Hamburg. Im Ranking unter 39 deutschen Großstädten landet die Hansestadt weit hinten. Sicherheit das größte Manko. Kritik von der Opposition.

Rückschlag für die selbst ernannte Fahrradstadt Hamburg. Beim heute von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Berlin vorgestellten bundesweiten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) schneidet die Hansestadt in der Gesamtwertung schlechter ab als bei der letzten Erhebung vor zwei Jahren.

Mit einer leicht gesunkenen Schulnote von 4,21 landet Hamburg unter den 39 Großstädten mit mehr als 200.000 Einwohnern nur auf Platz 25. Primus beim bewerteten Verkehrsklima für Radfahrer ist bundesweit Karlsruhe mit einer Note von 3,15 vor Münster und Freiburg. Bei den Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern liegt Bremen vor Hannover und Leipzig, am schlechtesten wird Radfahren in Köln und Dortmund bewertet.

Sicherheit in Hamburg mangelhaft

Die Kurzfassung der Hamburger Befragung, an der sich mit 4213 Menschen doppelt so viele Radfahrer wie beim vergangenen Mal beteiligt haben, lautet: Mehr Frust als Lust. Die Stadt erhält von seinen Radfahrern nur ein „ausreichend“ für Infrastruktur, Komfort und Sicherheitsgefühl. Demnach werden die Bemühungen des Senats für mehr Radfreundlichkeit zwar zur Kenntnis genommen, erreichen aber noch nicht das Erleben der Radfahrer.

Weit oben auf der städtischen Mängelliste stehen die Sicherheit (Schulnote 4,7), die Kontrolle von Falschparkern (5,2) sowie die Breite und die Reinigung der Radwege (5). Auch Konflikte mit Autos (4,9) und schlechte Ampelschaltungen (5) wurden häufig moniert. „Was Radfahrer täglich auf Hamburger Straßen erleben, macht nicht Lust aufs Rad, sondern sorgt für Frust!“, sagt Johanna Drescher, Büroleiterin des ADFC Hamburg.

„Beschämendes Zeugnis“ für den Senat

Für Hamburgs ADFC-Sprecher Dirk Lau zeigen die Ergebnisse, dass die Radfahrer dem rot-grünen Senat ein „beschämendes Zeugnis“ ausstellen. „Die Gesamtnote verschlechtert sich weiter.“ Die Bedingungen für Radfahrer seien vor fünf Jahren noch mit 3,7 bewertet worden, nun erheblich miserabler.

„Und auch die Zufriedenheit beim Radfahren nimmt ab“, so Lau. „Der Spaß bleibt auf der Strecke. So kann es nicht gelingen, mehr Menschen für das Rad zu begeistern. Die meisten Befragten würden insbesondere Kinder nicht mit gutem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen.“ Alles in allem blieben Erwartungen unerfüllt.

Kinder leben auf Radwegen gefährlich

Bei der gesondert abgefragten Familienfreundlichkeit schnitt Hamburg mit einer Gesamtnote von 4,4 ebenfalls wenig ruhmreich ab. Hauptkritikpunkte dabei sind die mangelnde Sicherheit von Kindern auf Radwegen und die Untauglichkeit vieler schmaler Routen für Lastenräder. Hamburg habe trotz aller Bemühungen erheblichen Nachholbedarf, sagt Dirk Lau. „Die Maßnahmen des Senats kommen bei den Menschen nicht an.“ Die Stimmung sei auf einen neuen Tiefpunkt gesunken.

So sehen die neuen StadtRad-Modelle aus.
So sehen die neuen StadtRad-Modelle aus. © Elisabeth Jessen

Doch es gab auch Lichtblicke bei der Befragung. Bundesweit spitze ist etwa die Bewertung für das Leihsystem StadtRad mit einer Note von 2. Zufrieden sind die Menschen auch mit den vielerorts für Radfahrer geöffneten Einbahnstraßen sowie dem grundsätzlich vorhandenen Radwegenetz der Stadt. Die kostenlose Mitnahme der Räder außerhalb der Sperrzeiten im Nahverkehr ist ein weiteres Plus für Hamburg, die Erreichbarkeit des Stadtzentrums per Rad wurde ebenfalls vergleichsweise positiv bewertet.

Teilnahmerekord in Hamburg

Als Erfolg bewertete die Hamburger Sektion des ADFC den Teilnehmerrekord beim Klimatest. Mehr als 4200 Hamburger – 74 Prozent von ihnen dürfen als Experten gelten, da sie täglich Rad fahren – meldeten sich bei der inzwischen achten Auflage des Radklimatests zu Wort. Gemessen an der Einwohnerzahl ist das die höchste Beteiligungsquote bundesweit und zeige laut Dirk Lau „die Wichtigkeit des Themas Verkehr“. Da nur 15 Prozent der Befragten ADFC-Mitglieder sind, aber drei Viertel aller Befragten auch Auto fahren, zeige die Studie, wie wichtig der Masse das Thema Radfahren inzwischen ist. Laut letzten Erhebungen werden täglich 18 Prozent der Wege in Hamburg mit dem Rad erledigt – das Ziel des Senats sind 25 Prozent.

In ganz Deutschland nahmen fast 170.000 Menschen (plus 40 Prozent) am ADFC-Fahrradklimatest teil. 683 Groß- und Kleinstädte schafften es in die Bewertung. Das Barometer für die Radfahrbedingungen, das nicht den Anspruch erhebt, einer repräsentative Studie zu sein, ergründet mit 27 Fragen an Viel- und Gelegenheitsradfahrer, wie sich die Städte entwickelt haben.

Bürgermeister setze auf „das private Auto“

Vor drei Monaten hatte eine repräsentative Umfrage des Sinus-Instituts im Auftrag der Hamburg Marketing GmbH unter 1602 ausgewählten Hamburgern, 500 Bewohnern des Umlandes und 401 Besuchern ergeben, dass der Hauptgrund für den Verzicht aufs Radfahren schlechtes Wetter (63 Prozent) sei – gefolgt von der Angst, von anderen Verkehrsteilnehmern gefährdet zu werden (53 Prozent). Gut die Hälfte der Befragten bemängelten die Infrastruktur (schlechte Wege, wenig Abstellmöglichkeiten) sowie das schlechte Klima zwischen den Verkehrsteilnehmern.

Laut ADFC Hamburg zeige die neue Studie, dass die infrastrukturellen Verkehrskonzepte unverändert „autozentriert“ seien. „Die SPD mit Bürgermeister Peter Tschentscher setzt nach wie vor auf das private Auto. Die Stärkung des Umweltverbunds aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr hat in Hamburg keine Priorität“, so Dirk Lau.

Es brauche eine Verkehrswende, damit Hamburg seine Umwelt- und Verkehrsprobleme in den Griff bekommt und sich zur Metropole mit zukunftsfähiger Mobilität wandelt. „Wenn die Stadt will, dass noch mehr Menschen aufs Rad steigen, dann muss mehr getan werden“, lautet Laus Fazit. Das gehe nur mit mehr Investitionen und mehr Platz für den Umweltverbund aus Fuß-, öffentlichem Nah- und Radverkehr.

Verkehrsbehörde weist Vorwürfe zurück

Die Verkehrsbehörde sieht sich dagegen auf einem guten Weg. Ein Sprecher lässt wissen: „Wir machen Hamburg zu einer Stadt, in der man gerne Fahrrad fährt und das Fahrrad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel wahrgenommen wird.“ Dafür seien viele Projekte angestoßen worden, die derzeit Fahrt aufnehmen. Als Beispiele werden ein dichter werdendes Veloroutennetz, der Um- und Ausbau von Fahrradwegen, eigene Fahrradstraßen, Aufstellflächen für Radfahrer vor Kreuzungen, zusätzliche Bike&Ride-Anlagen und ein StadtRad-Angebot, das in Deutschland seinesgleichen sucht, ins Feld geführt.

Hier geht's zum Dossier des ADFC-Radklimatests 2018

„Das sind Maßnahmen, die den Radverkehr voranbringen und hinter denen sich Hamburg im Deutschlandvergleich nicht verstecken muss“, so der Sprecher. Hamburg investiere pro Kopf mehr als zehn Euro zur Förderung des Radverkehrs. Aber eine Verbesserung gehe „nicht von heute auf morgen“.

In den Behörden, räumt ADFC-Sprecher Lau ein, „arbeiten mittlerweile viele Planer mit guten Ideen für den Radverkehr“. Dem stehe jedoch mangelnder Mut und Wille des Senats zur Verkehrswende entgegen, um Hamburg klima- und fahrradfreundlich umzubauen.

Die Top 10 der 39 größten deutschen Städte im Überblick:

  1. Karlsruhe (3,15)
  2. Münster (3,25)
  3. Freiburg im Breisgau (3,42)
  4. Bremen (3,55)
  5. Hannover (3,77)
  6. Braunschweig (3,82)
  7. Kiel (3,84)
  8. Leipzig (3,85)
  9. Augsburg (3,91)
  10. Rostock (3,92)

...

25. Hamburg (4,21)

...

37. Halle/Saale (4,4)

38. Mönchengladbach (4,4)

39. Wiesbaden (4,42)

Kritik von der Opposition an Rot-Grün

Die Oppositionsfraktionen kritisierten den rot-grünen Senat wegen des schlechten Abschneidens Hamburgs beim ADFC-Radklimatest zum Teil äußerst harsch. „SPD und Grüne sind mit ihrer auf Zwänge und Verbote setzenden Radverkehrspolitik in eine Sackgasse geradelt", sagte Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. "Dass ausgerechnet die Sicherheit beim Radfahren in Hamburg besonders schlechte Noten erhält, wundert uns nicht."

Es sei für niemanden angenehm, auf Hauptverkehrsstraßen neben einen 40-Tonnen schweren Lkw gezwungen zu werden. "Dass nun selbst die Radfahr-Lobbyisten vom ADFC auf Bundesebene dies eingesehen haben, kommt einem Paradigmenwechsel gleich", sagte der CDU-Politiker. "Es wäre schön, wenn auch Rot-Grün bei der Radverkehrsförderung in Hamburg endlich abrüstet und sein Autofahrerfeindbild einmottet."

FDP: Viele Radwege sind Schlaglochpisten

Auch von der FDP hagelte es Kritik. Obwohl die Grünen das Wort "Fahrradstadt" mantraartig wiederholten, schneide Hamburg im Fahrradklima-Test miserabel ab, sagte der FDP-Verkehrsexperte Ewald Aukes. "Es reicht eben nicht, ein paar Radfahrstreifen auf die Straßen zu pinseln. Viele Radwege sind zudem Schlaglochpisten, darüber können auch neue Velorouten nicht hinwegtäuschen." Der Senat müsse endlich die FDP-Forderung umsetzen und die Qualität von Rad- und Fußwegen im Straßenzustandsbericht erfassen, um diese entsprechend koordiniert und rechtzeitig sanieren zu können.

„Die schlechten Ergebnisse sind der traurige Beleg, dass Radfahren in Hamburg immer noch nicht vergnügungsteuerpflichtig ist“, sagte auch Heike Sudmann, die verkehrspolitische Sprecherin der Links-Fraktion. Der von den Grünen sich selbst verliehene Titel "Fahrradstadt Hamburg" sei eine reine Schutzbehauptung. Damit solle von der unvermindert autofixierten Politik des Senats abgelenkt werden. "Hamburg braucht endlich eine Umverteilung des Straßenraums zugunsten der umweltfreundlichen Verkehrsmittel und flächendeckend Tempo 30."