Hamburg. Eines der größten Medienevents der Hansestadt steckt in der Krise – viele Unternehmen bleiben dem Ball inzwischen fern.

Eben noch waren alle in Feierlaune. Moderatorin Susanne Böhm posierte mit Sabia Boulahrouz auf der Treppe des Atlantic, wobei sie viel Schlitz zeigte und sagte, es gebe bald tolle Jobneuigkeiten. Julia–Niharika Sen hatte sich „Europa“ als Statement in die Handinnenfläche geschrieben und hielt ihre Message in die Kameras. Peter Tschentscher begrüßte Doris Petersen, mit der er später den Tanz eröffnen würde. Doch vor dem Walzer kam der Schreck: Karsten Lüchow von der Stiftung der Hamburger Presse verkündete auf der Bühne, er wisse nicht, ob der Ball in dieser Form im nächsten Jahr noch bestehen würde: „Die Zukunft des Presseballs ist gefährdet.“

Leider hörten viel zu wenige Gäste diese schlechte Nachricht, da den Rednern generell erstaunlich wenig Aufmerksamkeit bei der Veranstaltung entgegengebracht wird („Da spricht man gegen ein Brett“, sagte ein Sprecher kopfschüttelnd), weshalb das Abendblatt noch einmal genau beim Veranstalter nachfragte.

Starke Preiserhöhungen

Wo liegt das Problem? Natürlich bei den Kosten. Rund 200.000 Euro kostet die Ausrichtung des Presseballs inzwischen; vor 15 Jahren war es noch die Hälfte. Grund seien Preiserhöhungen für das Essen, von Lieferanten, der GEMA, die alle verständlich seien, erklärte Lüchow, doch auf der anderen Seite stünden leider keine gestiegenen Einnahmen.

Während die Stiftung der Hamburger Presse 2017 noch zarte 70 Euro Gewinn machte mit dem Event, lag das Minus 2018 bei 7000 Euro. „Wir haben jetzt zwei Jahre in Folge Verlust gemacht, und das dürfen wir einfach nicht als gemeinnütziger Verein“, erklärt Lüchow. Die Veranstalter des Presseballs sind zwar die Stiftung der Hamburger Presse und die Landespressekonferenz Hamburg zusammen; das finanzielle Risiko trägt allerdings die Stiftung allein.

Verlage nicht dabei

Lüchow, der wie der ganze Stiftungsvorstand ehrenamtlich arbeitet, bedauert das zurückgegangene Engagement der Verlage, die Medienhäuser würden immer mehr sparen. Der „Spiegel“, die „ Zeit“ und G+J sind beispielsweise gar nicht mit eigenen Tischen auf dem Presseball vertreten. „Ich verstehe nicht ganz, warum nicht, wir schreiben sie jedes Jahr an,“ sagt Lüchow. „Wir würden uns wünschen, dass die Medien den Ball besser nutzen, um Kunden und Journalisten einzuladen. Es geht nicht darum, sich selbst zu feiern, sondern miteinander ins Gespräch zu kommen.“

Manche Gäste hatten vermutet, es läge an den happigen Preisen für eine Karte (260 Euro), doch diese Kritik lässt Lüchow nicht gelten. Der Ball über den Wolken, der am 9. Februar ebenfalls im Atlantic stattfindet, sei mit 325 Euro noch teurer. Dieses Fest wird vom Atlantic und Hamburg Airport gemeinsam verantwortet und steht finanziell gut da, erklärt Franco Esposito. Tradition und Wirtschaftlichkeit seien gleich wichtig, findet der Geschäftsführende Direktor des Hotel Atlantic: „Dies ist beim Ball über den Wolken der Fall – jedoch nur dadurch möglich, dass sich die Partner dieser gemeinsamen Verantwortung bewusst sind und Menschen sich für Bälle begeistern.“

Unterstützt wird die Akademie für Publizistik

Marina Friedt vom DJV Hamburg befürchtet, vielen Gästen des Presseballs sei wohl auch nicht klar, dass die Einnahmen der Tombola-Verlosung immer einem guten Zweck zukommen. Der Ball wurde ursprünglich gegründet, um Journalisten in Not zu helfen. „Wir veranstalten das Fest nicht just for fun,“ sagt Friedt. Unterstützt wird die Akademie für Publizistik, der Sender Tide sowie konkrete Einzelfälle. Einer freien Journalistin, die an Krebs erkrankte, konnte beispielsweise mit der Übernahme der Mietkosten für sechs Monate unter die Arme gegriffen werden. „Die Verlage sparen überall, doch auch viele Unternehmenstische sind weggebrochen,“ sagt Friedt. „Warum? Denken diese, eine freie Presse nicht mehr zu benötigen?“

Holsten hält die Treue

Holsten, ein langjähriger Sponsor des Presseballs, sieht das nicht so: „Wir werden den Ball weiterhin unterstützen, denn es handelt sich um eine Hamburger Institution, die wir als Unternehmen als sehr wichtig erachten“, sagt Pressesprecherin Linda Hasselmann.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (lange Jahre Manager bei Gruner + Jahr) vermutet, eine Hürde könnte der DJV als Mitveranstalter sein. „Also eine Gewerkschaft. Das hält einige Medienhäuser von aktiver Beteiligung ab,“ sagt Buchholz. „Man müsste alle Verlage, die nicht aktiv beteiligt sind, öffentlich auffordern, den Medienstandort Hamburg auch durch Unterstützung eines Presseballs zu stärken.“

Zum Netzwerken braucht niemand einen Smoking

Sind große Medienveranstaltungen an sich vielleicht in Gefahr, weil es der Branche nicht so gut geht wie früher? „Die Renditen sind immer noch ausreichend“, sagt Klaus Ebert, der mit dem Hamburger Presseclub die Nacht der Medien ausrichtet. Auch das Konzept für dieses Event auf dem Süllberg würde derzeit überdacht. Allerdings nicht aus Geldsorgen, sondern weil man sich grundsätzlich fragen sollte, ob solche Veranstaltungen noch zeitgemäß seien. „Wir Medienleute sollten uns nicht an Rituale von vorgestern klammern,“ findet Ebert. Wer brauche schon noch einen Smoking, Livemusik und teuren Wein, um vernünftig zu netzwerken: „Das ist doch 90er-Jahre, wer geht denn da noch hin? Die jungen Leute jedenfalls nicht.“