Hamburg/London. Mehr Personal für Zoll und Veterinäramt, Übergangsregelungen für die 4000 Briten in Hamburg. Partnerschaften laufen weiter.

Nun bleiben nur noch vier Wochen. Am 29. März wird das Vereinigte Königreich, hierzulande gern auch England genannt, aus der EU ausscheiden – wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Zuletzt wurden zwei neue Varianten ins Spiel gebracht. Der Brexit könnte verschoben werden, der Brexit könnte den Engländern erneut zur Abstimmung vorgelegt werden. Dennoch ist der 29. März der Termin, den alle im Blick haben. Viele fragen sich: Was geschieht im Fall eines harten, also eines vertraglich nicht geregelten Brexits?

Wird der Flugverkehr eingeschränkt? Nein. Hier gibt es seit Freitag eine erfreuliche Entwicklung. Mit befristeten Maßnahmen der EU ist zunächst sichergestellt, dass der Flugverkehr zwischen der Insel und Europa auch nach dem 29. März weiterlaufen kann. Ohne diese Maßnahmen hätte es Beschränkungen gegeben, von denen insbesondere die in Großbritannien ansässigen Fluggesellschaften betroffen wären. Dieses Pro­blem ist nun gelöst. Allerdings nicht dauerhaft, sondern nur für ein paar Monate. Auf neun Monate befristet ist die Zusicherung, dass die Sicherheitszertifikate für Flugzeuge der britischen Airlines auch in Europa gelten. Auf sieben Monate befristet ist die Zusicherung, dass diese Airlines ihre Verbindungen zwischen England und Europa aufrechterhalten können. Mit anderen Worten: Die Sommersaison ist gesichert.

Ist der Flughafen Hamburg vorbereitet? „Der Flughafen Hamburg hat die aktuelle Entwicklung im Vereinigten Königreich im Blick und beschäftigt sich intensiv mit den Folgen eines bevorstehenden EU-Austritts“, sagt Flughafen-Sprecherin Janet Niemeyer. „Betroffen von dem Brexit sind vor allem Kunden des Flughafens und behördliche Einrichtungen am Standort.“ Zoll und Fluggesellschaften geben an, mit den Folgen des Brexits klarkommen zu können. Knapp 1,4 Millionen Passagiere sind im vergangenen Jahr von Hamburg aus nach England und umgekehrt geflogen. Rund 11.000 Flüge waren es, die meisten (gut 3000) von British Airways.

Wie sind die Zollvorschriften?
In diesem Bereich gibt es nach wie vor keine Übergangsregelungen. Das bedeutet: Waren aus England werden vom 29. März an wie Waren aus Drittländern behandelt, müssen also kontrolliert und verzollt werden. Beim Hauptzollamt Hamburg-Hafen, auch unter der Bezeichnung Zollamt Waltershof bekannt, dürfte das zu erheblicher Mehrarbeit führen. Hamburg gilt für die Bundeszollverwaltung als „Hot Spot“. Von den insgesamt bundesweit 900 zusätzlichen Zöllnern, die eingeplant sind, sollen nach Senatsangaben mindestens elf in Waltershof tätig werden. Oliver Bachmann, Sprecher der Hamburger Zolls, sagt zu den Gründen der Mehrarbeit: „Wir werden die Waren einfach nicht mehr so schnell abfertigen können wie bisher.“ Zum Glück bekommen die rund 3000 Zöllner, die in Hamburg ihren vielfältigen Aufgaben nachgehen, in diesem Jahr ohnehin Verstärkung. Es ist ein schon länger geplanter Personalaufbau, der mit dem Brexit direkt nichts zu tun hat. 190 zusätzliche Stellen können besetzt werden. Die Zollverwaltung plant auch, im Fall eines harten Brexits Mitarbeiter vorübergehend zu versetzen. So könnten Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern in Hamburg aushelfen. Das Veterinär- und Ausfuhramt, das der Gesundheitsbehörde unterstellt und für die Kontrolle von Tieren und Tierprodukten zuständig ist, hat als Reaktion auf den Brexit vier zusätzliche Stellen bekommen.

Was passiert mit den rund 4000 Briten, die in Hamburg leben?
EU-Bürger können sich für unbegrenzte Zeit in Deutschland aufhalten. Bei einem harten Brexit würde diese Regelung für Briten nicht mehr gelten. Die Bundesregierung plant derzeit mit einer Übergangsregelung, die auf drei Monate befristet ist. In dieser Zeit änderte sich für die Briten in Hamburg nichts. Danach gelten für sie allerdings die Regeln für Bürger aus Drittländern. Wer hier arbeitet, muss eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, falls er bleiben will. Sie wird nur befristet erteilt. Für Kurzaufenthalte – bis 90 Tage – genügt auch ein Visum. Ein anderer Weg, um weiterhin in Hamburg leben und arbeiten zu können, wäre die Einbürgerung. Im vergangenen Jahr haben 308 Briten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Sie haben dann eine doppelte Staatsbürgerschaft, zu der britischen tritt die deutsche. Nach einem harten Brexit gibt es diese Möglichkeit nicht mehr. Dann gilt die Regelung für Bürger aus Drittstaaten. Sie können nur dann deutscher Staatsbürger werden, wenn sie die Ursprungsstaatsbürgerschaft aufgeben.

Wie eng ist die Hamburger Wirtschaft mit England verbunden?
Das Vereinigte Königreich nahm 2018 auf der Liste der für Hamburg wichtigsten Exportländer den dritten Rang ein. Bei den Importen war es Rang sechs. Über den Hamburger Hafen wurden Güter im Wert von 4,2 Milliarden Euro exportiert, die Importe machten etwa die Hälfte dieser Summe aus. Laut einem EU-Gutachten sind etwa 17,5 Prozent der Hamburger Wirtschaftsleistung potenziell vom Brexit betroffen. 1000 Hamburger Firmen haben Geschäftsbeziehungen zu England, 200 Firmen haben dort einen Sitz oder eine Produktionsstätte. Hamburger Unternehmen haben in Großbritannien mehr als 7,5 Milliarden Euro angelegt. 70 britische Firmen haben ihren Sitz in der Hansestadt. Deren Investitionen belaufen sich auf fast vier Milliarden Euro.


Wie eng ist die Hamburger Wissenschaft mit England verbunden?

Wissenschaft und Forschung sind international. Nahezu jede Hamburger Hochschule ist in festen Kooperationen mit britischen Einrichtungen verbunden. Der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Ovens ist eine beeindruckende Liste an Partnern zu entnehmen. So arbeitet die Technische Universität Hamburg (TUHH) beispielsweise mit den Universitäten von Southampton und Strathclyde zusammen. Die HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften) hat unter anderem Partnerschaften mit der Manchester Metropolitan University.

Das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) unterhält insgesamt 137 Kooperationsvereinbarungen. Großbritannien ist im März dem European XFEL beigetreten – und wird dort auch bleiben. „Auf unsere Forschungsprojekte hat der Brexit keinen Einfluss“, sagte Desy-Sprecher Thomas Zoufal. „Die sind alle vertraglich vereinbart.“ Dennoch können die neuen Aufenthaltsbestimmungen für Briten zu einem Problem werden. 30 Wissenschaftler aus England arbeiten dort, hinzu kommen 50 bis 200 Gastforscher von der Insel. Beim Desy sind ständig rund 3000 Gastforscher aus mehr als 40 Nationen tätig. Der Brexit dürfte auch für Forscher und Studierende in England ein Problem werden. Rund 13.500 Deutsche studieren dort, rund 5540 deutsche Wissenschaftler arbeiten dort an Hochschulen.