Hamburg. Erhebung im Auftrag des Abendblatts: Viele Bürger sind unzufrieden mit dem Oppositionschef, bessere Note für den Senat.
Die Bürgerschaftswahl im Februar 2015 war für die Hamburger CDU ein Tiefpunkt: Mit 15,9 Prozent fuhr sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein, kam nur noch auf ein Drittel der SPD-Stimmen (45,6 Prozent). Danach blieb kaum ein Stein auf dem anderen, unter anderem löste André Trepoll den bisherigen Fraktionschef Dietrich Wersich ab, und Roland Heintze übernahm den Landesvorsitz von Marcus Weinberg. Frische Kräfte und Themen sollten für ein deutlich besseres Abschneiden bei der Wahl im Februar 2020 sorgen.
Doch gut ein Jahr vor dem Urnengang deutet nichts darauf hin. Im Gegenteil: Die ungeklärte Spitzenkandidatur hängt den Christdemokraten wie ein Mühlstein um den Hals. Wie eine Umfrage im Auftrag des Abendblatts zeigt, würden – wie berichtet – nur noch 14 Prozent ihr Kreuz bei der CDU machen (SPD: 30 Prozent, Grüne: 24, Linke: 11, FDP: 9, AfD: 7).
Hinzu kommt: Der repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Forsa zufolge sind nur 16 Prozent der 1004 Befragten mit der Arbeit des CDU-Fraktionschefs Trepoll zufrieden. 40 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden, 44 Prozent machen keine Angabe.
Naturgemäß wird das im Lager der CDU-Anhänger anders bewertet: Dort sind 50 Prozent mit der Arbeit des Oppositionsführers zufrieden, nur 20 Prozent sind das nicht, und 30 Prozent antworten „weiß nicht“.
Zur Einordnung ist allerdings wichtig: Auf die Frage, wer eigentlich CDU-Fraktionsvorsitzender ist, konnten nur 31 Prozent der Befragten überhaupt den Namen André Trepoll nennen. Zum Vergleich: Auf die Frage, wer Bürgermeister ist, nannten 85 Prozent korrekterweise den Namen Peter Tschentscher (SPD). Das ist eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Zeitpunkt seines Amtsantritts Ende März 2018: Seinerzeit konnten 38 Prozent der Befragten mit dem Namen Tschentscher nichts anfangen.
51 Prozent sind mit Tschentscher zufrieden
Während jetzt nur 64 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wissen, wer er ist, sind es 91 Prozent der über 60-Jährigen. 51 Prozent sind mit der Arbeit Tschentschers zufrieden, 21 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden, und immerhin 28 Prozent hatten keine Meinung. Bei einer Forsa-Umfrage im August 2018 waren nur 44 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden.
Während jetzt nur 43 Prozent der 18- bis 29-Jährigen die Leistungen des Bürgermeisters für gut befinden, sind es 66 Prozent der über 60-Jährigen. 83 Prozent der SPD-Anhänger und 58 Prozent der Grünen-Anhänger sind mit Tschentscher zufrieden. Im Lager der CDU sind es noch 38 Prozent, bei AfD-Anhängern nur neun Prozent.
Im Vergleich mit seinem Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) schneidet Tschentscher etwas besser ab. 14 Prozent sagen, Tschentscher mache seine Arbeit besser als Scholz, neun Prozent sehen es umgekehrt. Allerdings nehmen 58 Prozent keinen Unterschied zwischen beiden wahr, 19 Prozent haben keine Meinung. 15 Prozent der SPD-Anhänger geben Tschentscher den Vorzug und sechs Prozent Scholz. Auffällig ist, dass 24 Prozent der Linke-Anhänger Tschentscher besser als Scholz finden.
Nur wenige wollen Trepoll als Spitzenkandidaten
Die niedrigen Bekanntheits- und Zufriedenheitswerte für Trepoll schlagen sich indes auch in den Antworten auf die Frage nieder, wer Spitzenkandidat der CDU bei der Wahl 2020 werden sollte. Für den Fraktionschef votierten zehn Prozent der Befragten, für Parteichef Roland Heintze gar nur sechs Prozent. 31 Prozent antworteten „jemand anderes“ und 53 Prozent „weiß nicht“.
Nur unwesentlich besser sind die Werte unter den Anhängern der CDU: Dort stimmen 23 Prozent für Trepoll und 11 Prozent für Heintze, während 34 Prozent einen ganz anderen Kandidaten bevorzugen würden und 32 Prozent keine Meinung haben. Von der Möglichkeit, selbst einen Namen vorzuschlagen, haben kaum Befragte Gebrauch gemacht. „Am häufigsten wird noch gesagt, dass die CDU eine Frau aufstellen solle“, heißt es bei Forsa.
Diese Situation hat durchaus auch tragische Züge. Denn im Spätsommer hatte sich die CDU-Führung bereits intern auf die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan als Spitzenkandidatin festgelegt und mit der Personalie viel Aufmerksamkeit erregt. Doch noch bevor Özkan offiziell nominiert werden konnte, erkrankte sie so schwer, dass sie auf die Kandidatur verzichtete. Danach hatte die Union mit dem früheren Staatsrat Nikolas Hill einen weiteren Anwärter von Format in der Hinterhand – doch auch er musste sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Kandidaten-Kreis zurückziehen.
Seitdem fokussiert sich alles auf Parteichef Heintze und Fraktionschef Trepoll. Beide haben eine Kandidatur zwar nie ausgeschlossen, aber mehrfach durchblicken lassen, dass sie sich selbst nicht für die ideale Besetzung halten. Verglichen mit den CDU-Werten ist die Zustimmung zum Senat relativ hoch. 47 Prozent sind mit der Arbeit der rot-grünen Landesregierung zufrieden, 41 Prozent sind es nicht – 12 Prozent haben keine Meinung.
Noch deutlicher sind die Unterschiede allerdings im Vergleich zur Zustimmung für Rot-Grün im Frühjahr 2018: Damals hatten in einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Zeitungen „Welt“ und „Bild“ auf die Frage, wie zufrieden sie mit der Arbeit des bisherigen Bürgermeisters Olaf Scholz sind, 64 Prozent mit „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ geantwortet – also 13 Punkte mehr als jetzt bei Tschentscher.
Zufriedenheit mit Senat geht zurück
Auch mit der Gesamtleistung des Senats zeigten sich seinerzeit noch 61 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden, während es in der aktuellen Umfrage, die rund um den Jahreswechsel durchgeführt wurde, nur noch 47 Prozent sind. Dabei fällt auf: Während die Zufriedenheit bei den 18- bis 29-Jährigen mit 39 Prozent unterdurchschnittlich ist, fällt sie bei den über 60-Jährigen mit 55 Prozent deutlich höher aus.
Ins Auge sticht auch: Die Anhänger der SPD zeigen sich zu 86 Prozent zufrieden, die der Grünen dagegen nur zu 63 Prozent. Da die Grünen gleichzeitig die großen Gewinner der Umfrage sind und ihren Stimmenanteil gegenüber 2015 (12,3 Prozent) fast verdoppeln konnten, wäre eine denkbare Erklärung, dass bisherige SPD-Wähler aus Unzufriedenheit mit dem roten Teil des Senats künftig die Grünen wählen wollen. Belegbar ist das aber nicht.
Grafiken: Frank Hasse