Hamburg . Die Kriminalität im Herzen St. Georgs nimmt zu. Die Polizei will jetzt mit mehr Überwachung dagegen vorgehen.

Der Hansaplatz ist eigentlich ein schöner Flecken Hamburg, umgeben von Gründerzeitbauten, mittenmang der Hansabrunnen. Doch der einstige Vorzeigeplatz hat seit Jahren mit rigiden Problemen zu kämpfen. Er liegt dort, wo es in jeder Großstadt Stress gibt: mitten im Bahnhofsviertel. Zum Leidwesen der Anwohner ist der Platz häufig zugemüllt und fest im Griff der Drogen- und Alkoholiker-Szene. Randständige und afrikanische Dealer bevölkern das Areal. Zu jeder Tageszeit.

Polizei und Innenbehörde wollen den Kriminalitätsbrennpunkt im Herzen der Stadt entschärfen. Wie schon auf dem Kiez und am Jungfernstieg setzen sie dabei auf die Videoüberwachung. Sechs Masten mit insgesamt 16 Kameras sollen von Ende März an dort aufgestellt werden: vier Masten an den Ecken des Hansaplatzes, einer an der Bremer Reihe, ein weiterer an der Zimmerpforte.

Tote Winkel wird es nicht geben

Die Kameras sind schwenkbar und zeichnen gestochen scharf auf, tote Winkel soll es nicht geben. Hauseingänge und alles, was nicht zum öffentlichen Raum gehört, werden automatisch verpixelt dargestellt. Nur wenn die Polizei konkrete Hinweise auf eine Straftat hat, darf sie eine weitere Kamera zuschalten, die den Tatort – Hauseingänge etwa – unverpixelt zeigt. Die Bilder der 16 Kameras laufen im Polizeikommissariat am Steindamm auf. Dort erscheinen sie als Miniaturen auf einem großen Bildschirm, den die Beamten permanent im Blick behalten. Die Aufnahmen werden bis zu einem Monat lang auf einem gesicherten Polizei-Server gespeichert.

Innensenator Andy Grote (SPD) sagte am Donnerstag, die Kriminalitätsbelastung nehme im Bereich Hansaplatz nicht ab, sondern zu, vor allem die Straßenkriminalität. Darunter fallen beispielsweise Taschendiebstahl, Raub oder Körperverletzungsdelikte. Allein im Oktober 2018 erfasste die Polizei – eingangsstatistisch – mehr als 200 Fälle. Es gebe viele Anwohner, die sich belästigt fühlten und Menschen, die den Platz aus Angst meiden würden, so Grote.

Die Kameras laufen fast rund um die Uhr

No-Go-Areas dürfe es aber in Hamburg nicht geben. Ein türkischer Gemüsehändler habe ihm gesagt: Ginge es so weiter wie bisher, werde er die AfD wählen. Durch die Live-Bilder der Kameras könne man bald „sehr schnell zeitlich eingreifen“, wenn sich eine Straftat anbahnt, etwa wenn ein Streit gewaltsam zu eskalieren droht. Zudem könnten die Aufnahmen bei der Strafverfolgung helfen. „Wir hoffen mit der Maßnahme, die Lage auf dem Platz spürbar beruhigen zu können“, sagte Grote. Durch die Videokontrolle werde er für manche jedenfalls „unattraktiver“. Gleichwohl, so Grote, würden sich die Probleme nicht „in Luft auflösen“.

Nach den „positiven Erfahrungen“ mit dem Einsatz der Videotechnik an der Reeperbahn (drei Kamera-Standorte) und am Jungfernstieg (sechs Standorte) erwarte man ähnliche Ergebnisse im Bereich Hansaplatz. Rechtliche Grundlage dafür ist das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG). Im Gegensatz zum zeitlich eingeschränkten Überwachungskorridor an der Reeperbahn und am Jungfernstieg laufen die Kameras in St. Georg aber fast im Dauerbetrieb: montags bis donnerstags von 15 Uhr bis 7 Uhr; freitags und sonntags von 9 bis 7 Uhr. In diesen Zeiten, so die Erfahrung der Polizei, sei mit einem erhöhten Aufkommen von Straftaten zu rechnen – also praktisch „rund um die Uhr“.

Bereits 2007 waren am Hansaplatz schwenkbare Kameras installiert worden. Als er neugestaltet wurde, ließ die Stadt sie 2011 demontieren, aus „rechtlichen und technischen Gründen“. Während damals private Bereiche geschwärzt auf den Bildschirmen erschienen und die Verfolgung eines Verdächtigen mitunter an der unzulänglichen Technik scheiterte, sei das System heute deutlich gereifter, so Grote. Außerdem würden die Bilder nun zur örtlichen Polizeiwache übertragen, damals gingen sie im Polizeipräsidium ein. Die Beamten seien deshalb in der Lage, viel schneller und flexibler auf Einsatzanlässe zu reagieren.

Überwachung allein reicht nicht aus

Der Bürgerverein St. Georg befürwortet die Videoüberwachung, sagte dessen Vorsitzender Markus Schreiber. Vermutlich im Frühsommer wird das System einsatzbereit sein. Das sei gut, weil sich die Problematik am Hansaplatz verschärfe, wenn es wärmer wird. „Doch die Überwachung allein reicht nicht aus“, so Schreiber weiter, sie könne nur Teil eines „Gesamtpakets“ sein. Zu diesem Paket gehöre auch die Arbeit von 30 sozialen Einrichtungen im Umfeld des Hansaplatzes, der Verein setze sich außerdem für den Bau eines Trinkraums ein. Schreiber hofft auch, dass das Glasflaschen- und Alkoholverkaufsverbot an Kiosken bald umgesetzt wird.

Das eine wird kommen – das andere erstmal nicht. Die Prämisse für ein Flaschenverbot liegt offenbar vor, die Polizei hat für den Hansaplatz eine Gefahrenanalyse erstellt. Ergebnis: 2018 gab es deutlich mehr Straftaten durch Flaschenwürfe, nach Abendblatt-Informationen 50 Prozent mehr als im Jahr davor. „Wir halten das Verbot für richtig, eine entsprechende Gesetzesänderung wird in der Behörde vorbereitet“, sagte Grote. Im Juni könnte der Entwurf dem Senat und dann der Bürgerschaft vorgelegt werden. Und das temporäre Alkoholverkaufsverbot? Das rechtlich umzusetzen, sei äußerst diffizil, so Grote. Man sei da noch mitten im Prozess. „Das ist ein richtig dickes Brett.“