Hamburg. Stadt genehmigt „die sofortige Vollziehung“ – auch weil ein Spezialgerät sonst nicht mehr zur Verfügung steht.
Jahrelang wurde um das Projekt gestritten, doch nun soll es plötzlich ganz schnell gehen: Für den Abriss der vier Hochhäuser am Hauptbahnhof, die gemeinsam den denkmalgeschützten City-Hof bilden, hat die Stadt „die sofortige Vollziehung angeordnet“, und zwar unter anderem aus einem sehr profanen Grund: weil sonst der Bagger nicht mehr zur Verfügung steht.
„Für den genehmigten Abbruch ist der Einsatz von Spezialgerät erforderlich, insbesondere eines Großbaggers vom Typ Liebherr R960“, heißt es in der Abbruchgenehmigung der Stadt an den Investor, das Hamburger Bauunternehmen Aug. Prien. „Von diesem Typ gibt es nur zwei in Norddeutschland und ca. zehn in ganz Deutschland. Verzögert sich der Beginn der Abbrucharbeiten, so steht das bei einem Nachunternehmer gebuchte Gerät nicht mehr zur Verfügung, sondern muss erst erneut für einen späteren Termin gebucht werden“, so die weitere Begründung des Amtes für Bauordnung und Hochbau in der Stadtentwicklungsbehörde.
Im Mai soll der Abbruch beginnen, 2023 der Neubau fertig sein
Die Behörde verweist auf die „erheblichen wirtschaftlichen Folgen einer Verzögerung“, aus denen sich das Interesse des Investors „an einer sofortigen Vollziehbarkeit der Abbruchgenehmigung“ begründe. Spezialgerät dieses Typs müsse mit einer Vorlaufzeit von rund einem Jahr gebucht werden. Warte man so lange mit dem Abbruch, könne das „auch eine Kündigung anderer Nachunternehmer zur Folge haben, die ihrerseits wiederum zu weiteren Verzögerungen und zu hohen Schadensersatzforderungen führen würde“.
Wie Aug. Prien-Geschäftsführer Jan Petersen auf Abendblatt-Anfrage mitteilte, soll der Abbruch der flachen Zwischenbauten im Mai beginnen. Danach würden die Hochhäuser eingerüstet und ab Herbst abgerissen. Insgesamt werde der Abriss etwa ein Jahr dauern. Der Neubau könnte „aus heutiger Sicht“ 2023 fertig sein, so Petersen.
In dem Neubau sollen unter anderem 140 Wohnungen entstehen
Aug. Prien war schon 2015 als Sieger aus einem Gebotsverfahren der Stadt hervorgegangen. Das Unternehmen plant anstelle der vier Hochhäuser einen langgestreckten Riegel mit 140 Wohnungen, rund 15.000 Quadratmeter Bürofläche, einem 220-Zimmer-Hotel, einem Kindergarten sowie Einzelhandel, Gastronomie und Kultur im Erdgeschoss. Die Investitionssumme dürfte bei rund 250 Millionen Euro liegen. Allein 35,2 Millionen Euro erhält die Stadt für das Grundstück in bester City-Lage. In den Hochhäusern befand sich bis 2018 das Bezirksamt Hamburg-Mitte, seitdem stehen die Gebäude leer.
Die „sofortige Vollziehbarkeit“ begründet die Stadt außerdem mit dem öffentlichen Interesse an dem Projekt – unter anderem den dringend benötigten Wohnungen und den „Verbesserungen für die städtebauliche Lage an dieser exponierten Stelle“.
Initiative zweifelt an Argumente der Stadt und prophezeit Ärger mit der Unseco
Die Initiative City-Hof e.V., die sich für den Erhalt der erst seit 2013 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude einsetzt, kann diese Begründung nicht nachvollziehen. Die öffentlichen Belange seien nicht nur mit einem Neubau zu bedienen, „sondern ebenfalls bei einer Bestandsentwicklung des City-Hofs realisierbar“, teilte die Initiative am Donnerstag mit. „Der Entwurf zur Sanierung des City-Hofs von Gerkan, Marg und Partner hatte sogar deutlich mehr Wohnungen vorgesehen als der geplante Neubau. Die vom Senat herangezogenen öffentlichen Interessen legitimieren somit in keinster Weise den Abriss des Denkmals.“
Die Initiative verweist erneut auf die Bedenken der Unesco, die dem benachbarten Kontorhausviertel den Welterbe-Status verliehen hatte. Wie berichtet, hatte die von der Unesco beauftragten Experten der Organisation Icomos den Abriss des City-Hofs nur sehr zähneknirschend akzeptiert, und auch Kritik an dem geplanten Neubau geübt. Dieser sei zu massiv, behindere Blickbeziehungen und suggeriere mit seiner Backsteinfassade eine Tradition, die es an dieser Stelle nie gegeben habe.
„SPD und Grüne steuern Hamburg geradewegs in einen langwierigen Streit mit der Unesco, aufgrund der ungeklärten Frage des Neubaus und damit in eine lang andauernde Baubrache am Eingang unserer Stadt“, prophezeit die Initiative. Der Senat sei daher gut beraten „die Zeit, in welcher der Bagger nicht zur Verfügung steht, zur Prüfung der entscheidenden Frage zu nutzen, ob der geplante Neubau mit dem Welterbe zu vereinbaren und somit tatsächlich zu realisieren ist“.
Der Investor sieht keinen Anlass, seine Pläne zu ändern
Die Stadtentwicklungsbehörde hält dagegen, dass die Unesco auch bezüglich des Neubaus „keine grundsätzliche negative Empfehlung“ abgegeben und keine „explizite potenzielle Gefährdung des Welterbestatus“ festgestellt habe. Dennoch tausche sich die Stadt „über alle Planungen innerhalb des Welterbes und der Pufferzone“ mit der Unesco und Icomos aus.
Offen ist, inwiefern das noch zu einer Änderung der Pläne führt. Prien-Geschäftsführer Jan Petersen hat dazu eine klare Haltung: „Die Frage stellt sich aus unserer Sicht gegenwärtig nicht, da auch nach dem Bericht der Icomos vom 5. März 2019 keine neuen, zwingenden Maßgaben im Hinblick auf den Neubau vorliegen, deren Nichtbeachtung eine Gefährdung des Welterbestatus zur Folge hätte.“