Hamburg . Ein vielfach vorbestraftes Pärchen lernte eine 19-Jährige an. Diese sagte jetzt als Hauptbelastungszeugin vor Gericht aus.
Ohne die gute Ausbildung eines Neueinsteigers läuft gar nichts. Für die Chefs ging es darum, möglichst erfolgreich einen Job zu erledigen – in ihren Augen vielleicht auch so eine Art Berufsehre. Tatsächlich jedoch hatte die Tätigkeit, für die das Pärchen seine neue Mitarbeiterin schulte, mit Ethos und Anstand so rein gar nichts zu tun, im Gegenteil. Die intensive Einweisung ihres Schützlings gehörte zu einem skrupellosen und perfiden Plan. Denn die junge Sonia M. (alle Namen geändert) sollte einem vielfach vorbestraften Paar bei Trickdiebstählen helfen. Als ihre Opfer wählten die Auftraggeber möglichst alte und hilfsbedürftige Frauen und Männer aus.
So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft, die Elena N. und Dorian T. wegen gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagt hat. Für die 41 Jahre alte Frau und ihren vier Jahre älteren früheren Partner ist die Rolle als Beschuldigte in einem Strafprozess nicht neu. Beide sind vorbestraft, der 45-Jährige unter anderem wegen Körperverletzung, aber auch wegen Diebstahls. Seine 41 Jahre alte frühere Partnerin sitzt seit Januar 2017 mehrere Haftstrafen ab, wegen Trickdiebstahls.
Die beiden Angeklagten wollen mit den Taten nichts zu tun haben
Und so scheinen die neuen Vorwürfe genau in den Lebensentwurf der beiden zu passen. Laut Anklage nutzten sie im Jahr 2016 die Bekanntschaft mit einer damals 19-Jährigen, die in der Altenpflege arbeitete, für ihre Beutezüge. Die junge Frau, so das Kalkül, würde von den betagten Menschen in die Wohnung hereingelassen. Dann sollte die Mittäterin die Tür offen stehen lassen, sodass ihre Komplizen unbemerkt hereinschlüpfen und die Zimmer nach Wertsachen durchsuchen konnten.
Doch die beiden Angeklagten wollen mit den Taten nichts zu tun haben. Die Frau mit den blondierten langen Haaren und ihr Ex-Partner, ein schmaler Mann, der kaum still sitzen kann, schweigen zu den Vorwürfen. Ihre Blicke ruhen nun auf der jungen Frau, deren Zeugenaussage großes Gewicht haben wird. Sonia M. wurde über ihre DNA als Täterin ermittelt und bereits in einem gesonderten Verfahren zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. In ihrem damaligen Prozess hatte sie die Verdächtigen Elena N. und Dorian T. als Mittäter benannt. Sie habe schließlich deren Namen offenbart, weil ihre Familie weinte, als sich abzeichnete, dass sie im Knast landen könnte, sagt die junge Frau jetzt. „Ich hatte Angst, dass meine Mutter vor Kummer krank wird.“
Die Zeugin wurde von den beiden Angeklagten „angelernt“
Sie wurde regelrecht von den beiden Angeklagten „angelernt“, erzählt die Zeugin. Vor allem wurde ihr eingeschärft, möglichst keine Spuren zu hinterlassen, also: „Haare zusammenbinden und nichts anfassen, um keine DNA zu liefern.“ Um eine spätere Täterbeschreibung für die betagten Opfer möglichst schwierig zu machen, wurde ihr aufgetragen, den Senioren nicht in die Augen zu blicken. Zur „Ausbildung“ gehörte auch, wie sie sich als Mitarbeiterin eines Pflegedienstes ausgeben sollte. Oder sie bot an, beim Hereintragen von Einkäufen zu helfen.
Dann sollte sie die Opfer ablenken, damit ihre Komplizen sich unbemerkt hineinschleichen und Geld und Schmuck stehlen konnten. „Die machen das schon jahrelang so“, sagt Sonia M. über die Angeklagten. Sie selber habe sich von Elena N. überreden lassen, bei den Trickdiebstählen mitzumachen. „Ich war mit ihrer Tochter befreundet.“ Und Dorian T. habe ihr immer wieder geschmeichelt.
Ein 87-Jähriger wurde durch die Trickdiebe um 57.000 Euro gebracht
Manchmal seien sie vier bis fünf Stunden gemeinsam herumgelaufen oder von Dorian T. chauffiert worden, um geeignete Opfer auszuspähen. Bei einer 91-Jährigen erbeuteten sie eine Kassette mit 18.000 Euro in bar. Einer 82-Jährigen stahlen sie Goldschmuck im Wert von mehr als 4000 Euro, alles Erinnerungsstücke an ihren verstorbenen Mann. Und ein 87-Jähriger wurde durch die Trickdiebe sogar um 57.000 Euro gebracht. Er hatte das von seinem Sohn über Jahre zusammengesparte Geld im Schrank aufbewahrt.
Dass er seinem Sohn den Verlust des Geldes beichten musste, brachte den alten Mann in eine derartige Lebenskrise, dass er Suizid begehen wollte. Sie habe, als sie in ihrem eigenen Prozess von dem Leid der Opfer hörte, „Wut, Trauer und Ekel empfunden“, sagt Sonia M. als Zeugin. „Die Leute haben mir leidgetan.“
Der Staatsanwalt bezeichnet die Taten als „absolut skrupellos und besonders verwerflich“. Gerade alte Menschen könne es in echte Not bringen, wenn man sie um ihr Erspartes bringt, so der Ankläger, der eine vierjährige Haftstrafe für beide Angeklagten fordert. Am Ende verhängt die Kammer für beide Angeklagten drei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe. Das Gericht habe der Darstellung der Hauptbelastungszeugin vollständig geglaubt, betont die Vorsitzende Richterin. Mit ihren Trickdieben hätten Elena N. und Dorian T. „die Schwächsten und Wehrlosesten der Gesellschaft ausgenutzt. Das zeugt von hoher krimineller Energie und Skrupellosigkeit.“