Hamburg . Dem 77-Jährigen wurde vorgeworfen, einen Rettungssanitäter im Streit um einen Parkplatz geschlagen zu haben.

Weil er nicht einsah, mit seinem Auto für einen Rettungswagen Platz zu machen -- und es im weiteren Verlauf zu Handgreiflichkeiten mit einem Sanitäter kam, musste sich der Rentner Peter B. (77) aus Wilhelmsburg am Montag vor dem Amtsgericht Harburg wegen Körperverletzung verantworten.

B. hatte laut Anklage am 21. September 2018 gegen 11.20 Uhr dem zu einem Notfall gerufenen Rettungssanitäter Markus Garbe (28) vor einer Arztpraxis in der Neuenfelder Straße „mit der Faust schmerzhaft gegen das Brustbein und den Bauch geschlagen, wodurch der Rettungssanitäter ein Bauchtrauma erlitt“, so die Staatsanwältin.

Rentner will Sanitätet nur "weggeschubst" haben

Der Sanitäter hatte B. aufgefordert, seinen auf dem Parkstreifen abgestellten Pkw etwas vorzufahren, damit der im Einsatz befindliche Rettungswagen ordnungsgemäß für einen Krankentransport abgestellt werden könne. Der Angeklagte weigerte sich jedoch. Es kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung, „in deren Verlauf der Rentner den Retter körperlich angriff“, so die Staatsanwältin.

Im Prozess schilderte der Rentner die Sache aus seiner Sicht. Er habe den Sanitäter nicht angegriffen, sondern lediglich „weggeschubst“, als dieser aus der Beifahrertür des Rettungswagens „auf mich zusprang“ so der Angeklagte. „Wenn ich ihm dabei wehgetan habe, möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen.“ Zuvor habe er in der Apotheke nur kurz ein Rezept für seine kranke Frau einlösen wollen.

Rettungssaitäter Markus Garbe (28, l.)erlitt durch  Schläge ein stumpfes Bauchtrauma und musste sich übergeben. Er sagte als Zeuge aus, ebenso sein Kollege Robert Tuchard, der denn RTW gefahern hatte. 
Rettungssaitäter Markus Garbe (28, l.)erlitt durch  Schläge ein stumpfes Bauchtrauma und musste sich übergeben. Er sagte als Zeuge aus, ebenso sein Kollege Robert Tuchard, der denn RTW gefahern hatte.  © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Zwei kräftige Schläge in die Magengrube

Der Sanitäter, der seit dem schmerzhaften Vorfall in Wilhelmsburg beim Johanniter-Rettungsdienst in Rissen arbeitet, sagte als Zeuge aus. Der Rentner sei nicht bereit gewesen, den Parkplatz am Ärztehaus für den Rettungswageneinsatz zu räumen. Mit den Worten „Ihr habt hier keine Narrenfreiheit“ sei der Mann ins Ärztehaus gegangen, kurz darauf wieder zurückgekommen.

Mit den Worten „Verpisst euch“ habe er sich dann an die Sanitäter gewandt, die inzwischen notgedrungen neben ihm auf der Straße parkten. „Als ich ausstieg, kam der Mann auf mich zu. Er hielt mir die Autoschlüssel ganz dicht vor die Nase“, sagte Garbe. Um sich vor einem möglichen Angriff des Mannes zu schützen, habe er den Arm des Rentners weggestoßen – worauf dieser ihm zwei kräftige Schläge mit der Faust in die Magengegend verpasst habe.

Sanitäter musste sich übergeben

Garbes Kollege, der Rettungssanitäter Robert Tuchard (35), befand sich zu dem Zeitpunkt am Heck des Rettungswagens. Was genau wenige Meter vor ihm geschah, konnte er von dort aus nicht sehen. „Als ich mitbekam, dass die Sache eskalierte, ging ich dazwischen und rief ,Jetzt ist Feierabend!’“, sagte Tuchard im Zeugenstand. Intoleranz und Hass gegenüber Rettungskräften würden ständig zunehmen.

Nach den Schlägen habe sich sein Kollege übergeben müssen. Im Krankenhaus diagnostizierten Ärzte bei Garbe ein „stumpfes Bauchtrauma“, von dem sich der junge Mann glücklicherweise rasch wieder erholte. Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass der Rentner den Retter angegriffen hat – nicht umgekehrt. Dabei habe der Angeklagte „billigend in Kauf genommen“, dass der Sanitäter verletzt wurde.

Staatsanwältin zu Angeklagtem: "Ihr Verhalten ist asozial"

„Ihre Einlassungen wurden durch die Angaben des Geschädigten und des Zeugen klar wiederlegt“, wandte sich die Staatsanwältin an B., der im Prozess stets betont hatte, dass er sich nur „verteidigt“ habe. „Weswegen sollte Sie der Sanitäter angreifen? Es gibt gar kein Motiv“, sagte die Staatsanwältin.

Der Rettungswagen sei zum Einsatz unterwegs gewesen – auch wenn es nicht um Leben und Tod ging. „Ihr Verhalten ist asozial. So verhält man sich nicht“, redete sie dem Angeklagten ins Gewissen und forderte eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Aussage stand gegen Aussage

Im Schlusswort beteuerte der Rentner, er wäre „sofort weggefahren, wenn es um Leben und Tod gegangen wäre.“ Der Richter sah es – im Gegensatz zur Staatsanwältin – nicht als erwiesen an, dass der Angeklagte einen Angriff verübte und urteilte überraschend mit Freispruch.

„Es wäre höflich gewesen, wenn Sie auf dem Parkstreifen etwas vorgefahren wären“, sagte er dem Angeklagten. Der Zeuge habe den relevanten Zeitpunkt nicht wahrgenommen. Es stehe somit Aussage gegen Aussage. „Wie es wirklich war, wissen wir nicht. Es gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten“, sagte der Richter in der Urteilsbegründung.

Die beiden Rettungssanitäter, die bei den Johannitern arbeiten, hatten den Prozess bis zum Schluss als Zuschauer beobachtet. Sie zeigten für den Freispruch kein Verständnis und nahmen das Urteil mit Kopfschütteln zur Kenntnis. „Mit Freispruch habe ich nicht gerechnet. Was soll man denn machen?“, sagte Markus Garbe. Wortlos verließen die jungen Männer den Gerichtssaal.