Hamburg. 620 Journalisten, Politiker und Prominente feiern im Hotel Atlantic. Beim Erich-Klabunde-Preis wurde der Fall Relotius zum Thema.
Baustellen können nerven, aber manche sind auch locker zu umschiffen, wie beispielsweise die im Hotel Atlantic. Wie schon beim Neujahrsempfang des Hamburger Abendblattes vor knapp zwei Wochen gab es am Freitag beim Hamburger Presseball zwar weniger Platz, aber reichlich Unterhaltung mit Debütanten und Debütantinnen, Stelzenkünstlern, einem Walzer tanzenden Bürgermeister, ausgezeichneten Journalisten, vor Glück hüpfenden Tombola-Gewinnern und einer Eisbombe, die das Abtanzen der Kalorien zur Musik von den Soulisten und DJ Gerson wirklich erforderlich machte.
Dabei war es so harmlos mit Rindertartar und Tomatenjoghurt mit Basilikumöl losgegangen. Aber ein gelungener Ball hat eben selten etwas mit Diät zu tun.
Zum ersten Mal hatten die Veranstalter den Ball auf einen Freitag gelegt, manche der 620 Gäste kamen direkt aus dem Büro. Karsten Lüchow (Stiftung Hamburger Presse) und Peter Ulrich Meyer (Landespressekonferenz und außerdem Hamburger Abendblatt) begrüßten die Gäste.
Weniger Einnahmen und mehr Ausgaben beim Presseball
Später sagte Lüchow zum Erstaunen der Gäste: „Die Zukunft des Presseballs ist gefährdet.“ Dies erklärte er mit weniger Einnahmen und mehr Ausgaben. Er appellierte an die Medien, auch im nächsten Jahr zahlreich beim Ball vertreten zu sein.
Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher erklärte, dass Hamburg als weltoffene und liberale Hafenstadt für freien und unabhängigen Journalismus stehe, und dass die Ausrichtung des Global Investigative Journalism Congress im September ein wichtiges Signal sei, „in einer Zeit, in der kritische Redaktionen in vielen Ländern zunehmend unter Druck geraten“.
Viele der Anwesenden, darunter Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Anjes Tjarks (Bündnis 90/Grüne), André Trepoll (CDU) und Katja Suding (FDP) hatten sich in Schale geschmissen, um ein Jubiläum zu feiern: Zum 70. Mal schon fand eines der wichtigsten gesellschaftlichen Medienereignisse der Hansestadt statt. „70 ist kein Alter, sondern ein Statement für Tradition und Zukunft“, sagte Johannes Züll, Studio-Hamburg-Geschäftsführer.
Erich-Klabunde-Preis geht an Mare-Redakteur
Vor den Augen weiterer bekannter Medienvertreter wie Lutz Marmor, Carlo von Tiedemann, Julia-Niharika Sen, Susanne Böhm, Hubertus Meyer-Burckhardt, Pinar Atalay, Lars Haider und Claas Schmedtje überreichte die Hamburger DJV-Vorsitzende Marina Friedt den Erich-Klabunde-Preis an den Journalisten Dimitri Ladischensky für seine Reportage „Was vom Leben übrig bleibt“.
Der Text erschien in der Zeitschrift Mare, für die der 46-Jährige als Redakteur und Autor arbeitet. Ein Jahr lang recherchierte Ladischensky anhand einer Seekiste mit Erinnerungsstücken, was für ein Mensch ihr Besitzer gewesen sein muss.
Auch der Fall Relotius ist ein Thema
Diesen Seemann vermisste nämlich seltsamerweise niemand, als er seine in der Hamburger Seemannsmission hinterlegte Kiste nicht mehr abholte. „Ich bin diesem Unbekannten nahe gekommen und habe für meine Reportage die Ich-Form gewählt, weil es mich so berührt hat, dass Menschen anscheinend einfach so verschwinden können,“ sagte der Hamburger, der dem von vielen diskutierten Skandal um die gefälschten Geschichten des Reporters Claas Relotius noch etwas Gutes abgewinnen kann: „Natürlich hat es unserer Branche geschadet, doch es befreit uns Autoren auch von dem Zwang, solche Literaturstücke abzuliefern. Die Wirklichkeit hat nicht zu sein wie eine Netflix-Serie. Es ist ein Denkzettel für uns Journalisten. Recherchen laufen keineswegs immer glatt, und wir müssen uns in unserem Beruf darauf einlassen, uns überraschen zu lassen. Wäre alles so, wie man es sich vorstellt, dann müsste man ja gar nicht erst losfahren.“
Nach dem Gala-Dinner marschierten die Debütanten der Tanzschule „Die Schrittmacher“ ein; Peter Tschentscher eröffnete den Tanz mit Doris Petersen, der Ehefrau von Karsten Lüchow, der behauptete: „Ich bin wirklich kein guter Tänzer, das macht der Bürgermeister viel besser.“
Yared Dibaba moderierte die Veranstaltung nicht nur, er sorgte gemeinsam mit seinen Schlickrutschern auch für eine Gesangseinlage, bevor gegen Mitternacht die mehr als 350 Preise mit einem Gesamtwert von über 43.000 Euro verlost wurden. Wer den Hauptgewinn, eine 14-tägige AIDA-Kreuzfahrt, mit nach Hause nahm, konnte bis Redaktionsschluss nicht ermittelt werden.