Ottensen. CDU und Grüne wollen Pilotprojekt ausweiten. Anwohner müssten außerhalb parken. Wann es losgehen soll – und wer ausgenommen ist.

Fußgänger und Fahrradfahrer erobern Hamburgs Straßen zurück. Nachdem bekannt wurde, dass im Sommer das Rathausquartier in der Altstadt für mehrere Monate tagsüber autofrei werden soll, plant der Bezirk Altona nun etwas Ähnliches in Ottensen. Dort haben Grüne und CDU eine Allianz gebildet, um das Zentrum des Stadtteils im Herbst ein halbes Jahr lang für einen Großteil des motorisierten Verkehrs zu sperren – und zwar rund um die Uhr. FDP und Linke unterstützen das Vorhaben.

Der mit wechselnden Mehrheiten regierte Bezirk Altona hatte bisher geplant, im Rahmen des EU-Modellprojekts „Cities4People“ die Bahrenfelder Straße vom Spritzenplatz bis zum Alma-Wartenberg-Platz sowie die Ottenser Hauptstraße von der Ecke Bahrenfelder Straße bis zur Mottenburger Straße vier Wochen lang für den Pkw-Verkehr zu sperren.

"Platz für Fahrzeuge, aber keinen für Menschen"

Dort trifft alles aufeinander, was Ottensen für viele attraktiv macht: „Treffpunkt, Markt, Veranstaltungen, Straßenkünstler/innen, politische Aktivitäten – vielfältiger geht es kaum. Trotz dieser intensiven Nutzung endet die Fußgängerzone am Spritzenplatz“, bemängeln die Fraktionen von CDU und Grünen in ihrem Antrag. Fußgänger und Radfahrer tummeln sich auf den schmalen Gehwegen, während Parkplätze und der Straßenverkehr den meisten Raum einnehmen. „Es gibt Platz für Fahrzeuge, aber keinen für Menschen“, sagt Grünen-Verkehrspolitikerin Eva Botzenhart.

Aus Sicht der Grünen und der CDU sind Zeitraum und Gebiet für das Pilotprojekt aber nicht ausreichend. Gemeinsam legen die Fraktionen am Donnerstag einen Antrag in der Bezirksversammlung zum Beschluss vor, um die Testphase von September an auf sechs Monate auszudehnen und den Bereich um die Stangestraße, einen Teil der Großen Rainstraße von der Ecke Bahrenfelder Straße bis zur Ecke Kleine Rainstraße, Rothestraße, Nöltingstraße und Am Felde zu erweitern.

„In Ottensen kommt vieles auf sehr kleinem Raum zusammen, daher bietet sich der Stadtteil für ein Pilotprojekt an“, sagt Tim Schmuckall, stellvertretender Chef der CDU-Fraktion in Altona. Eine längere Versuchsphase würde sich auch über die Weihnachtszeit und den Beginn der Außengastronomie im Frühjahr erstrecken. „Daraus könnten verlässlichere Aussagen über die Auswirkungen auf Geschäfte und Gastronomie getroffen werden“, sagt Schmuckall. „So ließen sich die Ergebnisse auch auf andere Stadtteile übertragen.“

Anwohner sollen auf Parkhäuser ausweichen

Von dem Vorschlag ausgenommen sind neben Rettungsfahrzeugen und Stadtreinigung, Handwerker, Markthändler und der Lieferverkehr. Auch für Praxen, deren Patienten auf nahe gelegene Parkplätze angewiesen sind, soll eine Lösung gefunden werden. Anwohner, die keinen Tiefgaragen- oder Hinterhofstellplatz haben, müssten aber außerhalb des Quartiers parken.

„Für sie streben wir Angebote für Stellplätze in den drei vorhanden Parkhäusern an“, sagt Schmuckall. Deren Betreiber zeigten sich bislang gesprächsbereit. Auf Widerspruch von den Betroffenen stellen sich die Politiker ein. „Es würde mich wundern, wenn es keine Kritik gäbe“, räumt Schmuckall ein. Befragungen des Projekts „Cities4People“ hätten aber gezeigt, dass sich die Menschen im Stadtteil weniger Autos im Zentrum wünschten.

Bleibt Ottensen dauerhaft autofrei?

Das Bezirksamt Altona, die HafenCity Universität Hamburg und die Senatskanzlei beteiligen sich als Pilotregion für Quartiersmobilität am europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizon 2020“. Das Projekt "Cities4People" erstreckt sich über die vier weiteren Pilotregionen Budapest (Ungarn), Trikala (Griechenland), den Bezirk Oxfordshire (Großbritannien) sowie den Istanbuler Stadtteil Üsküdar (Türkei) und wird mit knapp vier Millionen Euro von der EU gefördert. Davon fließen mehr als 630.000 Euro in Teilen an die Stadt Hamburg und die HafenCity Universität, 42.000 Euro direkt in das Vorhaben in Ottensen.

Vom 1. September an soll der öffentliche Raum dort neu aufgeteilt werden. Alle Betroffenen sollen vor und während der Pilotphase regelmäßig zu ihren Erfahrungen befragt werden. „Sorgen von Gewerbetreibenden, etwa vor möglichen Umsatzeinbußen, nehmen wir ernst“, sagt Botzenhart. Stelle sich nach einem Monat heraus, dass es nicht funktioniert, könne das Projekt jederzeit abgebrochen werden. Sie hofft aber, dass es mit breiter Zustimmung an den Start gehen kann. „Wird die Pilotphase ein Erfolg, soll Ottensen dauerhaft – fast – autofrei bleiben.“