Hamburg . Auch eine Kita, eine Bankfiliale, ein Restaurant und Geschäfte sollen auf dem Gelände entstehen. Kampf um Pflegepersonal hält an.

Das erste Kuchenstück aus der Hand des Bürgermeisters war besonders begehrt. Unter dem Beifall vieler Bewohner schnitt Peter Tschentscher am Dienstagnachmittag einen riesigen Schokoladenkuchen an. Verziert war das Gebäck mit dem zukünftigen Geländeplan des Hospitals zum Heiligen Geist. Die Einrichtung in Poppenbüttel erfindet sich quasi neu. Rund 100 Millionen Euro wird die älteste Hamburger Stiftung in Neubauten investieren.

„Hamburg wird älter. Deshalb ist es gut, wenn Einrichtungen mit dieser Vielfalt und mit dieser Qualität entstehen“, lobte Tschentscher. Für die Stiftung bedeutet der Umbau einen echten Kraftakt. Die Kosten werden über Darlehen finanziert, entsprechend groß ist die Hoffnung der Vorstände Hartmut Clausen und Frank Schubert, dass die Phase der Niedrigzinsen noch möglichst lange währt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Projekt:

Warum ist die Investition notwendig? Viele Gebäude, eingebettet in eine großzügige Parklandschaft, stammen noch aus den 1960er- und 1970er-Jahren, manche sind nicht einmal barrierefrei. „Es machte keinen Sinn, weiter in den Bestand zu investieren. Abriss und Neubau sind die bessere Lösung“, sagt Vorstand Clausen. Rund drei Viertel des Geländes werden neu gebaut.

Warum dauert der Umbau so lange? Für Senioren, besonders mit einer Demenzerkrankung, bedeutet jeder Ortswechsel enormen Stress. Deshalb heißt die Devise, dass jeder Bewohner nur einmal umziehen soll, Zwischenlösungen sind nicht angedacht. Daher erfolgt der Bau in sechs Bauabschnitten Zug um Zug. Derzeit werden das Gebäude Haus Mohnblume und die alte Pflegeschule abgerissen. Die neuen Gebäude entstehen überwiegend in einer Atriumbauweise. Den Bereich für die Demenz-Erkrankten mit speziellen Raum- und Lichtkonzepten entwarf das spezialisierte Berliner Architekturbüro Feddersen.

Was ändert sich in den Wohnformen? Der Anteil des sogenannten Service-Wohnens wird mit 600 Plätzen verdoppelt. Beim Service-Wohnen, früher auch irreführend „Betreutes Wohnen“ genannt, leben die Mieter autark in ihren Wohnungen, können aber auf Wunsch Pflegeleistungen oder Essen dazubuchen. Diese Wohnform wird besonders stark nachgefragt. Die Wohnungsgrößen liegen zwischen 30 und 120 Quadratmetern, kosten etwa 15 Euro pro Quadratmeter im Monat (Kaltmiete). Dafür sinkt der Anteil der stationären Plätze mit Vollzeit-Pflege von rund 730 auf etwa 500. Hintergrund: Der Gesetzgeber setzt immer stärker auf den Vorrang ambulant vor stationär. Alle Stationen werden als Wohngruppen organisiert – jeweils zwölf Bewohner teilen sich einen Gemeinschaftsraum und eine Küche.

Was entsteht noch auf dem Gelände? Zentraler Treffpunkt soll ein Marktplatz mit einer Bankfiliale, einem Restaurant, Geschäften, einem Friseur sowie Arzt- und Physiotherapiepraxen werden. Ähnlich wie auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf erhofft sich der Vorstand ein lebendiges Zentrum, das auch von Nachbarn der Einrichtung regelmäßig besucht wird. Zudem entstehen Mitarbeiter-Wohnungen, eine Altenpflege-Schule, ein ambulanter Pflegedienst sowie eine Kita.

Was ist die größte Herausforderung? „Die Suche nach Personal, danach kommt lange nichts“, sagt Vorstand Clausen. Wie alle Einrichtungen im Pflegebereich kämpft auch das Hospital zum Heiligen Geist mit dem Pflegenotstand. Sogar auf dem Bauschild, das der Bürgermeister, die Vorstände sowie Verwaltungsratschef, Präses Michael Labe, am Dienstag enthüllten, wirbt die Einrichtung um Personal. Der Vorstand zahlt Mitarbeitern, die Pflegekräfte zu einem Wechsel nach Poppenbüttel bewegen, eine Prämie. Man kann sich auch online mit nur drei Klicks bewerben, erhält sofort eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.

Welche Angebote gibt es noch? Das Hospital zum Heiligen Geist nimmt am Projekt „RetroBrain/Memore“ teil. Dabei können Senioren über spezielle Videokonsolen mit Körperbewegungen ein Auto steuern oder kegeln. Dies soll die Koordination und Wahrnehmung schulen, gerade für Menschen mit beginnender Demenz hilfreich. Tschentscher durfte das am Dienstag ausprobieren: „Das hat Spaß gemacht.“ Zudem will die Stiftung auch verstärkt Bildungsangebote für Bewohner sowie für pflegende Angehörige schaffen. Geplant ist aber auch der umgekehrte Weg, etwa, dass Senioren jungen Menschen die Sütterlinschrift lehren.

Was tut sich sonst noch im Pflegesektor? Mit Spannung beobachtet die Branche, was sich bei „pflegen & wohnen“ nach dem Besitzerwechsel ändern wird. Im vergangenen Jahr hat der Konzern Deutsche Wohnen den mit Abstand größten privaten Hamburger Pflegeheim-Betreiber gekauft. Erwartet wird, dass auch der Konzern in die Einrichtungen investiert und ebenfalls verstärkt Angebote für das Service-Wohnen schafft.