Hamburg. Offenbar gibt es keinen Vertrag über die 100 Freikarten. Bezirk will weitere Konzert-Absprachen nicht veröffentlichen.

Die CDU hat vom Bezirksamt Nord jetzt in einem Antrag zur nächsten Bezirksversammlung volle Transparenz über die Vorgänge rund um das Rolling-Stones-Konzert 2017 im Stadtpark gefordert. Hintergrund: Der Bezirk hatte nach wochenlanger Weigerung zwar kürzlich doch den Vertrag mit dem Konzertveranstalter ins Transparenzportal der Stadt im Internet gestellt – weitere Unterlagen zu Absprachen wurden allerdings nicht veröffentlicht.

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bezirksabgeordneten Bernd Kroll stellte der Bezirk nun fest, dass es über die 100 Freikarten, die der damalige Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) erhalten und offenbar nach Gutdünken an Mitarbeiter, Parteifreunde und andere verteilt hatte, keine ihm bekannten Verträge gebe. Das erscheint der CDU ungewöhnlich – zumal die Karten einen Gesamtwert von mehr als 10.000 Euro haben dürften. Die Staatsanwaltschaft bestätigte dem Abendblatt, dass es über die Zuteilung der Karten keine schriftliche Vereinbarung gebe.

Weiterer Skandal

„Dass es für die 100 Freikarten keinen Vertrag gibt, ist unfassbar und macht deutlich, dass sich der SPD-Bezirksamtsleiter Harald Rösler ganz offensichtlich hat bestechen lassen“, sagte der CDU-Bezirksabgeordnete Kroll. „Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch, dass jetzt endgültig alle Informationen auf den Tisch kommen. Wir fordern volle Transparenz vom SPD-Bürgermeister und von seinem Bezirksamtsleiter.“

Ein weiterer Streitpunkt ist der „Letter of Intent“ (LOI), in dem vorab zwischen Bezirk und Veranstalter Eckpunkte vereinbart worden sein sollen. Diesen will das Bezirksamt nicht veröffentlichen, da er „keinen im Sinne des Hamburgischen Transparenzgesetzes zu veröffentlichenden Vertrag“ darstelle. Zugleich räumte das Bezirksamt ein, dass es auch Dutzende weiterer Verträge über andere Konzerte mit demselben Veranstalter, der das Stones-Konzert ausrichtete, nicht im Transparenzportal veröffentlicht habe – und listet diese in seiner Antwort auf. Dass der Bezirk den LOI nicht veröffentliche, sei „ein weiterer Skandal“, sagt CDU-Mann Kroll. „Es macht deutlich, dass SPD und Grüne gemeinsam versuchen, die Korruption unter dem SPD-Bezirksamtsleiter Harald Rösler zu vertuschen.“

Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt

Nach aktueller Auskunft der Staatsanwaltschaft wird oder wurde im Zusammenhang mit dem Stones-Konzert in 49 Verfahren gegen 52 Personen ermittelt. Dabei geht es um den Verdacht der Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung, Bestechung, Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten. Mittlerweile gibt es sieben Anklagen, unter anderem gegen die frühere Staatsrätin Elke Badde (SPD), die zwischenzeitliche Leiterin des Bezirksamts Yvonne Nische (SPD) und fünf Mitarbeiter des Bezirksamts. Erst im Fall von Elke Badde gibt es aber bisher einen Beschluss des zuständigen Gerichts, das Verfahren zu eröffnen. Ein Termin steht noch nicht fest.

Einige Verfahren wurden eingestellt, etwa wegen Geringfügigkeit oder weil es keinen hinreichenden Tatverdacht gab – oder weil die Betroffenen eine Strafzahlung akzeptierten. Es laufen laut Staatsanwaltschaft aktuell noch 32 Ermittlungen gegen 37 Personen. Wann diese abgeschlossen seien, könne man nicht genau abschätzen, zumal es täglich neue Erkenntnisse gebe, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Man hoffe, das bis zum kommenden Sommer zu schaffen. Zu Gerüchten, dass auch Mitarbeiter, die für die Sicherheitsabnahme der Konzertbühne verantwortlich waren, Freikarten bekommen hätten, wollte sich Frombach am Donnerstag nicht konkret äußern.

255.000 Euro Nutzungsentgelt

Hintergrund des gesamten Verfahrens: Der damalige Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) hatte 2017 vor dem Konzert im Stadtpark 100 Freikarten und Dutzende Vorzugs-Kaufkarten an politische Freunde, Mitarbeiter und Bezirksabgeordnete verteilt. Bei den Freitickets gab es Stehplätze zum regulären Preis von 98,53 Euro und Sitzplätze zu 168,40 Euro. Es besteht der Verdacht, dass die Genehmigung des Bezirks für eine solche Großveranstaltung im Stadtpark mit der Zusicherung eines ungewöhnlich großen Kontingents an Gratis- und Sonderkarten zusammenhängen könnte.

Nach dem veröffentlichten Vertrag hatte der Veranstalter 255.000 Euro Nutzungsentgelt zu zahlen und Sicherheitsleistungen zu hinterlegen. Nach der Gebührenordnung hätte der Bezirk womöglich deutlich mehr von den Stones bzw. dem Konzertveranstalter kassieren können. Auch diese Frage ist aber noch Teil der Ermittlungen.