Hamburg. Warum heißen „Checker“ Checker? Wie viele Jeans passen in Container? Schüler-Tour der HHLA gibt Antworten. Viele Bewerber.
Beim Checker ist die Busladung Grundschüler wieder munter. War ja ein langer Tag bis hierhin, aber beim Checker klingelt’s: „Checker Can! Checker Tobi! Die kenn ich aus dem Fernsehen“, sagt Ada, zehn Jahre alt und ziemlich plietsch. Läuft dauernd im KiKA.
Im Bus, besetzt mit mehr als 40 Fuhlsbütteler Grundschülern, riecht es schon stark nach halb leerer Brotdose. Es ist lebhaft und laut. Die Viertklässler nehmen heute am Rundum-sorglos-Paket der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) teil. Für einen Tag sind sie „Hafen-Scouts“. Das heißt: zurücklehnen, eine Erklärrunde drehen und lernen: Schule, Hafenmuseum, Containerterminal und zurück. Wenn man so will: maritime Heimatkunde.
Globalen Handel verstehen
Gerade haben die Kinder das Containerterminal Altenwerder mit seinen Checkern am Eingang passiert, als über das Bordmikrofon erklärt wird: „Hier heißen die ,Checker‘ Checker, weil sie Lkw und ihre Ladungen checken.“ Hafenguide Alexandra Bode kämpft tapfer gegen das große Hallo im Bus. Checker – das sei ein verantwortungsvoller Job.
Adas Mitreisende heißen Zoe, Fares und Gustav. Seit 2015 bietet die HHLA Grundschulen die geführte Hafentour an. Im vergangenen Jahr hatten sich 150 Schulen beim Projekt der HHLA, des Hafenmuseums und des Landesinstituts für Lehrerbildung beworben. So viele, dass am Ende das Los entscheiden musste. Um 9 Uhr stehen Ada, Gustav und Fares aber erst mal draußen, im Nieselregen am Bremer Kai vor dem Hafenmuseum. Historische Kräne, geschichtsträchtige Kähne, viel altes Eisen. In kleinen Gruppen haben die Schüler sachkundige Experten wie Ulrike Mayer-Küster an ihrer Seite, die alles erklären. Zum Warmwerden dürfen die Jungen und Mädchen selbst schwere körperliche Arbeit leisten.
Aufgabe Nummer eins lautet: quietschende Containerschlösser aufmachen, um in den Schlund des modernen Transportwesens zu gucken. Und? Wie viel passt da rein? „Zum Beispiel 18.000 Jeans“, sagt Meyer-Küster.
Vermutlich gibt es für Heranwachsende keinen besseren Ort, um den globalen Handel zu verstehen. Wo kommen meine Turnschuhe her? Was passiert mit den Hosen aus der Türkei?
Beim Projekt „Hafen-Scouts“ finden Kinder Antworten. Auf den drei großen Containerterminals werden jährlich Millionen Stahlboxen umgeschlagen. Wie alles angefangen hat und heute mit allem zusammenhängt, erfahren die Schüler im Hafenmuseum, dem Schuppen 50 A.
Kleine Bescheidwisser
In die alte Lagerhalle am Südufer der Elbe kriecht die winterliche Kälte, als die Kinder einfallen. Neben einem Modell des Ozeandampfers „Imperator“ und einer Armada von Sackkarren stapelt sich die Hafengeschichte bis unter die Decke. „Faszinierend“ sei etwa der Blick in einen begehbaren Standardcontainer, sagt Ada. „Krass, wie viel da reingeht“, bemerkt Fares. „Spannend, wie sich die Größe der Schiffe entwickelt hat“, referiert Gustav. Schon nach einer Stunde sind die Kinder zu Bescheidwissern geworden.
Spielerische Tests, viel zum Anfassen – Bedeutung und Geschichte des Hafens wird den Kindern bei diesen eintägigen Exkursionen nähergebracht, und zwar, wie sie es mögen: learning by doing. Wenn dann auch noch hängen bleibt, dass der Hafen nicht nur lohnendes Ausflugsziel ist, sondern Deutschlands größte Warendrehscheibe und bedeutender Arbeitgeber, ist ein Ziel des Projekts erreicht. 2018 gab es 33 Termine mit 1400 Schülern aus 66 Klassen.
Unhandlich, schwer: Immer wieder rutscht Ada der Sack mit den Kaffeebohnen aus den Händen. „Das schafft ja meine Oma schneller“, spottet der Guide. Jetzt merke man mal, wie hart das Tagesgeschäft der Schauerleute früher war. Um die Schufterei an der Leinensackfront mit 60 Kilogramm wiegenden Säcken etwas erträglicher zu machen, haben sich die Leute hakenähnliche Tragegeräte ausgedacht, die zur besseren Kontrolle in den Stoff gehauen werden.
„Weiß einer, wie die heißen?“, fragt ein Hafenguide die Gruppe. Niemand? „Die Dinger hießen Griepen.“ Gutes Wort! Da betastet Ada schon ein anderes, bürstenartiges Metallwerkzeug. „Und was ist das?“ Der Guide erkärt: „Das ist die feinere Variante der Griepen, die Zuckerklatsche.“ Damit die weiße Ware nicht aus dem Sack rieselt.
Beim Hafenquiz beantworten die Kinder fast alle Fragen
„Zuckerklatsche! Wie cool!“, jubiliert Lehrerin Sonja Niedlich und beschließt sogleich die Erweiterung ihres aktiven Wortschatzes. „Ich glaube, das wird mein neues Lieblingswort.“ Auch die Pädagogen lernen beim Klassenausflug nicht aus. Für das Projekt Hafen-Scouts absolvieren sie sogar schon vorher einen Hafen-Einführungskursus. Denn nur Vergnügen ist die Exkursion nicht. Die Inhalte sind für die teilnehmenden Klassen Bestandteil des Lehrplans. Beim Hafenquiz, der Abschlussstation im Hafenmuseum, können die Kinder fast alle Fragen beantworten.
Auf der Busfahrt zum Terminal Altenwerder über die Köhlbrandbrücke schwärmt Ada beim zweiten Frühstücksschnittchen vom Blick: „Ich sehe die Elbphilharmonie, den Michel, einen Schrotthaufen, Regentropfen.“ Die Fahrt durch den Hafen ist fast so interessant wie die beiden Stationen selbst. „Weiß jemand, wie viele Container auf das größte Schiff der Welt passen?“, fragt Hafenguide Alexandra Bode. „10.000! 20.000! Eine Milliarde! Fünf Trilliarden!“ Der ganze Bus gröhlt. Tatsächlich seien es fast 23.000.
Und dann noch der krönende Abschluss. „Keine Fotos!“, mahnt Bode durchs Mikro. Hochsicherheitsbereich. „Und wir dürfen da rein“, sagt Ada. Durch die Busfenster blicken die Schüler auf Roboterfahrzeuge, Roboterbrücken, Roboterkräne. Das Terminal ist in vielen Bereichen voll automatisiert. „Hier, Nummer 42 bewegt sich“, schreit einer, als sich eines der Geisterfahrzeuge, die Carrier, in Bewegung setzt. „Krass!“ Wie groß das alles ist. Wie glatt das alles läuft. So ganz ohne Menschen. Bei der Vorbeifahrt am 320 Meter langen Containerriesen „Xin Hong Kong“ begeistert der Basketballkorb an Bord. Sieht man sonst auch nie.
Auf dem Weg zurück sagt Ada: „Das ist ja wohl ein echter Glückstag.“ Erst habe seine Klasse die Tour gewonnen, dann durfte sie ins Hafenmuseum und nun noch hinter den Stacheldraht eines Hafenterminals mit einem echten gröhlam Eingang. „Das war richtig gut.“ Es gibt wohl kein größeres Lob für einen Schulausflug.