Finkenwerder. Beim Finkenwerder Schollenfest waren die Vorräte rasch verzehrt. Der Erlös kommt einer alten Fähre und einem Kutter zugute.
Beim Klabautermann: Erfahrene Seebären schwören, dass Schollen am allerbesten in Alsterwasser schwimmen. Zumindest dann, wenn der Plattfisch luftgetrocknet zwischen die Kiemen geschoben – und mit einem Schluck Alster gelenzt wird. Mancher meint, dass dieser kulinarische Genuss mit „unverdünntem“ Bier oder einem lütten Köm noch vortrefflicher läuft. Lassen wir’s auf einen Test ankommen. Oder auf zwei.
Beim Schollenfest im traditionsreichen Kutterhafen von Finkenwerder am Sonnabend gab es reichlich Gelegenheit für intensive, lustvolle und vor allem nahrhafte Exerzitien. Der Name war Programm: Wer mochte, futterte den Fisch frisch aus der Pfanne, mit einer Portion Kartoffelsalat kalorienmäßig angereichert. Kenner vertilgten die Schollen in getrockneter Form, als „Dreugt Fisch“. Alternativ standen Fischbrötchen sowie final Kuchen nach Hausfrauenart zur Verfügung. Wer wollte, nahm die rundlichen Meerestiere auf Kissen, Decken oder Tüten gedruckt mit nach Hause.
Seit 2005 wird im Museumshafen gefeiert
Auch wenn es über Schreibweise und Verzehr des nach uraltem Finkenwerder Rezept hergestellten Trockenfischs unterschiedliche Meinungen gibt: Es schmeckt den Gästen am Anleger und an Bord – die Schollen und die Veranstaltung. Weil rund 40 ehrenamtliche Helfer Hand in Hand Sinnvolles bewirkten. Der Erlös des Schollenfestes, das seit 2005 im Museumshafen ausgerichtet wird, fließt komplett in den Erhalt Finkenwerder Schifffahrtstradition. Der gemeinnützige Verein „Finkenwerder Kulturschiff MS ,Altenwerder‘“ engagiert sich für eben diese, 1958 vom Stapel gelassene Personenfähre. Ein Vierteljahrhundert verkehrte sie zwischen St. Pauli, Altenwerder und Finkenwerder, bevor sie 1979 bei Überholungsarbeiten vom Slip rutschte und Totalschaden erlitt.
Kurz vor der Schrottpresse schritten beherzte Bürger zur Tat, kauften das Alteisen zum Schrottwert und legten los. Vereint wurden Tausende Arbeitsstunden und mehr als 100.000 Euro investiert, bis mit der MS „Altenwerder“ wieder Staat zu machen war. Kein Wunder, dass die stabile Lady, auch ohne Motor, beim Schollenfest eine dominierende Rolle einnahm. Apropos Einnahme: Jeder Euro ist viel wert; denn im Juli muss das 66 Jahre alte Kulturschiff auf die Werft. Bis dahin bietet der von Eckart Schmidt manövrierte Verein unter Deck ein buntes Programm – von Märchenabenden für Erwachsene und Musik bis zu Lesungen und Dampferquiz.
400 Plattfische kommen in die Pfanne
Umso wichtiger, wenn bei einem Großereignis wie dem Schollenfest Verstärkung zur Seite steht. Das nicht minder engagierte Team der „Freunde des Hochseekutters ,Landrath Küster‘“ ist mit zwei Dutzend Aktivisten angerückt. Mit Buscherumps, den berühmten Finkenwerder Fischerhemden, zünftig bekleidet, hauen die Profis 400 Plattfische in die Pfanne, goldbraun gebrutzelt. Kein Wunder, dass beizeiten Fofftein ist. Alles weg. Ein Segen, dass die Crew zuvor Fisch, Kartoffelsalat und Bier gebunkert hat, um nach dem Klarschiffmachen nicht mit leerem Magen auf dem Trockenen zu sitzen. „Daddeldu“, vermeldete Vorstandsfrau Silke Schulz um kurz nach 14 Uhr. Schluss. Pfanne leer.
Unter Deck der MS „Altenwerder“ wurde Kassensturz gemacht. Denn die „Landrath Küster“, mit Baujahr 1889 ganz schön in die Jahre gekommen, liegt just auf der Behrens-Werft auf Finkenwerder: Der Mast des Kutters muss ersetzt werden. Zudem sind Planken von unten morsch. Zur „Deichparty“ im Spätsommer soll das Schiff wieder zur Hochform auflaufen.
Das beglückt besonders den Vereinschef und Kapitän Heinz-Hinrich „Hinnik“ Meyer. Der 81-Jährige hat zwischen 1953 und 1955 auf der „Landrath Küster“ gelernt – vom Schiffsjungen bis zum Matrosen. Zwar lebt der routinierte Fahrensmann mittlerweile in Moisburg, doch kennt er die Mentalität auf Finkenwerder. Und „dreugt Fisch“, die getrocknete Scholle? Liebt der Mann von Kindheit an. „Luftgetrocknete Schollen waren früher Wintervorrat für die Fischer“, weiß „Hinnik“. Gekonnt aufgeweicht kam der Plattfisch mit Pellkartoffeln, Bohnen und Speckstippe auf den Tisch.
2800 Schollen nach Omas Rezept eingelegt
Doch jetzt ist es vorbei mit Klönschnack an Bord: Draußen auf dem Anleger gibt die Liedertafel Harmonie alte Seemannslieder zum Besten – teilweise op Platt. Und der anno 1865 gegründete Männerchor hat’s tatsächlich drauf. Die Jungs legen los, dass der Steg bebt. Und fast alle stimmen ein. Es ist ein Fest, bei dem Sommerwetter Pate steht.
Für Jan Martens biete die Künstlerpause Anlass zum Atemholen – und Nachzapfen. Der Beamte aus Finkenwerder ist einer der ganz wenigen, der das traditionelle Handwerk des Schollentrocknens beherrscht. „Gelernt von meiner Oma Emilie“, berichtet er.
Um eine vigeliensche Geschichte kurz zu machen: Im März fuhr Jan nach Cuxhaven. Mit 20 jeweils 35 Kilo schweren Kisten kehrte er heim an den Landscheideweg: 2800 Schollen. Zusammen mit Familie und Freunden wurden die Fische ohne Köpfe in Salzlake gelegt. Getreu Emilies Erfahrungsschatz: Wenn eine große Kartoffel knapp unter der Wasseroberfläche schwimmt, stimmt der Salzgehalt. Später werden je zwei Stück geklammert und an einer Wäscheleine unter dem offenen Schleppdach aufgehängt. Eine Woche Ostwind ist ideal. Und nun? Trennt Jan mit einem Fischermesser Flossen und Haut ab, schneidet die getrocknete Scholle – Gräten inklusive – in Scheiben. Schmeckt göttlich, kein Seemannsgarn. Doch etwas fehlt. Jan Martens hebt sein Bierglas. Stimmt, das war’s.