Der gesellschaftliche Trend lässt sich aufs Gärtnern nicht leicht übertragen – wie sich am Beispiel der Ölweiden verdeutlichen lässt.

Es gibt, nicht nur im Gartenwesen, viele Menschen, die mit ihren Pflanzen reden. Manche glauben, dass sie sich dann besser fühlen. Sie selber – und die Blumen natürlich auch. Oder dass die schöner blühen. Dann reden diese Menschen, sagen sie, mit Bäumen und Sträuchern auf Augenhöhe. Sozusagen als eine Art sozialer Standard. Ich rede nicht mit meinen Bäumen. Ich behandele sie nur anständig. Etwa ohne chemische Keule, gebe ihnen im Sommer gut zu trinken. Sorge für Blühpflanzen, damit die Bienen ordentlich zu futtern haben. Mein sozialer Standard, im Gartenwesen.

In der Politik hat Franz Müntefering von der SPD „gefühlt“ als Erster damit angefangen, auf Augenhöhe zu reden. Mutmaßte neulich die „Süddeutsche Zeitung“. Aus Respekt vor dem politischen Kontrahenten oder mehr mit Blick auf die eigenen Genossen? Damals, 2005, als seine Partei, wenn auch nur knapp, hinter der CDU von Angela Merkel gelandet war. Obwohl inzwischen der Abstand immer größer geworden ist, fordern die Sozen seitdem von den Schwarzen umso hartnäckiger die Augenhöhe ein.

Als Gerhard Schröder 1998 die erste rot-grüne Koalition schmiedete, war davon noch keine Rede. War nur klar, wer „Koch und wer Kellner“ sein sollte. Womöglich ist die SPD bald froh, wenn die Grünen überhaupt noch mit ihr reden – und nicht gleich mit der CDU. Auf Augenhöhe.

Für meine Frau Anke ist die Augenhöhe das Maß aller Dinge

Die ist mittlerweile nicht mehr allein ein politischer Kampfbegriff, wie noch bei Franz Müntefering. Alle reden auf Augenhöhe miteinander. Regierung mit Bürgern, Vermieter und Mieter, Herrchen mit seinem Hund, Frauchen mit der Katze. Eltern mit Kindern, sowieso. Der „Spiegel“-Reporter Juan Moreno hat im Sommer einen Vater beobachtet, der vor einer Kita in Berlin-Mitte 45 Minuten mit seinem Sohn darüber diskutierte, ob dieser jetzt reingehen soll oder nicht. Moreno hat nicht geschrieben, ob der Vater dabei, wegen der Augenhöhe, sogar vor dem Kind in die Hocke ging. Die Geschichte ist nicht erfunden. Moreno ist der Journalist, der den „Spiegel“-Fälscher Relotius entlarvt hat.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

In unserem kleinen Mühlenpark im Wendland ist für meine Frau Anke neuerdings die Augenhöhe sogar das Maß aller Dinge. Hecken und Ziersträucher sollten tunlichst nicht größer sein als ich. Damit ich beim Schneiden keine Leiter brauche. Sie hat neulich gelesen, dass der Sturz von einer Leiter die häufigste Unfallursache im Haushalt sei. Dabei steht eine Leiter dort auf festerem Boden als bei uns im Garten.

„Wie hoch werden die?“, hat sie auch gefragt, als ich jetzt die Anpflanzung von Ölweiden ins Gespräch brachte. Ich meinte dabei gar nicht mal die Schmalblättrige Ölweide (Elaeagnus angustifolia), die mit ihren silbrig glänzenden Blättern gut fünf Meter hoch werden kann – wenn man sie nicht durch Schnitt auf Augenhöhe hält. Was das Gehölz gut verträgt. Ansonsten ist es sehr pflegeleicht. Braucht lediglich Sonne, kommt aber auch gut mit Trockenheit zurecht. Und braucht, mal abgesehen von etwas Hornspänen in der Pflanz­erde, keinen Dünger.

Ölweiden werden bereits heute an Autobahnen angepflanzt

Wie alle der weltweit etwa 50 Arten lebt die Ölweide in Symbiose mit Frankia-Bakterien. Die binden den Stickstoff aus der Luft in knöllchenartigen Gebilden an der Wurzel und sorgen so für dauernden Düngernachschub. Ölweiden in Obstplantagen sollen angeblich den Ertrag um zehn Prozent steigern können. Erste Versuche laufen bereits. Genügsame Ölweiden, die sogar Salz vertragen, werden bereits heute gern an Autobahnen zur Befestigung von Böschungen angepflanzt.

Nicht ganz so frostfest sind die fast immergrünen Arten und Sorten, die in milden Wintern nicht ihre Blätter verlieren. Weil sie andauernden Kahlfrost nur bedingt bis etwa minus 15 Grad vertragen, brauchen sie einen geschützten Platz und mindestens in der Jugendzeit einen Winterschutz aus Mulch im Wurzelbereich. Auch gut: Man umhüllt die jungen Gehölze mit einem luftdurchlässigen Vlies. Gibt es im Baumarkt.

Am besten von den sogenannten wintergrünen Ölweiden kommen bei uns noch die verschiedenen Sorten von Elaeagnus ebbingei durch die kalte Jahreszeit. „Limelight“ etwa hat grüne Blätter mit gelben Einsprengseln. Elaeagnus pungens „Maculata“, die buntlaubige Ölweide, macht sich sehr dekorativ mit ihren gelbgrünen Blättern als Einzelstrauch auf einer Rasenfläche. Pungens- und Ebbingei-Sorten blühen erst spät, im Oktober und November. Die Blüten sind klein und eher unauffällig. Dafür duften sie sehr stark. Nach Honig oder Vanille. Die meisten Sorten werden als Strauch nicht größer als zwei bis drei Meter. Was dauert, weil sie nur etwa zehn bis 20 Zentimeter im Jahr zulegen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth