Hamburg. Geschäft feiert 100-jähriges Bestehen. Mitarbeiter erinnern an skurrile Aktion und erzählen, warum gute Weine auch Frauensache sind.
Eine Frau mit Kinderkarre und Coffee-to-go-Becher betritt den Laden am Eppendorfer Baum: die typische Kundin im Weinhaus Gröhl. Während die Mutter den passenden Wein zum Abendessen aussucht, spielt das Kind mit der Brio-Bahn in der einen Ecke des Ladens. Gute Weine werden immer mehr zur Frauensache, sagen die beiden Chefs Holger Bracker und Heinrich Püplichhuisen. Ihr Weinhaus am Eppendorfer Baum, eine Hamburger Institution, ist gerade 100 Jahre alt geworden. Im vergangenen Jahrhundert hat sich beim Thema Wein viel getan.
Ein ganz schön cleverer Schachzug ist das von Holger Bracker: Im hinteren Teil des 180 Quadratmeter großen Ladens ist eine Brio-Eisenbahn aufgebaut. Sehr anziehend für kleine Kinder. Und so kommen diese gern mit ihren Müttern in den Weinladen.
„Die wollen dann gar nicht mehr raus oder wollen unbedingt rein, wenn sie hier vorbeikommen“, sagt Holger Bracker und lacht. Fehlenden Geschäftssinn kann man ihm nicht vorwerfen. Er weiß, wie er schon die ganz Kleinen für seinen Laden begeistert. Und als die Foo Fighters vor einem Jahr in Hamburg spielten, hatte das Konzert ein skurriles Nachspiel: Vor dem Geschäft versammelten sich im Juni 2018 Dutzende Foo-Fighters-Fans. Der Grund: Frontmann Dave Grohl hatte beim Konzert erwähnt, dass ihm das Eppendorfer Geschäft aufgefallen sei, und die Zuhörer aufgefordert, sich dort um 12 Uhr einzufinden. Man solle einfach sagen, man kenne Dave Grohl, und bekomme dann ein Glas Wein aufs Haus.
Gröhls betrieben seit 1690 Weinanbau in Rheinhessen
Bracker war zur der Zeit in seinem Ferienhaus an der Ostsee. Er reagierte professionell und löste Grohls Versprechen ein. „So etwas kann man sich marketingtechnisch nicht ausdenken“, freut sich der 58-Jährige immer noch. Googelt man Weinhaus Gröhl, erscheinen zig Artikel zu diesem unfreiwilligen und vielleicht auch daher so guten PR-Coup. 50 Liter Wein schenkte Bracker vor einem Jahr den Fans aus. Er hätte auch noch mehr gespendet. Sogar Dave Grohl war damals noch einmal aufgetaucht.
Dieser Tag war ein Höhepunkt in der langen Geschichte des Weinhauses, die zurückgeht bis ins Jahr 1493. Die Gröhls waren in Rheinhessen angesiedelt und betrieben seit 1690 Weinanbau. Das Geschäft in Hamburg wurde dann 1919 von Wilhelm Gröhl eröffnet und lag von Anfang in Harvestehude.
Die Kunden kamen damals wie heute aus Hamburg und dem Norden. In den 1970er-Jahren wurde das Weinhaus zu Hamburgs erster Adresse für internationale Weine, erzählt Marianne Gröhl, die ehemalige Inhaberin. „Wir belieferten nicht nur unsere Kunden in der Stadt, die Hamburger Universität oder die Passagierschiffe im Hafen, sondern auch Kunden in Norwegen oder Japan und Königin Friederike von Hannover in Griechenland. Es war eine unglaubliche Zeit.
Weintrinken ist wieder hip geworden
Und heute? Seit 19 Jahren führen Holger Bracker und Heinrich Püplichhuisen das Geschäft, haben vor drei Jahren eine zweite Filiale am Eppendorfer Weg in Hoheluft-West eröffnet. Weitere Expansion nicht ausgeschlossen, allerdings mit Bedacht. „Wir haben schon viele Geschäfte öffnen und wieder schließen sehen“, sagt Bracker. „Einfach nur selber gern Wein trinken, reicht eben für ein erfolgreiches Geschäft nicht aus.“
Bracker hat Weinanbau studiert. Die 13 Mitarbeiter im Verkauf sind alle ausgebildete Fachleute, darunter Weinakademiker und Sommeliers. Die Kunden, sagt Holger Bracker, sind nicht nur weiblicher, sondern auch jünger geworden. „Durch das viele Reisen kennen sich auch 25-Jährige gut mit Weinen aus.“ 1200 Weine sind im Sortiment. „Seitdem Weintrinken und eine gute Beratung auch in der jüngeren Generation wieder hip geworden sind, kommen viele von ihnen zu uns“, sagt Püplichhuisen.
Weine aus Ungarn und Slowenien sind im Kommen
Einen kleinen Teil ihres Geschäfts machen sie in der Gastronomie, 80 Prozent aber sind Endverbraucher. Und die stehen derzeit auf deutsche Weine, auf Rosé nicht nur im Sommer und wieder verstärkt auf Bordeaux. Dabei, da sind sich Bracker und Püplichhuisen einig, sind Weine aus Osteuropa im Kommen – aus Ungarn, Rumänien oder Slowenien. „Die haben ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, haben aber noch nicht den Markteingang gefunden“, so Bracker. Sein Tipp: einen Rotwein aus Ungarn und einen Sauvignon-Blanc aus Slowenien. „Noch kaufen die Kunden dann eher den Wein aus Österreich“, so Püplichhuisen. Weintrinker sind misstrauisch.
Nicht nur mit Wein kennen sich die Herren aus, sondern auch mit Spirituosen. Der neueste Schrei: Korn aus Fässern. Gin und Whiskey sind immer noch in, aber Korn holt auf. „Korntrinker sind die, die Whiskey trinken, aber nicht kaufen wollen.“ Der teuerste Whiskey liegt hier bei 450 Euro für 0,7 Liter. Was die beiden sich für die Zukunft wünschen? „Dass es Gröhl auch in 100 Jahren noch gibt.“