Hamburg . Die Europäer haben das neue EU-Parlament gewählt. Was Hamburger nun von der Politik für Deutschland und die Hansestadt erwarten.
Erste Prognosen zu den Ergebnissen der Europawahl liegen vor. Hamburger aus Wirtschaft, Verbänden und Politik äußern sich zum voraussichtlichen Ausgang der Wahl.
André Mücke, Vizepräses der Handelskammer Hamburg: „Wir freuen uns sehr, dass so viele Europäer ihre Stimme abgegeben haben, auch hier in Hamburg. Unsere Hansestadt als außenwirtschaftsorientierter Standort hat in der Vergangenheit stark von der zunehmenden europäischen Integration profitiert, weshalb die Hamburger Wirtschaft immer auch mit großem Interesse nach Brüssel und Straßburg blickt. Für das neue Parlament gilt es nun, unseren gemeinsamen Binnenmarkt zu stärken und die Rahmenbedingungen für einen starken Wirtschaftsraum weiterzuentwickeln.“
So hat Hamburg bei der Europawahl gewählt
Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg: „Die EU bleibt der starke Staatenbund, der unseren wirtschaftlichen Erfolg sichert - auch in der Region! Jetzt muss Brüssel zeigen, dass europäische Politik nicht Gleichmacherei bedeutet. Wir brauchen wertorientierte Zusammenarbeit nach verbindlichen Regeln, die funktionierende einzelstaatliche Lösungen aber nicht ausschließen. Das Handwerk ist für ein Europa, das groß ist in den großen Fragen der Gemeinschaft und das sich zurückhält bei den Fragen, die sich besser im nationalen Rahmen lösen lassen. Bei Sicherheit, Migration, internationaler Wettbewerb und Klimawandel brauchen wir mehr Europa. Was aber die Mitgliedsstaaten besser selbst regeln können, das soll in ihrer Zuständigkeit bleiben. Dazu gehören in Deutschland Erfolgsmodelle wie die duale Ausbildung oder die Meisterqualifikation."
Präsidentin der Bürgerschaft, Carola Veit über die Wahlen zum Europäischen Parlament und zu den Bezirksversammlungen: „Die gestiegene Wahlbeteiligung auch in Hamburg ist ein Grund zur Freude und eine Bestätigung für unsere Demokratie. Das große Interesse war schon im Vorfeld spürbar und hat sich nun bestätigt. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben mitgeholfen, für die Teilnahme an den Wahlen zu werben. Es ist gut, dass sich die Menschen in politisch bewegten Zeiten nicht abwenden, sondern ihre Stimmen einsetzen.“
So hat Deutschland am Sonntag gewählt
Hamburgs SPD-Chefin Melanie Leonhard hat sich enttäuscht vom Abschneiden ihrer Partei bei der Europawahl gezeigt. "Wir haben uns als SPD mehr erhofft", sagte sie am Sonntagabend nach ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF, die die Sozialdemokraten bei nur noch unter 16 Prozent Stimmenanteil sahen. "Ganz offensichtlich gelingt es uns bundesweit noch nicht, so ins gesellschaftliche Gespräch zu kommen, dass wir durchdringen und Vertrauen zurückerobern", sagte sie. Das sei aber die "Kernaufgabe". Erfreut zeigte sich Leonhard hingegen von der hohen Wahlbeteiligung. "Das ist ein wichtiges Signal für die Demokratie in Europa."
Anna Gallina, Landesvorsitzende der Grünen: "Das ist ein sensationelles grünes Ergebnis! Wir freuen uns riesig über diesen Erfolg. Unser historisch bestes Ergebnis bei einer Europawahl ist gleichzeitig der Auftrag für die historisch größte Aufgabe: Die Bewältigung der Klimakrise. Wir nehmen diesen Auftrag an, denn es ist höchste Zeit zu handeln, in Europa und in Deutschland. Auch die Bundesregierung muss ihre Blockade in Sachen Klimaschutz endlich überwinden, das ist das klare Signal der vielen jungen Menschen, die heute gewählt haben und die jeden Freitag auf die Straße gehen.
Katharina Fegebank (Grüne), Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl, ergänzt: „Das ist das beste gesamtdeutsche Ergebnis in der Geschichte der Grünen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei allen Hamburgerinnen und Hamburgern, die so viel Vertrauen in uns gesetzt haben. Von dieser Wahl geht ein kraftvolles Signal für europäischen Zusammenhalt und konsequenten Klimaschutz aus. Die Grünen hatten in dieser Wahl klare Positionen, und sie haben sie mit Zuversicht vermittelt. Genau das hat offenbar überzeugt. Und das ist auch die Haltung, mit der wir 2020 in die Hamburger Bürgerschaftswahl gehen wollen.“
Linken-Landesprecher David Stoop: „Wir können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Dieser Wahlkampf hatte kaum ein eigenes Thema, bis die Schülerinnen und Schüler den Klimaschutz auf die Agenda gesetzt haben. Das ist gut so – auch wenn es für uns nicht so leicht ist, mit unseren Positionen zur Klimagerechtigkeit durchzudringen.
Die Vorsitzenden der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse: „Wir freuen uns über einen Zuwachs an Stimmen für die Freien Demokraten und darüber, dass Hamburg mit Svenja Hahn zukünftig eine liberale Europaabgeordnete haben wird. Wir hoffen nun, dass Europa mit Margrethe Vestager eine liberale Kommissionspräsidentin bekommt. Das Erstarken der europäischen Liberalen ist ein wichtiges Signal gegen die europakritischen Kräfte vom rechten Rand. Grund zur Freude ist auch die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung hierzulande.“
Hans Fabian Kruse Präsident des AGA Unternehmensverbands (Groß- und Außenhandel): "Das Wahlergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der beiden Volksparteien, die fast 20 Prozent im Vergleich zur letzten Wahl verloren haben. Sie haben durch ihre, den echten Problemen ausweichende Politik den Kontakt zu vielen, gerade jungen Wählern verloren. Jetzt ist die Zeit für klare Antworten und eindeutige Entscheidungen. Wir müssen besser erklären, wovon wir leben und wie wir die Zukunft angehen wollen. Dazu gehört auch eine Offensive für europäische Themen in den Medien, gerade in den neuen Medien. Nur so holen wir die Menschen wirklich nach Europa und halten die linken und rechten Populisten weiter in Schach."
Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg (IVH), Matthias Boxberger: „Die deutliche Stärkung von EU-Gegnern im Europäischen Parlament, die voraussichtlich bis zu 20 Prozent der Sitze belegen, ist ein Spiegel für das Versagen der europäischen Institutionen in den Augen sehr vieler Menschen in Europa. Dieses Wahlergebnis ist damit ein lauter Weckruf! Die EU-Politik muss den Kontakt zur europäischen Bevölkerung zurückgewinnen, den sie in Teilen verloren hat. Das Wahlergebnis ist ein Auftrag, auch an die deutsche Politik, den Menschen die Vorteile des geeinten Europas für jeden Einzelnen und die Notwendigkeit der europäischen Zusammenarbeit im globalen Wettbewerb immer wieder zu verdeutlichen. Der Europäische Wirtschaftsraum ist von elementarer Bedeutung für Hamburg. Er braucht starken Einsatz aller. Jetzt erst recht. Hoffentlich haben die gewählten demokratischen Kräfte nun erkannt, dass dringender Reformbedarf besteht, um das Vertrauen in den gemeinsamen Wirtschaftsraum zu stärken: Strukturen vereinfachen, aufs Wesentliche konzentrieren, Bürokratie abbauen, Kosten senken und mehr Transparenz schaffen für die Leistungen und unbestreitbaren Erfolge der EU.“