Hamburg. EU-Kommission genehmigt Deal mit Vattenfall. So kann die Stadt den Volksentscheid umsetzen. Kunden bekommen Sonderkündigungsrecht.

Die Übernahme des Hamburger Fernwärmenetzes durch die Stadt hat die letzte große Hürde genommen: Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission sehen in dem Vorgang keine verbotene staatliche Beihilfe und haben den Deal genehmigt. Die Prüfung war nötig geworden, da der Senat nach dem erfolgreichen Volksentscheid, der die Stadt 2013 zum Rückkauf der Energienetze verpflichtet hatte, bereits mit Vattenfall einen Kaufpreis von 950 Millionen Euro für die Fernwärme vereinbart hatte, der deutlich über dem aktuellen Unternehmenswert liegt.

Der rot-grüne Senat sprach angesichts des EU-Beschlusses von einem „Meilenstein“ und garantierte den Kunden erneut, dass der Kauf des Netzes sowie der Umbau zu einer ökologischen Wärmeversorgung die Preise nicht über die allgemeine Steigerungsrate hinaus anheben werde.

„Heute ist ein großer Tag“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Gerade seiner Partei sei die 100-prozentige Umsetzung des Volksentscheids sehr wichtig gewesen. „Das war ein hartes Stück Arbeit, aber wir haben geliefert.“ Die Rekommunalisierung der Netze sei aber kein Selbstzweck, sondern die größte Einzelmaßnahme zur Erreichung der Hamburger Klimaziele, so Kerstan.

Kaufvertrag soll bis Sommer unterzeichnet sein

„Wir halten Wort“, betonte auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Der Volksentscheid wird damit auch in seinem wichtigsten Bestandteil umgesetzt.“ Die Einzelteile der Fernwärmesparte müssten nun aus dem Vattenfall-Konzern „herausgeschnippelt werden“, was sehr komplex, aber auch „generalstabsmäßig vorbereitet“ sei. Bis zum Sommer soll der Kaufvertrag unterzeichnet sein. Danach fließen die restlichen 625 Millionen Euro, nachdem die Stadt bereits 25,1 Prozent der Fernwärme für 325 Millionen Euro erworben hatte.

Die von Dressel und Kerstan geäußerte Erwartung, Vattenfall möge zu den Vereinbarungen mit der Stadt stehen, erfüllte der Konzern – zumindest verbal. „Wir begrüßen die Entscheidung der Kommission“, ließ Vattenfall-Deutschland-Chef Tuomo Hatakka mitteilen. „Mit ihr ist ein weiterer, wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer rechtssicheren Übertragung des Fernwärmegeschäfts auf die Stadt Hamburg erreicht. Das gemeinsame Ziel ist unverändert die zügige Übertragung der Fernwärmegesellschaft.“

Mit Christian Heine, Geschäftsführer bei Stromnetz Hamburg – einer ebenfalls im Zuge des Netze-Rückkaufs gegründeten städtischen Gesellschaft –, rückt zudem ein Vertreter der Stadt umgehend in die neue Gesellschaft „Wärme Hamburg GmbH“ auf, obwohl die bis zum endgültigen Verkauf noch unter dem Vattenfall-Dach liegt.

Keine Kohle bei Wärmeversorgung mehr bis 2030

Kerstan kündigte an, dass nun mit Hochdruck an der Umsetzung eines neuen Fernwärmekonzepts gearbeitet werde. Bis zur Heizperiode 2023 solle das veraltete Kohlekraftwerk Wedel abgeschaltet und durch viele kleine Anlagen ersetzt werden. Dazu gehört ein „Aquifer-Speicher“, in dem industrielle Abwärme über den Sommer unterirdisch gespeichert und im Winter wieder genutzt werden kann. Bohrungen für diese weltweit einmalige Anlage seien an vielen Stellen möglich, so Kerstan. Begonnen werde damit auf der Dradenau.

Bis 2030 solle für die Wärmeversorgung keine Kohle mehr genutzt werden. Auf die Anbindung des Kohlekraftwerks Moorburg wird daher verzichtet, und das Kraftwerk Tiefstack wird auf Gas umgerüstet. Um zudem Wärme aus den Industriebetrieben südlich der Elbe nutzen zu können, muss eine gewaltige Wärmeleitung unter der Elbe hindurch verlegt werden, ihre Kosten bezifferte Kerstan „grob“ auf 130 Millionen Euro.

Die exakten Investitionskosten für die Umstellung könne er zwar erst in Kürze nennen, dennoch sei er sicher, dass die Kosten für die Kunden nicht über die normale Preissteigerungsrate hinaus angehoben werden müssten. Mehr noch: Alle „Wärme Hamburg“-Kunden bekämen sogar ein „Sonderkündigungsrecht“, falls das doch der Fall sein sollte.

CDU warnt vor höherer Verschuldung Hamburgs

Der Umweltverband BUND äußerte sich ebenso erfreut über die Entscheidung der EU wie die Bürgerschaftsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei. Kritik kam von CDU, FDP und AfD. „Schlechter Deal bleibt schlechter Deal“, sagte Stephan Gamm (CDU). „Ergebnisse des Rückkaufes werden sein: Die Verschuldung Hamburgs wird um mindestens 1,7 Milliarden Euro ansteigen und es gibt trotz aller Senatsbeteuerungen keine belastbare Garantie für die Hamburger Fernwärmekunden zum Schutz vor deutlichen Preissteigerungen.“

Auch Andrea Oelschläger (AfD) stellte die Preisgarantie infrage: „Da weder das technische Konzept fertiggestellt ist, noch die Investitionskosten für die technische Umsetzung des Konzeptes bekannt sind, ist diese Zusage nur eine Absichtserklärung. Es ist zu befürchten, dass die Kosten vom Steuerzahler übernommen werden müssen.“ Michael Kruse (FDP) sagte: „Das Senatskonzept liefert nur heiße Luft statt heißem Wasser, ist intransparent und ökologisch sowie ökonomisch eine Katastrophe.“