Hamburg. Denkmalverein und BUND üben Schulterschluss und fordern verbindliche Energiebilanzen. Bauen verursacht 40 Prozent aller Treibhausgase.
Der Denkmalverein und der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) wollen sich künftig in Hamburg gemeinsam für mehr Augenmaß in der Bauwirtschaft einsetzen. Es soll vor jedem Abriss und Neubau eines Gebäudes geprüft werden, ob das ökologisch sinnvoll und vertretbar ist. „Dieser Schulterschluss ist dringend notwendig: Aktuell wird in Hamburg so viel abgerissen und neu gebaut, dass es zu einem ökologischen Problem wird: Die Müllberge wachsen, und der CO2-Ausstoß steigt“, sagt Manfred Braasch vom BUND. Und Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins, ergänzt: „Es muss einen Paradigmenwechsel geben. Gebäude dürfen nicht länger Wegwerfprodukte sein.“
Tatsächlich stammen nach Angaben des Umweltbundesamtes mittlerweile 53 Prozent des Mülls und 40 Prozent des Energieverbrauchs und der Treibhausgase in Deutschland aus dem Baubereich. „Acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes werden allein durch die Herstellung von Zement verursacht“, weiß Umweltschützer Braasch. Dazu käme die Energie für die Produktion anderer Baumaterialien sowie den Abriss. „Heutzutage wird nur die Betriebsenergie betrachtet – also das, was für Heizung, Strom und Warmwasser anfällt. Die Erstellungsenergie wird nicht berücksichtigt. Dabei entspricht sie dem, was in 50 Jahren an Betriebsenergie verbraucht wird.“
Gebäude aus Nachkriegszeit gefährdet
Eine reale CO2-Einsparung sei nur dann möglich, wenn das Gebäude stehen bleibe und saniert werde, sagt Denkmalschützerin Sassenscheidt. „Altbauten weiter zu nutzen, ist nicht nur ökologisch sinnvoll und architektonisch spannend, sondern oft auch günstiger als Abriss und Neubau.“ Aber sie habe bei diesem Vorstoß nicht nur geschützte Denkmäler, sondern den Gebäudebestand insgesamt und damit auch die Stadtentwicklung im Fokus. „Vom Abriss bedroht sind die vielen Gründerzeithäuser, die nicht unter Denkmalschutz stehen und nur zwei oder drei Geschosse hoch sind, sodass sich ein höherer Neubau lohnt.
Besonders gefährdet sind Gebäude aus der Nachkriegszeit, die oft als unzeitgemäß und wertlos betrachtet werden.“ Ökologisch sinnvoller sei es in der Regel, sie mit einfachen Mitteln nachzurüsten. Dabei bringe eine Außendämmung der Fassade jedoch maximal 20 bis 25 Prozent Ersparnis – und weise wegen des hohen Energieverbrauchs bei der Erzeugung des Dämmmaterials oft sogar eine Negativbilanz auf. Je nach Objekt und nach Lage könne eine „Nachqualifizierung“ von Fenstern und Heizsystemen sowie die Innendämmung von Wänden, Keller und Dach viel effizienter sein.“
Besonders wichtig sei aber eine Betrachtung der Büro- und Kontorhäuser. Auch diese würden zu leichtfertig und ohne triftigen Grund abgerissen. Das 1981 errichtete Euler-Hermes-Haus in Altona beispielsweise gelte als „zu teuer“ und soll einem Wohnquartier weichen. Doch gerade in mächtigen Gebäuden wie dem City-Hof, dem Veddeler Warmwasserblock, dem Deutschlandhaus oder dem Allianz-Hochhaus stecke eine enorme Menge an sogenannter grauer Energie. „Diese umfasst nicht nur die Erstellungs-, sondern auch die Abriss- und Entsorgungsenergie“, sagt Manfred Braasch. „Anders als Heizkosten, die der Nutzer eines Gebäudes einkauft und daher als Geldwert vor Augen hat, steckt die graue Energie unsichtbar in den Gebäudeteilen.“
Wenn die Menschen das Klima schützen und den CO2-Ausstoß wirklich deutlich reduzieren wollten, müssten sie umdenken. „Wir fordern, dass vor jeder Abrissgenehmigung eine Analyse des Gebäudes erstellt wird, die dessen graue Energie und den CO2-Ausstoß für Abriss und Neubau berücksichtigt. So, wie es beispielsweise in der Schweiz schon Standard ist.“
Ökobilanz sei wichtig
Die Stadt könne und müsse das politisch unterstützen, indem sie eine solche Analyse als Standard bei Abrissanträgen verlange und diese Logik auch in ihre Fördersysteme integriere. „Beim Erreichen seiner Klimaziele hinkt Hamburg arg hinterher“, so Braasch. „Bis 2030 will die Stadt den CO2-Ausstoß um 50 Prozent reduzieren. 2016 hätten wir demnach nur 14 Millionen Tonnen produzieren dürfen, tatsächlich waren es aber 17 Millionen.“
Der Umweltschützer und die Denkmalschützerin verstehen ihre Forderung nicht als generelles Plädoyer gegen Neubau. „Wir wollen die Planung nicht zusätzlich belasten – es ist aber angesichts des Klimawandels unverzichtbar, dass beim Bauen die tatsächliche Ökobilanz betrachtet wird.“ Aktuell könne die Stadt das beim City-Hof in Auftrag geben, wo eine Verfahrensumstellung eine Zwangspause für die Planungen bedeutet (wir berichteten). „Es wäre eine tolle Chance für die Stadt, zu zeigen, dass sie das Thema Klimaschutz ernst nimmt – auch, wenn es Mut und etwas mehr Aufwand bedeutet.“