Hamburg. In einer Spielhalle fühlte sich Ahmed P. wohl. Doch die Freude über eine Glückssträhne durfte der Mann nicht lange genießen.
Der Abend, der für den Mann in einer Katastrophe enden sollte, hatte eigentlich sehr vielversprechend begonnen. Blinkende Lichter an Automaten, schnell rotierende Anzeigen, der Nervenkitzel, ob er mit den Taschen voller Geld nach Hause gehen oder doch nur verlieren würde: Inmitten der Einarmigen Banditen einer Spielhalle fühlte sich Ahmed P. (alle Namen geändert) wohl. Und als der 33-Jährige auch noch einen satten Gewinn einstrich, schien der Abend für ihn perfekt. Doch die Freude über seine Glückssträhne durfte er nicht lange genießen.
Denn unmittelbar danach begann das Pech, das ihn mit Macht überströmte – und wohl viel nachhaltiger, als es allein der Verlust von Geld gewesen wäre. Ahmed P. wurde Opfer eines Raubes. Er musste erleben, wie fünf Männer ihn bedrohten und überwältigten. Er erblickte ein Messer, das einer der Täter zückte, er bekam schlecht Luft. Und er hatte Sorge, ob er überhaupt mit dem Leben davonkommen würde. Einen Monat lang, so erzählt es der 33-Jährige im Prozess vor dem Landgericht, habe er nach dem Übergriff unter Angstzuständen gelitten. War der Angeklagte Jack N. einer der Männer, die dem Opfer das Leben schwer gemacht haben? Die Staatsanwaltschaft wirft dem 31-Jährigen vor, gemeinsam mit vier noch unbekannten Mittätern den Überfall vom Mai 2017 begangen zu haben. Offenbar hatten die Männer beobachtet, wie Ahmed P. Geld gewann, und ihn deshalb als durchaus lohnendes Opfer auserkoren.
31-Jähriger bleibt ein Rätsel
Laut Anklage lauerten die Täter dem 33-Jährigen später in der Nähe der Spielhalle an einer U-Bahn-Unterführung am Hauptbahnhof auf, schlugen den Mann und rissen ihn zu Boden. Dann soll einer der anderen Täter ein Messer gezogen und dem Opfer damit gedroht haben, ihn zu töten, wenn er Widerstand leiste. Jack N. habe die Beine des Überfallenen fixiert, so die Vorwürfe weiter. Ein anderer Täter habe dem Opfer aus der Jackentasche Brieftasche und Handy genommen. Schließlich sei Jack N. mit dem Portemonnaie inklusive 1800 Euro Spielgewinn geflüchtet.
Mit unergründlicher Miene sitzt der 31-Jährige als Angeklagter im Gerichtssaal. Und auch weit über seinen maskenhaften Gesichtsausdruck hinaus wird der Mann mit den schwarzen Haaren und dem athletisch wirkenden Körper den anderen Prozessbeteiligten auch am Ende der sechs Tage dauernden Hauptverhandlung ein Rätsel bleiben. Kaum etwas ist bekannt über den Angeklagten. Nicht, ob der westafrikanische Staat, den er als Herkunftsland angegeben hat, wirklich der Ort seiner Geburt ist – und noch nicht einmal, ob der Name, den er bei den Behörden nannte, nur seiner Fantasie entsprang.
Präzise Täterbeschreibungen fehlten
Denn ins Deutsche übersetzt würde er sinngemäß „Max Mustermann“ heißen, das Äquivalent also zu „Otto Normalverbraucher“ oder Jedermann. Und Jedermann würde es vermutlich entrüstet von sich weisen, mit dem Mann in einen Topf geworfen zu werden. Schließlich hat Jack N. in den nicht einmal vier Jahren, seit er in Deutschland ist, bereits vier Verurteilungen angehäuft. Zu den Vorwürfen, er sei an dem Raub bei der Spielhalle beteiligt gewesen, mag der Angeklagte nichts sagen. Opfer Ahmed P. schildert, dass die Männer ihn im Dunkel überwältigt hatten. Eine Reinigungskraft, der Zeuge des Übergriffs wurde, hatte noch versucht, die Täter mit einem Besen von ihrem Opfer abzudrängen. Vergebens.
Weder der Überfallene noch der Zeuge hatten präzise Täterbeschreibungen abgeben können. In der Beweisaufnahme spielten daher ein Überwachungsvideo sowie ein DNA-Gutachten eine entscheidende Rolle. Anhand von DNA-Spuren in der Spielhalle konnte nachgewiesen werden, dass Jack N. vor dem Übergriff in unmittelbarer Nähe des späteren Opfers gewesen war. Und Bilder eines Videos aus einer Überwachungskamera waren zwar zu grobkörnig, um jemanden darauf zu identifizieren.
Einer der Mittäter hatte ein Messer bei sich
Doch eine Anthropologin wertete als Sachverständige die Aufnahmen aus und kam zu dem Ergebnis: Von 62 anatomischen Kategorien wie Haaransatz, Gestalt und Gesichtsform stimmten 58 mit den Merkmalen des Angeklagten überein, sodass es sich bei Jack N. laut Gutachten „sehr wahrscheinlich“ um den Täter handele. Gemeinsam mit der DNA-Spur stützt diese Sachverständigen-Expertise die Überzeugung des Gerichts, dass der 31-Jährige der angeklagten Tat schuldig ist. Zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe unter anderem wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung lautet das Urteil der Kammer.
„Wir haben nicht festgestellt, wer Sie sind oder was Sie denken. Aber wir haben festgestellt, was Sie getan haben“, sagt der Vorsitzende Richter. Zugunsten des Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass Jack N. nicht wusste, dass ein Mittäter ein Messer bei sich hatte und dass er auch von dem Einsatz der Waffe nichts mitbekommen hat. Trotzdem habe er sich an einer schweren Straftat beteiligt und nunmehr „ein ernsthaftes Problem“, sagt der Vorsitzende. Jetzt im Gefängnis habe Jack N. die Gelegenheit, „an sich zu arbeiten“. Wenn ihm das nicht gelinge, seien weitere Straftaten und gegebenenfalls noch härtere Verurteilungen zu erwarten. „Sie haben es in der Hand, was aus Ihnen wird.“