Hamburg. Spitzenpolitiker und Prominente gehen in der gelben Villa ein und aus. Der Dresscode ist im Laufe der Jahre gelockert worden.
Der Anglo-German Club ist eine Institution. In der gelben Villa am Harvestehuder Weg geben sich Spitzenpolitiker, Wirtschaftsbosse, der Adel und Prominente aus dem In- und Ausland die Klinke in die Hand. Das herrschaftliche Haus ist der Ort für vertrauliche Besprechungen, Empfänge, Festessen, Firmenjubiläen und Geburtstage. Außerdem sind da die rund 1200 Clubmitglieder, die sich dort zum Essen, zu Gesprächen und Vorträgen treffen.
Der Garten mit Alsterblick gehört zu den Top-Hochzeitslocations in der Hansestadt, von etwa 80 Feiern pro Jahr ist die Rede. Der Herr über all diese Festlichkeiten ist Gerald Pütter. Der 54-Jährige ist der Chef der „Gastronomie Pütter im Anglo-German Club“ und die besteht in diesen Tagen seit 50 Jahren. Dieses besondere Jubiläum wird Pütter in der nächsten Woche gemeinsam mit Kollegen, Lieferanten, ehemaligen Mitarbeitern und Gästen gebührend feiern. Natürlich wird auch sein heute 87 Jahre alter Vater Eberhard dabei sein, der Gründer des Unternehmens.
Doch vorher empfängt Pütter das Abendblatt zum Gespräch. Er bittet in das Restaurant. Der imposante Kronleuchter an der Stuckdecke fällt ins Auge, die Wände sind mit Marmor verkleidet. Die bodentiefen Fenster geben den Blick auf die Außenalster frei. Die Tische sind mit weißen Tischdecken, akkurat gefalteten Stoffservietten und Silberbesteck eingedeckt: „Es ist ein Privileg, dass man an diesem besonderen Ort Gastronom sein darf. Zum einen sind da unsere Clubmitglieder, die oft schon seit Generationen diesem Haus verbunden sind, und zum anderen kommen jeden Tag wieder neue spannende Gäste.“
Anfang der 90er hatten Frauen mittags keinen Zutritt
Diskretion ist hier Ehrensache. Dabei könnte Pütter, der jetzt seit 27 Jahren im Geschäft ist, ein unterhaltsames Buch über seine Erfahrungen schreiben. Er hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach zu Gast, natürlich war Helmut Schmidt häufig dort. Staatsmann Michail Gorbatschow schaute vorbei. Die inzwischen verstorbene Schauspielerin Farah Fawcett brachte einen Hauch von Hollywood in den Anglo-German Club. Die Hamburger Bürgermeister gehören hier quasi zum Inventar. Die deutschen Bank-Chefs Jürgen Fitschen und Josef Ackermann haben hier Gespräche geführt, als sie noch im Amt waren.
Innensenator Andy Grote hat hier geheiratet, auch Tagesschau-Sprecher Jan Hofer feierte seine Hochzeit vor Kurzem im Anglo-German Club. Prinzessin Anne, Tochter von Queen Elizabeth II., war 2017 bei der Garden-Party dabei. Autogramme würde sich Gerald Pütter nie geben lassen. Vornehme Zurückhaltung ist eher seins. Aber er schmunzelt und sagt: „Wir haben am Eingang ein Gästebuch, und da haben schon viele bekannte Menschen eine Widmung hinterlassen.“
Eigentlich wollte Gerald Pütter gar nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten. Er machte bei der damaligen Vereins- und Westbank eine Ausbildung zum Bankkaufmann, studierte Betriebswirtschaftslehre: „Ich habe keinen adäquaten Job gefunden und mich dann doch dafür entschieden, in unserer Gastronomie mitzuarbeiten.“ Seit 1992 ist er nun dabei. Damals hatten Damen mittags keinen Zutritt zum Restaurant und zur Bar, weder als Gast noch als Bedienung: „Aber diese Regeln wurden dann bald geändert. Seit 2016 gibt es auch keine Krawattenpflicht mehr“, sagt Pütter.
Sein Vater hat sich Ende 1998 zurückgezogen: „Wir haben damals einen klaren Schnitt gemacht. Das Geschäft gehört seitdem mir, und ich trage natürlich auch die gesamte Verantwortung.“
Kündigungen sind in der Firma sehr selten
Seine Frau Susanne unterstützt ihn bei der Buchhaltung, und es gibt 30 feste Mitarbeiter. Die sind häufig über Jahrzehnte beschäftigt: „Wir sind wie eine große Familie. Das jemand bei uns kündigt, kommt sehr selten vor.“ Etwa 200 Auszubildende habe ihr Unternehmen in den vergangenen 50 Jahren gehabt und diese hätten zahlreiche Auszeichnungen erhalten, sagt Pütter. Im Februar hat Azubi Joshua Wellmann die Hamburger Jugendmeisterschaften der Köche gewonnen. Seit 20 Jahren engagiert sich Pütter ehrenamtlich im Dehoga als Schatzmeister.
Was treibt ihn an, bis zu 80 Stunden in der Woche an seinem Arbeitsplatz zu verbringen?: „Jede Veranstaltung ist anders, und das macht diese Aufgabe so spannend. Und das Ziel ist immer, dass unsere Gäste begeistert sind.“ Da wird dann auch mal eine Eisbahn im Garten aufgebaut oder das Haus zu „einem Dornröschenschloss mit unfassbar viel Blumenschmuck umgestaltet. Das hatte sich damals eine Braut so gewünscht, und ihr zukünftiger Mann hatte dann schon einen Tag vor der Hochzeit losgelegt.“
Aber Gerald Pütter ist nicht nur Gastgeber im Anglo-German Club, sondern hat auch einen Weinhandel, beliefert Kunden im In- und Ausland. Ein weiteres Standbein ist das Außer-Haus-Catering. Natürlich gehören dazu auch rauschende Feste der Hamburger Gesellschaft. Aber was dort passiert, das behält Pütter für sich. Diskretion ist eben Ehrensache.