Hamburg. Alle drei Monate geht ein Containerschiff in Flammen auf. Nasse Ladung und falsche Lagerung sind zwei Gründe – oft geht es ums Geld.
Es geschah am Donnerstag, den 3. Januar, gegen sechs Uhr morgens. Der Containerfrachter „Yantian Express“ der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd pflügte unter deutscher Flagge Kurs Nordwest durch die schwere See des aufgewühlten Nordatlantiks, als aus einem Container plötzlich Feuerschwaden austraten – völlig unerwartet. Die Flammen griffen auf benachbarte Container über, und innerhalb kürzester Zeit sah sich die Crew einem gefährlichen Containerbrand ausgesetzt, der sich auf das gesamte Schiff auszuweiten drohte. Mitten im dunklen Nirgendwo. Mehr als 1000 Kilometer vom rettenden Land entfernt. Es drohte ein tödliches Inferno ohne Ansage.
Die Mannschaft musste mit zu Hilfe geeilten Schleppschiffen evakuiert werden. Tagelang trieb der Frachter brennend auf hoher See. Erst sechs Tage nach dem Ausbruch, als zwei Bergungsschiffe den Frachter ununterbrochen mit Löschkanonen heruntergekühlt hatten, konnte Hapag-Lloyd vermelden, dass der Brand auf der „Yantian Express“ weitgehend gelöscht war.
Doch nicht immer gehen Containerbrände so glimpflich aus. Fünf Seeleute starben im vergangenen Jahr bei einem verheerenden Brand auf dem Containerfrachter „Maersk Honam“ im Indischen Ozean. Nur zehn Tage später brach im Laderraum eines anderen Containerschiffs der dänischen Reederei, der „Maersk Kensington“, ein Feuer aus, das glücklicherweise ohne Opfer schnell gelöscht werden konnte. 2016 geriet mitten im Hamburger Hafen das Containerschiff „NNCI Arauco“ nach Schweißarbeiten in Brand.
Knapp 60 Brände auf Containerschiffen
Da das Schiff im Hafen sofort versorgt werden konnte, war die Gefahr relativ schnell gebannt. Weniger Glück hatte die „MSC Flaminia“, die nach einem Feuerausbruch und der Explosion mehrerer Container tagelang auf offener See trieb. Drei Seeleute starben damals, zwei wurden schwer verletzt. „Containerbrände auf See sind ein großes Problem“, sagt Uwe-Peter Schieder, Schifffahrtsexperte beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, dem Abendblatt. Zwischen 2000 und 2015 seien weltweit knapp 60 Brände auf Containerschiffen bekannt geworden.
Viel größer ist die Dunkelziffer der Vorfälle, bei denen Brände im letzten Moment verhindert werden konnten, weil Glutnester rechtzeitig erkannt wurden. „Es ist schon Alltag in der Seeschifffahrt, dass sich Container unkontrolliert erwärmen“, sagt Schieder. Wie kann so etwas geschehen? Was ist das Geheimnis der brennenden Frachter?
Die Ursache für Selbstentzündungen liegt in der Regel nicht auf See, sondern an Land, sagt Brandexperte Schieder. Wenn biogene Stoffe zu feucht verladen würden, bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass Zersetzungsprozesse zur Erwärmung führen, und wenn diese Hitze sich im Container staue, komme es zum Brand. Biogene Stoffe werden ständig über die Weltmeere gefahren. Dabei handelt es sich um Nüsse, Ölsamen, Kokosfasern, Kakaobohnen, Kohle und Holz. „Schon ein großer Packen Altpapier kann, wenn er feucht geworden ist, ein Feuer auslösen“, sagt Schieder.
Aus Kostengründen werden Waren falsch verladen
Das Problem könnte man unterbinden, würde die Ware ausreichend getrocknet, bevor sie in einen Container kommt. „Trocknen kostet aber Geld. Zudem wird Ladung häufig nach Gewicht verkauft. Trockene Ladung ist leichter. Deshalb passiert es immer wieder, dass aus Kostengründen zu feuchte Ladung in Container gelangt“, sagt Schieder. Noch größer ist die Gefahr, wenn in der Nähe solcher Güter leicht entflammbares oder explosives Gefahrgut lagert. Eine der größten Katastrophen war der Brand der „MSC Flaminia“ vor acht Jahren. Auch hier handelte es sich um ein deutsches Schiff der Conti Reederei, das von der Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft in Buxtehude (NSB) bereedert wurde. Die NSB hatte den 300 Meter langen und für 6750 Standardcontainer ausgelegten Frachter langfristig an die französische Reederei MSC vermietet, als es auf einer Reise von Charleston nach Antwerpen zum Unglück kam. Mitten auf dem Atlantik.
Am 14. Juli 2012 löste ein Rauchmelder um 5.42 Uhr im Laderaum 4 Alarm aus. Ein Seemann, der den Alarm überprüfte, sah bereits dichten Rauch aus der Luke aufsteigen. Ein chemischer Stoff war wohl in Brand geraten. Ein Löschtrupp eilte nach vorne. Schließlich kam es zu einer riesigen Explosion, bei der etliche Container ins Meer geschleudert wurden. Drei Besatzungsmitglieder starben. Der Rest der Löschmannschaft, darunter zwei Schwerverletzte, wurden im Vorschiff vom Rest der Crew abgeschnitten. Ein Rettungsboot, das zu Wasser gelassen worden war, konnte die isolierten Löscharbeiter zum Glück bergen. Fünfeinhalb Wochen beschossen Löschschiffe unablässig den brennenden Frachter mit Wasser, bis das Feuer endlich erlosch. Noch heute ist die Ursache nicht restlos geklärt, wenn man den Untersuchungsbericht der Hamburger Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) liest, die das Unglück detailliert nachgezeichnet hat. Sicher ist nur, dass das Unglück in einem Gefahrgutcontainer begann.
Doch nicht immer wird Gefahrgut als solches von den Verladern gekennzeichnet. „Die häufigsten Ursachen für Containerbrände auf See sind falsche Deklaration oder Lagerung an der falschen Stelle“, sagt Volker Dierks, der bei der Allianz Global Corporate & Specialty SE in Zentral- und Osteuropa für die Versicherung von Schiffen verantwortlich ist. Es gebe zwar weltweit einheitliche Regeln zur Kennzeichnung von Gefahrgut. „Aber was will man machen, wenn ein Verlader die Ware falsch deklariert, weil er sich den nicht unerheblichen Transportzuschlag für Gefahrgut sparen will? Sie können natürlich den Container aufmachen. Dann sehen sie vorne Säcke mit ungefährlichen Dingen, aber sie wissen nicht, was dahinter lagert. Ich glaube, falsche Deklaration kann man mit den heutigen Methoden nicht vollständig ausschließen“, zieht der Experte ein Fazit.
Etwas anders verhalte es sich mit falscher Stauung, erläutert Dierks. Es gebe eine Reihe von Stoffen, von denen man wisse, dass sie auf Wärme reagierten und deshalb nicht zu nahe am Schott zum Maschinenraum oder zu den Böden der Bunkertanks gelagert werden dürften. Explosive Güter sollten zudem weit entfernt von den Deckaufbauten untergebracht werden. Auch hier komme es oft zu Fehlern.
Containerschiffe werden immer größer
Der Allianz-Fachmann findet es zudem nicht ungewöhnlich, dass immer mehr Brandvorfälle auf hoher See bekannt werden. „Die Weltwirtschaft wächst und mit ihr der Seehandel. Gemessen an der Zahl der täglich transportierten Güter ist der Umfang an Unfällen eher noch gering.“ Die Schifffahrtsindustrie sei stark daran interessiert, solche Vorfälle aufzuklären, denn abgesehen vom Imageverlust seien solche Schiffsbrände auch sehr teuer. 13 Prozent aller Schäden in der Schifffahrt waren nach Angaben der Allianz im vergangenen Jahr auf Brände und Explosionen zurückzuführen. Nur der Totalverlust von Schiffen, etwa durch schwere Kollisionen, hat nach diesen Berechnungen 2018 noch höhere Schadenskosten verursacht.
Für ein Problem hält Dierks die zunehmende Größe der Containerschiffe, auf denen immer mehr Ladung an Bord verstaut wird. „Man kann das neueste und beste Feuerlöschsystem an Bord haben und ist doch nicht zu 100 Prozent vor solchen Unfällen geschützt. Denn an einen gewissen Prozentsatz von Containern kommt die Crew gar nicht mehr heran, wenn es zum Unglücksfall kommen sollte. Und dieser Prozentsatz ist nicht gerade gering.“
Anders gesagt: Bricht in einem der mittig oder unter den Lukendeckeln gelagerten Container ein Feuer aus, kann man nur noch großflächig mit Löschkanonen versuchen, die umliegenden Container vor dem Übergreifen der Flammen zu schützen. Oder man muss die unmittelbare Umgebung so stark herunterkühlen, dass eine Ausbreitung des Brandes erschwert wird. Die Möglichkeiten der direkten Brandbekämpfung sind begrenzt. „Ich spreche dabei nicht nur von den außergewöhnlich großen Containerschiffen mit 10.000 Standardcontainern und mehr an Bord“, so Dierks.
„Schon bei einem Schiff mit 3500 bis 4000 Containern sind zahlreiche Boxen auf See unzugänglich.“ Noch schwieriger sei es, überhaupt zu erkennen, ob von einer Box eine Gefahr ausgehe, sagt Schieder. „Insbesondere auf den großen Containerschiffen ist das derzeit nicht möglich. Diese benötigten eigentlich Infrarotdetektoren, mit denen man feststellen kann, wenn an einer Stelle eine unerwartete Hitzeentwicklung auftaucht.“ Damit seien die Schiffe aber nicht ausgerüstet.
„Überhaupt muss ich feststellen, dass Schiffe vor 30, 40 Jahren besser gegen Brände geschützt waren, als sie es heute sind“, bemängelt Schieder. Es gebe keine Sprinkleranlagen unter Deck, und es fehlten Löschkanonen. Der mangelnde Schutz sei nicht den Reedern anzulasten oder den Werften, die sich an die Vorgaben hielten. Die International Maritime Organisation (IMO) würde die Regularien für die Sicherung von Seetransporten festlegen. „Bei ihr müssten strengere Standards eingefordert werden“, sagt Schieder.
Die „Yantian Express“ schwimmt unterdessen immer noch auf dem Atlantik. Zwei Schlepper sind vor Ort und ziehen das Schiff in langsamer Fahrt auf die kanadische Küste zu. Das Feuer ist weitgehend eingedämmt. Ein Teil der Crew ist mit dem Kapitän und mit weiteren Bergungsexperten wieder an Bord. Der Rest der Crew wurde von einem anderen Hapag-Lloyd-Schiff aufgenommen und inzwischen in die Heimat geflogen. Zum Schadensumfang will sich Hapag-Lloyd noch nicht äußern. „Es ist das Wichtigste, dass kein Mensch verletzt oder getötet wurde“, sagt Vorstandschef Rolf Habben Jansen.