Hamburg. Die Macher wollen ihr viertes Projekt der Endlichkeit des Lebens widmen. Dazu suchen sie Gesprächspartner.
Den Dialogen im Dunkeln, im Stillen und mit der Zeit in der Speicherstadt soll im Herbst dieses Jahres eine Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit folgen. Dieser „Dialog mit dem Ende“ wird im Frühjahr in Bergedorf und Altona getestet, bevor die Ausstellung am Alten Wandrahm in der Speicherstadt ein Zuhause finden soll.
Im vergangenen Jahr wurden an dem Standort in der HafenCity 110.000 Besucher gezählt. Hauptmagnet ist der im Jahr 2000 in Hamburg etablierte, juristisch geschützte „Dialog im Dunkeln“. Das Thema Endlichkeit soll bald die sinnvolle und nachdenkenswerte Palette abrunden.
„Nach 19 Jahren ist der Elan noch lange nicht erloschen“, sagt der Erfinder und Entwickler des „Dialog-Modells“, Andreas Heinecke, im Gespräch mit dem Abendblatt. Ziel sei es, weiterhin Themen von großer gesellschaftlicher Bedeutung publikumswirksam aufzubereiten. Erarbeitet werde keine Ausstellung allein über den Tod, sondern ein Forum, „um über unser Leben im Angesicht unserer Endlichkeit nachzudenken“. Letztlich müsse jeder Moment des Daseins bewusst erlebt werden.
Dokumentarische Videoinstallation
Der Wahlhamburger Heinecke tüftelt seit fast 20 Jahren an einer Umsetzung, die keinesfalls abschreckt, sondern anzieht – wahrscheinlich eng verknüpft mit der Ausstellung „Dialog mit der Zeit“. Zum Projektteam gehören die diplomierte Filmemacherin und Regisseurin Sylvie Hohlbaum aus Eimsbüttel sowie der in Leipzig geborene Fotograf Steffen Baraniak.
Gastgeber der ersten, von der Homann Stiftung und der Körber Stiftung mit jeweils 20.000 Euro unterstützten Stufe ist das „Haus im Park“ am Gräpelweg in Bergedorf. Ein weiterer Förderantrag liegt der Hamburgischen Bürgerschaft vor. Vom 11. April bis 9. Mai wird im Foyer eine dokumentarische Videoinstallation präsentiert. In vier Sitzecken mit jeweils einem Monitor und zwölf Hörstationen werden Kurzfilme zum Thema Endlichkeit und Abschied gezeigt. Danach, so hoffen die Ideengeber, soll sich eine Diskussion über das Thema ergeben, dem viele Menschen sonst lieber den Rücken zukehren.
„Zur Verwirklichung des Projekts suchen wir Gesprächspartner ohne Scheu vor dem nicht einfachen Thema“, sagt Sylvie Hohlbaum. Diese Bitte richtet sich an hochbetagte Menschen, an Gäste in einem Hospiz oder Patienten auf einer Palliativstation. „Wir möchten nach dem Befinden in dieser Situation fragen und erforschen, welche Erfahrungen diese Menschen mit anderen teilen möchten. Es sollen Menschen porträtiert werden, „die keine Zeit mehr haben, sie zu verschwenden“.
Idee kam durch eine eigene Erkrankung
„Durch unseren Dialog mit der Zeit, der sich auch mit dem Altern beschäftigt, sind wir im Umgang mit sensiblen Themen geschult“, verspricht Andreas Heinecke. „Selbstverständlich gehen wir mit Gefühl und Respekt mit Personen um, deren Situation wir in eine Ausstellung einbinden.“ Wer zu einer etwa 30- bis 60-minütigen Unterhaltung bereit ist, kann sich unter kontakt@dialog-mit-dem-ende.de mit den Ausstellungsmachern in Verbindung setzen.
Im Anschluss an die Videoaktion in Bergedorf ist ein öffentlicher Auftritt während des Kultur- und Stadtteilfestes
Altonale vom 31. Mai bis 16. Juni geplant. „Wir denken an einen geeigneten Ort in der Mitte des Lebens, an dem sich viele Menschen aufhalten können, die keine Furcht vor einem Dialog mit dem Ende haben“, kündigt Andreas Heinecke an. Ein Beispiel sei der Lessingtunnel abseits des Altonaer Bahnhofs.
Die in Bergedorf und Altona gesammelten Erfahrungen sollen in die im Herbst startende Ausstellung „Dialog mit dem Ende“ in der Speicherstadt einfließen. Dort wird es nicht nur dokumentarische Videoinstallationen, sondern auch Schautafeln, Bilder und zusätzliche Informationen geben: In bewährter Art, die das Modell der unterschiedlichen Dialoge zum weltweiten Exportschlager machte. Was Andreas Heinecke vor 30 Jahren in Frankfurt begründete, wird heute an 200 Standorten in 50 Ländern in die Tat umgesetzt. Mehrere Millionen Menschen, sagt Heinecke, besuchten bisher einen Dialog im Dunkeln – und erfuhren so aus eigener Wahrnehmung Toleranz und Empathie für die Situation des anderen.
Viele Mitarbeiter sind blind
Im Dialoghaus in der Hamburger Speicherstadt sind 90 Mitarbeiter beschäftigt. Zwei Drittel von ihnen sind blind, gehörlos oder über 70 Jahre alt. Auf mehreren Stockwerken stehen 4500 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Rund ein Viertel davon nimmt der „Dialog im Dunkeln“ mitsamt „Dunkelbar“ ein.
„Eine menschliche Begegnung ist der größte Lernfaktor“, weiß Professor Heinecke aus Erfahrung. Bei seinem vierten Dialog soll es nicht um Trauer, sondern um eine veränderte Einstellung zur Endlichkeit gehen. Der Gedanke zu diesem schwierigen, letztlich unumgänglichen Thema kam dem promovierten Philosophen durch eine Krebserkrankung vor vielen Jahren. „Damals blieb mir gar nichts anderes übrig, als mit dem Thema Ende in einen Dialog zu treten“, sagt er rückblickend.