Jahren.

Das erste Konzert war am 15. September 2001, die damalige Vorband Prollhead bestand aus beinharten St.-Pauli-Fans.

Lotto: Das war eine tolle Band, darauf kommt es an. Ich habe auch schon bei meinen Konzerten in der ersten Reihe Leute mit St.-Pauli-Shirts gesehen, und über die freue ich mich immer ganz besonders: Die kommen auf jeden Fall, weil ihnen meine Musik gefällt.

Dein Versprechen vor der Stadtpark-Premiere war: „Erst wird auf’n Tisch gehaun, dann gibt es Hits, die die Leude kennen, anschließend wird es wirrer, und dann kommt der lange Zugaben-Part“. Das ist bis heute so geblieben, oder?

Lotto: Ja, bis auf die Hits, die hatten wir damals noch nicht, die kamen erst später, haha. Immerhin gab es schon „Fliegen“ und „Wieder im Ballbesitz“ und „Keine Grenzen, keine Zäune“ haben wir rund um Konzerte im Stadtpark veröffentlicht.

Mein Eindruck ist, dass einige Stadtparkbesucher nur vorbeikommen, um sich einen reinzuknattern und drei Stunden auf „Hamburg, meine Perle“ zu warten. Enttäuscht Dich das als Künstler?

Lotto: Nein, denn ohne das Lied würden die ja nicht kommen. Natürlich kann sich so ein Lied auch als Fluch erweisen, für mich ist er aber eine Einladung, sich auch drei Stunden meine anderen Lieder anzuhören. Da müssen die durch.

Musikalisch und als Sänger bist Du seit dem Album „Ikarus“ 2006 besser und vielseitiger geworden. Feinschliff durch endloses Livespielen?

Lotto: Ja, ganz bestimmt. Auch die Barmbek Dream Boys und Girls. Wir hängen ja, auch wenn der Kader variabel ist, viel zusammen, gehen auseinander, treffen uns wieder und bringen neue Ideen mit. 25 Jahre das Gleiche spielen, dafür sind wir die falsche Band. Da müßte man dann schon ein ganz eigenes Ding erfinden und die Musikgeschichte auf den Kopf stellen, so wie AC/DC oder Pink Floyd – aber das ist uns leider noch nicht gelungen.

2006 hast Du fünf Mal im Stadtpark gespielt, dazu auch noch in der Barclaycard Arena. Der HSV belegte Platz 3, Barbarez und Van der Vaart waren Stars. War das das Sommermärchen von Lotto King Karl und dem HSV?

Lotto: Das war auf jeden Fall ein tolles Jahr. Da haben wir drei Abende hintereinander im Stadtpark gespielt, da stehst du täglich mit Soundcheck acht Stunden auf der sehr, sehr harten Ziegelbühne. Am Ende tat mir wirklich jeder einzelne Knochen weh, das würde ich heute nicht mehr machen.

War es aus heutiger Sicht ein Nachteil, der „HSV-Barde“ zu sein? Teile der Fans wollen offensichtlich, dass „Hamburg, meine Perle“ nicht mehr bei Heimspielen im Volksparkstadion gespielt wird.

Lotto: Dazu kann ich mich derzeit nicht äußern. Und nur drei Prozent meiner Lieder sind Fußballsongs ...

… dazu kommt noch „Wer wird Deutscher Meister?“...

Lotto: … das spielen wir schon seit Jahren nicht mehr. Das wäre ja Slapstick, wobei es ist ja nicht so ist, dass wir es nie wieder spielen würden. Aber ich gehe ja auch noch zu Barmbek-Uhlenhorst, wenn auch zu wenig derzeit durch den Zweitliga-Spielplan. Da hört man „Mitten in Barmbek“, das ist nicht mal ein Fußball-Lied.

Könnte es denn noch schlimmer kommen „ohne Fußball und Dosenbier“, wie Du singst?

Lotto: Ja. Natürlich macht es einem der moderne Fußball nicht immer einfach, aber am Ende stehen 22 Menschen 90 Minuten auf dem Platz, und ich freue mich einfach nur, wenn es ein schönes Spiel ist.

Würdest Du jemals „You’ll Never Walk Alone“ spielen?

Lotto: Nein, aber ich liebe das Lied, und es hat überall seine Berechtigung, wo es gesungen wird. Am Ende des Tages ist es aber die Hymne vom FC Liverpool, es steht sogar im Vereinswappen. Und viele HSV-Fans über 50 aus meiner Generation sind ja auch Liverpool-Fans, seit Kevin Keegan 1977 von der Anfield Road zu uns gekommen ist.

Was hältst Du denn von Jan Delays Werder-Hymne „Grün weiße Liebe“?

Lotto: Oh, die ist sehr gut. Das ist ja weniger eine klassische Kurvenhymne, sondern eine schöne Hommage an Werder.

In Deinem jetzigen Rhythmus brauchst Du noch 25 Jahre bis zum 100. Stadtpark-Konzert. Ziehst Du das durch?

Lotto: Da muss ich mal rechnen … dann bin ich fast 80. Wir gucken mal, wie weit wir laufen können.

Dein erstes Konzert war auch im Grünen, 1995 bei Michael Ammers „Feuerspielen“ in den Wallanlagen.

Lotto: Haha, das war sehr skurril. Wir haben uns da durch anderthalb Maxi-Singles ausgestreckt auf eine halbe Stunde gehangelt. Scooter war übrigens auch dabei, die sind seitdem eine wirklich große Nummer geworden. Wir laufen uns immer noch über den Weg, 2010 beim Bispinger Open Air zum Beispiel. Der Veranstalter hatte uns und Scooter gebucht, weil er uns tatsächlich 1995 in den Wallanlagen zusammen gesehen hat.

Seit 1995 hast Du zwischen München und Flensburg, Wacken und Kayhude, Logo und Volksparkstadion an jeder Bierkanne gespielt. Warum wurde ausgerechnet der Stadtpark Dein zweites Wohnzimmer? Da gibt es ja nicht mal Dein Lieblingspils Holsten.

Lotto: Der Stadtpark liegt fußläufig zu meiner Wohnung, ich spiele da seit 18 Jahren, ich höre und sehe die ganzen anderen Konzerte dort – so entsteht Heimat. Außerdem bringen wir unser eigenes Bier mit: Holsten steht in der Bühnenanweisung.

Du bist einer der wenigen Künstler, die bereits die Stadtpark-Sperrstunde von 22 Uhr überschritten haben. Was kostet denn der Spaß?

Lotto: Wir haben Uhren auf der Bühne, und wir legen es auch nicht darauf an, zu überziehen. Drei oder vier Mal waren wir fünf Minuten drüber bei „Hamburg, meine Perle“, aber uns wurde angezeigt, das das noch okay ist. Das habe ich übrigens in Kiel anders erlebt. Das war unser erstes richtig großes Konzert, 2000 während der EM. Platz für 7000 Leute, Viva 2 wollte mitfilmen, große Nummer. Was passierte? Deutschland schied gegen Portugal aus, eine Stunde bis Konzertbeginn und der Platz war leer! Aber dann kamen die Kieler, Megastimmung. Doch plötzlich wurde einfach der Strom abgeschaltet. Mittendrin. Feierabend! Wir haben dann in drei Megafone gespielt. Aber mittlerweile kennen wir unsere Länge, wir können auch mitten im Set kürzen, wenn ich wieder zu viel gesabbelt habe. Aber wenn wir wenige Minuten zu früh aufhören, kommen Kommentare, warum es denn heute so kurz war.

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Müsst Ihr mittlerweile auch leiser im Stadtpark spielen als 2001?

Lotto: Ja, leider. Ich bin ja auch Anwohner und weiß, dass das manchmal nervt. Aber Ich würde auch gern so laut spielen wie die Stones, gleiches Recht für alle. Mir war jedenfalls klar, als die Bäume am Haupteingang gekappt wurden und der Alte Güterbahnhof bebaut, dass es Probleme geben wird. Aber wenn Du auch Kultur im Stadtpark haben willst, muss man Kompromisse eingehen. Das gilt für Bands, Fans, Veranstalter und Anwohner.

2009 hast Du gesagt: „Ein Ort, an dem ich wohl nie spielen werde, ist wahrscheinlich die Elbphilharmonie“. Bleibt es dabei?

Lotto: Ich war ja 2010 bei Richtfest eingeladen und dann nie mehr. Aber mit Konzerten von Einstürzende Neubauten oder Palais Schaumburg hat sich die Elbphilharmonie in eine Richtung entwickelt, wo es auch für uns interessant wäre, da mal zu spielen.

Welche Bühne fehlt Dir noch?

Lotto: Ich hätte schon gern genug Fans für ein Konzert in Wembley, mein Queen-Moment, U2, Live Aid. Als wir 2007 bei Live Earth im Volksparkstadion gespielt haben, musste ich an Queen denken und habe ebenfalls versucht, in zehn Minuten so viel Eier zu zeigen wie sonst in drei Stunden. Viel Jägermeister, alles reinlegen, Hamburg-Fahne schwenken – in Deutschland wurde das gar nicht übertragen. Aber in New York wurde ich oft darauf angesprochen, das soll tatsächlich auf der Leinwand im Yankee-Stadium zu sehen gewesen sein. Aber: Das wichtigste Konzert ist immer das nächste.

Das 50. Konzert im Stadtpark. Ein wohl nie mehr zu knackender Rekord.

Lotto: Möglicherweise nicht. Ich habe am letzten Wochenende sogar einen Witz darüber gehört: Kennst Du eigentlich den Unterschied zwischen Mick Jagger und Lotto King Karl?

Sag an?

Lotto: Mick Jagger muss Karten verschenken um den Stadtpark voll zu kriegen.