Neustadt. Zwei Handwerker brachten eine alte Dame um 3000 Euro. Einer von ihnen wurde jetzt zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt.

Das Geld hatte sie eisern zurückgelegt. 3000 Euro waren es, eine stolze Summe für die Rentnerin, die ihr fürsorglicher Bruder ihr überlassen hatte – gedacht für schlechte Zeiten. Und solch eine Notlage war gerade hereingebrochen, so schien es. Als ein Handwerker vorbeigekommen war, um sich das Dach vom Haus der 77-Jährigen anzuschauen. Und als dieser Mann ihr wenig später von oben zurief: „O Gott, hier ist ja alles nass!“ Gerda M. (alle Namen geändert) erinnert sich noch, wie der Dachdecker schließlich ein Stück Isolierung herunterreichte, auf dem sich irgendwelche Würmer wanden. Und dass er sagte, das ganze Dach müsse wegen Schädlingsbefalls neu gemacht werden. „Da war ich in Schockstarre.“

Erst später hat die Rentnerin erfahren, dass die Männer ihr mit den Würmern einen Bären aufgebunden haben. Denn die angeblichen Schädlinge hatten die Handwerker selber mitgebracht und heimlich auf dem Dach drapiert, um Senioren zu überrumpeln und ordentlich abzusahnen – für Instandsetzungsarbeiten, die gar nicht nötig waren.

Die Männer standen bereits vor Gericht

Jetzt, fast vier Jahre nach dem Vorfall vom September 2014, möchte Gerda M. diese Episode aus ihrer Erinnerung am liebsten verdrängen. Stirnrunzelnd lässt die Rentnerin im Gerichtssaal ihren Blick über die Männer schweifen, die dafür verantwortlich sein sollen, dass sie viel Geld verlor, ebenso wie mehrere andere Senioren. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten im Alter zwischen 29 und 51 Jahren vor, gezielt bei älteren Menschen Vereinbarungen für unnötige Dachdeckerarbeiten geschlossen zu haben. Wenn eine veritable Anzahlung geleistet wurde, machten sie sich demnach aus dem Staub. In einem früheren Prozess vor dem Amtsgericht waren die Männer bereits zu Freiheitsstrafen zwischen 22 und 35 Monaten verurteilt worden. Weil sie Berufung eingelegt haben, wird der Fall in der zweiten Instanz verhandelt.

Damals, so erzählt Gerda M. als Zeugin, habe sie gemeint, es sei ein Segen, dass ein Handwerkerteam schnell vor Ort war und den Schaden umgehend beheben wollte. Dass sie dachte, ihr sei ein guter Preis gemacht worden, als die Männer sich für die Reparatur von 8000 auf 5300 Euro herunterhandeln ließen. Und wie sie 3000 Euro bar anzahlte, um die angeblichen Schäden zügig beseitigen zu lassen. Die Erkenntnis, Betrügern aufgesessen zu sein, schmerzt die Hamburgerin noch heute. „Als ich später nach oben ging, waren keine Maden da, und es war auch nichts nass. Und der sogenannte Dachdecker huschte nur so durch.“

Die Täter erbeuteten gut 12.000 Euro

Ein 82-Jähriger schildert, wie auch bei seinem Haus ein angeblich erheblicher Schaden am Dach festgestellt wurde. „Zum Beweis wurde mir ein Brett gezeigt, auf dem gefährliche Schädlinge sein sollten.“ Doch der Rentner erkannte, dass er hereingelegt werden sollte: „Das waren nur Mehlwürmer.“ Andere Opfer hatten weniger Glück. Insgesamt erbeuteten die Täter gut 12.000 Euro.

Zwei der Angeklagten weisen die Vorwürfe von sich. Sie seien von seriösen Arbeiten ausgegangen, sagen sie. Ein Geständnis ihres Mitangeklagten Christian A. bezeichnen sie als „Verrat“. Doch der 29-Jährige kontert: „Meine Aussage ist kein Verrat, sondern die Wahrheit. Wir wollten weg, sobald der Vorschuss kassiert ist.“ Er erzählt von einer „Liste“ von möglichen Opfern, die „abgearbeitet“ werden sollte. Christian A. ist gut beraten, reinen Tisch zu machen. Er ist vorbestraft und stand zur Tatzeit unter laufender Bewährung.

Ein vierter Angeklagter (45), der ebenfalls gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, ist unentschuldigt nicht zum Termin erschienen. Damit ist das Urteil aus der ersten Instanz, in dem er zweieinhalb Jahre Haft bekommen hat, rechtskräftig. Im Amtsgerichts-Prozess hatte der damalige Angeklagte gesagt, es sei der Plan des Quartetts gewesen, gezielt bei älteren Kunden nicht erforderliche Arbeiten auszuführen. Er und ein weiterer Mann hätten „das Bild des Dachdeckers abgeben und die Maden präsentieren“ sollen. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass nicht ernsthaft Dachdecker-Tätigkeiten ausgeführt werden sollten.

Der Prozess für die beiden Angeklagten, die die Taten bestreiten, geht noch weiter. Das Verfahren gegen Christian A. indes, der ein Geständnis abgelegt hat, kommt zum Abschluss. Das Gericht verhängt letztlich zwei Jahre und fünf Monate Haft, vier Monate weniger als in der ersten Instanz. Bewährung sei nicht möglich, weil der 29-Jährige bereits wegen der gleichen Betrugsmasche vorbestraft ist, betont der Vorsitzende Richter. „Sie haben gezielt ältere Menschen als Opfer ausgesucht“ und damit teilweise schutzbedürftige Senioren um Geld betrogen, das sie für den Lebensabend zusammengespart hatten. „Das ist besonders verwerflich.“