Hamburg. Im Streit um den umstrittenen Abriss des City-Hofs verhandelte Carsten Brosda (SPD) mit Denkmalschützern in Paris.
Diese Reise stand nicht im offiziellen Terminkalender des Senats: Am 1. März, einem Freitag, brach Kultursenator Carsten Brosda (SPD) zu einem Kurztrip in die französische Hauptstadt Paris auf. Das Ziel des Sozialdemokraten war ein repräsentativer, aber etwas unscheinbarer Bau in der Gemeinde Charenton-le-Pont am Stadtrand von Paris. Am Sitz des Sekretariats von Icomos International, einer Nichtregierungsorganisation, die die Unesco in Denkmalschutzfragen berät, wartete eine durchaus heikle Aufgabe auf Brosda.
Es ging um nicht weniger als die Klärung der Frage, ob der vom Senat geplante Abriss des denkmalgeschützten City-Hofs am Klosterwall und die Ersetzung der vier Hochhäuser durch einen Neubau den Status des benachbarten Kontorhausviertels als Weltkulturerbe gefährden könnte. Icomos hatte den Abriss frühzeitig kritisiert und Argumente für den Erhalt des architektonischen Denkmals der unmittelbaren Nachkriegszeit der 50er-Jahre geliefert. Es war nicht auszuschließen, dass die Denkmalschützer der Unesco vorschlagen würden, ein Verfahren zur Aberkennung des Welterbestatus für das Chilehaus und die anderen Kontorhäuser sowie der benachbarten Speicherstadt einzuleiten.
Brosdas Mission bestand also darin, genau diesen schlimmsten Fall zu verhindern. Ungewöhnlich war dabei die Tatsache, dass der Senator als Vertreter der Stadt das Gespräch mit den Icomos-Leuten direkt führen konnte, was sein Wunsch war. Denn üblicherweise läuft die Kommunikation von Icomos über die Unesco zur deutschen Botschaft in Paris und von dort über das Auswärtige Amt ins Rathaus. Dieser umständliche Instanzenweg hatte im Senat schon gelegentlich zu der Bemerkung geführt, man erfahre zuverlässig als letzter von den Dingen, die einen doch zuallererst selbst beträfen. Das entscheidende Treffen am südlichen Rand von Paris fand auf höchster Ebene statt, auch der Icomos-Präsident, der Japaner Toshiyuki Kono, sowie Unesco-Vertreter nahmen daran teil.
Senat kassiert eine Rüge
Rund zwei Stunden dauerte das auf Englisch geführte Gespräch, in dem Brosda seine Argumente noch einmal vortragen konnte, dann war eine Verständigung erzielt. Icomos International erklärte, dass es keine Gefährdung des Welterbestatus durch den Abriss der von vielen Hamburgern als hässlich empfundenen Hochhäuser am Rand der City sehe. Der City-Hof stelle auch keinen Beitrag zum außergewöhnlichen universellen Wert des Kontorhausviertels dar. Und der Fall solle schließlich nicht in die offizielle Berichterstattung über den Zustand der Welterbestätten aufgenommen werden, den das Unesco-Welterbekomitee im Sommer vorlegen wird.
Andererseits wird die Beseitigung der denkmalgeschützten Häuser, der Verlust eines Denkmals, von Icomos weiterhin kritisiert. Der Senat kassiert für seine Pläne, die Abrissbirne über dem Klosterwall kreisen zu lassen, eine Rüge. Man kann es auch so ausdrücken: Rot-Grün ist mit einem blauen Auge davon gekommen.
Am 14. März traf der 48 Seiten umfassende Abschlussbericht von Icomos, deren Vertreter sich im August 2018 ein Bild von der Lage vor Ort gemacht hatten, bei der formal zuständigen Stadtentwicklungsbehörde ein. Erst danach, am Mittwoch dieser Woche, erteilte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) schließlich die Abrissgenehmigung. Nachdem der Gebäudekomplex bereits mit einem Bauzaun umstellt ist, werden die Abbrucharbeiten voraussichtlich bald beginnen.
Kritiker meldeten sich zu Wort
Mit der Entscheidung des Senats meldeten sich sofort die Kritiker des Abbruchs zu Wort. Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Jens P. Meyer sprach von einem „Tiefschlag für den Denkmalschutz“. Der Senat setze sich „über große Bedenken aus der gesamten Fachwelt“ hinweg. „Weg mit Schaden – der Abriss-Senat bleibt sich treu“, formulierte die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann flott. Noch fehle ein rechtssicherer Bebauungsplan für die Fläche, und die Unesco habe dem Neubau auch noch nicht zugestimmt. „Der Fall des City-Hofs zeigt, dass Hamburgs Baudenkmäler ganz offenkundig nicht ausreichend geschützt sind“, sagte Kristina Sassenscheidt, die Vorsitzende des Denkmalvereins.
Stimmen zum Abriss
Aber auch die Befürworter des Abbruchs scheinen durchaus Skrupel zu plagen. „Der Verlust eines Denkmals ist immer bedauerlich, allerdings hat es in diesem Fall eine sorgfältige Abwägung der Argumente gegeben, an deren Ende eine Entscheidung steht, die alle akzeptieren sollten“, sagte Brosda, der im Senat für den Denkmalschutz schließlich zuständig ist. Die Grünen, sonst in der Regel keine Freunde der Abrissbirne, hatten sich der Entscheidung nicht in den Weg gestellt. „Der nun eingeleitete Abriss des historisch einmaligen City-Hofes mag aus Sicht des Denkmalschutzes zu bedauern sein, schafft aber auch Perspektiven für einen deutlich attraktiveren Klosterwall und eine Aufwertung des Kontorhausviertels“, sagte der Grünen-Abgeordnete Olaf Duge.
Konkrete Pläne gibt es seit 2014
Wenn nicht noch völlig Unvorhergesehenes geschieht, dann geht eine rund fünfjährige, intensive und emotionsgeladene Debatte über die umstrittenen City-Höfe zu Ende. Der Investor Aug. Prien kündigte an, den Neubau – nach einem Entwurf der Hamburger Architekten KPW Papay Warncke und Partner – „in enger Abstimmung mit der Stadt“ realisieren zu wollen. Ein Entwurf übrigens, der ebenfalls nicht unumstritten ist.
Am Anfang stand das Innenstadtkonzept des damals allein von der SPD gestellten Senats aus dem Jahr 2014. Dort heißt es über den City-Hof, den der Senat erst 2013 unter Denkmalschutz gestellt hatte: „Die dominanten Hochhäuser markieren den Abschluss des östlichen Kontorhausviertels, geben aber im gegenwärtigen Zustand ein wenig würdiges Bild am Rande des Einfallstors in die Innenstadt ab.“ Und wenig später noch deutlicher: „Die denkmalgeschützten City-Hochhäuser … bedürfen… einer Umgestaltung. Ein Neubau würde die Fortsetzung der geschlossenen Randbebauung bis an den Klosterwall ermöglichen, den Wallring rahmen und eine Schließung des Kontorhausviertels in Richtung des Deichtorplatzes vornehmen.“
Markige Sprüche
Die politische Richtung auf den Abriss ist bereits hier deutlich erkennbar, war aber im Senat durchaus nicht unumstritten. Die damalige Kultursenatorin, die mittlerweile gestorbene Barbara Kisseler (parteilos), war für Erhalt und Sanierung des City-Hofs, konnte sich aber gegen den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nicht durchsetzen. Kisseler lehnte es ab, bei der entscheidenden Bürgerschaftssitzung zu sprechen.
Als Abriss-Befürworter profilierte sich einer mit markigen Sprüchen, der sonst eher zurückhaltend agiert: Der damalige Finanzsenator und heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nannte den City-Hof 2017 in einer Fragestunde der Bürgerschaft eine „asbestverseuchte Schrottimmobilie, die städtebauliche Entwicklung verhindert“. Der Zustand der Immobilie am Klosterwall sei „erbärmlich“.
Die langwierige Auseinandersetzung mit Icomos über die Auswirkungen des City-Hof-Abrisses ist beendet. Dennoch geht der Prozess weiter. Icomos und Unesco haben angekündigt, die Entwicklung des Neubaus in der Pufferzone der Welterbestätte genau zu verfolgen. Und der Senat tut im Moment und auch in Zukunft alles, um die Pariser Denkmalschützer nicht noch einmal zu reizen ...