Hamburg. Schon bei der Abfrage des Geburtsdatums bringt die Angeklagte vor dem Gericht nicht mehr als ein Nicken zustande.

Ihren Namen bekommt sie gerade noch so heraus, mit kaum hörbarer Stimme. Doch schon bei der Abfrage des Geburtsdatums bringt Anna A. (alle Namen geändert) nicht mehr als ein Nicken zustande. „Meine Mandantin ist sehr schüchtern“, erläutert der Verteidiger der 23-Jährigen. „Sie geht nur aus sich heraus, wenn sie ihre Arbeitskleidung trägt.“ Und damit sind mitnichten Kittel oder Blaumann gemeint, sondern eher wohl ein Outfit mit wenig Stoff und viel Raum für Fantasie. Denn die Hamburgerin verdient ihr Geld im ältesten Gewerbe der Welt. Schüchtern hin oder her: In dem Job sollte sie besser keine Berührungsängste haben.

Von irgendwelcher besonderen Zurückhaltung hat ihr Kunde Jonas M. jedenfalls nichts bemerkt. 17 Jahre alt, unerfahren, aus einer Kleinstadt und mit einem Kumpel auf der Reeperbahn: Der junge Mann ließ sich im September nicht lange bitten, die 23-Jährige auf ein Zimmer zu begleiten. Und es ging auch durchaus zur Sache. Nur mit dem Preis war der Auszubildende nicht einverstanden. Als er ihr seine EC-Karte aushändigte und zudem die PIN nannte, soll Anne A. 166 Euro von seinem Konto abgehoben haben statt der vereinbarten 50 Euro. Und damit war das Abenteuer am Ende doch irgendwie unbefriedigend. Jonas M. erstattete Anzeige wegen Betruges.

Untadeliger Ruf sei wichtig

Mausgraue Strickjacke, dezentes Make-up, schlichter Zopf: Als Angeklagte vor Gericht bemüht sich Anna A. durchaus um ein unauffälliges Erscheinungsbild. Stumm und mit immer wieder errötenden Wangen verfolgt sie, wie ihr Anwalt sich für sie ins Zeug legt. „Sie hat hohe Ansprüche an ihre Leistungen“, erläutert der Verteidiger. Bei der großen Konkurrenz in dem Gewerbe sei „ein untadeliger Ruf wichtig. Wenn ihr Kunde unzufrieden war, bietet sie als Kompensation 100 Euro an.“ Dies bedeute indes nicht, dass Anna A. betrogen habe.

„Sie bestreitet. Sie hat alle Leistungen mit Zustimmung des Kunden erbracht. Und sie waren ihr Geld wert.“ Werde dies angezweifelt, müsse notfalls ein Sachverständiger hinzugezogen werden, prescht der Anwalt vor. Die Richterin ist irritiert: „Um was festzustellen? Was die jeweiligen Leistungen auf dem Kiez wert sind?“ Man frage sich, wie ein Gutachter dies erheben wolle. Zunächst habe man 30 Euro vereinbart, listet der Verteidiger auf, dann auf 50 erhöht und sich letztlich auf Leistungen für 200 Euro geeinigt. „Aber eine höhere Abbuchung als 166 Euro ließ das Konto des Kunden nicht zu.“

Frau verschwand mit der Karte

Jonas M. schildert als Zeuge, wie er mit einem Kumpel auf dem Kiez war und „breitgeschlagen“ worden sei, mit einer Prostituierten mitzugehen. Sein Freund sei mit einer Dame auf einem Zimmer verschwunden. „Da dachte ich, ich probiere das mal aus“, sagt der 17-Jährige aus dem Hamburger Umland. Damals habe die Frau den ursprünglich vereinbarten Liebesdienst vollbracht und gefragt, ob er mehr wolle. „So dumm, wie ich war, habe ich ihr meine EC-Karte gegeben und den PIN auch.“ Die Frau verschwand mit der Karte. Weil sie recht lange blieb, prüfte der 17-Jährige über sein Smartphone die Abhebung nach.

„Als ich sie fragte, warum sie 166 Euro genommen hat, sagte sie, ich würde mein Geld zurückbekommen, wenn ich mit ihren Leistungen unzufrieden sei!“ Schließlich sei die Frau, mit der sich sein Kumpel zurückgezogen hatte, erschienen und habe erzählt, dass es bei ihnen nicht funktioniert habe, „weil er angeblich mehr auf Ältere steht. Das konnte ich mir aber nicht vorstellen“, so Jonas M. Und für den Vorschlag, er könne sich doch nun mit beiden Frauen vergnügen, „konnte ich mich nicht so begeistern“.

Strafverfahren wird eingestellt

Die Leistung von Anna A. sei „völlig in Ordnung gewesen“, stellt er klar. „Ich würde nur gern mein zu viel abgehobenes Geld wiederkriegen.“ Erneut ergreift der Anwalt für seine Mandantin das Wort. Sie sei bereit, ihm 100 Euro zu zahlen, „für Ihre Unzufriedenheit“. Gesagt, getan. Ein schüchternes Lächeln umspielt den Mund der 23-Jährigen, als sie ihrem Ex-Kunden das Geld überreicht. Die Richterin hat noch einen Rat: „Immer schön das Gehirn einschalten, bevor Sie wieder so etwas machen.“

Nach der Zahlung dieses Schadenersatzes wird das Strafverfahren gegen Anna A. eingestellt. Obwohl der junge Mann Leistungen bekommen hat, so die Richterin zur Angeklagten, „war es dennoch falsch, dass Sie mehr abgehoben haben als vereinbart. Sehen Sie zu, dass Sie so etwas nicht wieder machen, sonst denkt man, das sei Ihre Masche!“ Allerdings sei es nun mal Fakt, dass das, was Anna A. an Leistungen erbracht hat, „auch etwas kostet. Und vielleicht mehr, als ein 17-Jähriger aus einer Kleinstadt sich so vorstellt.“